Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2017

20 | Jahresbericht 2017 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Arzneimitteltherapie im Alter Über die Arzneimitteltherapie bei geriatrischen Pa- tienten und insbesondere die Polypharmazie in Alten- heimen referierte Professor Dr. Petra A. Thürmann, Direktorin des Philipp Klee-Instituts für Klinische Pharmakologie am Helios Klinikum Wuppertal und Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische Phar- makologie der Universität Witten/Herdecke. Nach ihren Worten erleiden alte Menschen mehr uner- wünschte Arzneimittelereignisse als jüngere Men- schen. Was der Patient wirklich einnimmt, sei häu- fig eine „Black Box“ – sind doch unterschiedliche Verordner im Spiel. Selbst dem Hausarzt fehle nicht selten der komplette Überblick. Hinzu kommen Selbstmedikation und Informationsverluste bei Krankenhauseinweisungen und -entlassungen. Po- lypharmazie ist nach Thürmanns Worten assoziiert mit einem erhöhten Sturzrisiko, einem erhöhten Ri- siko für Krankenhausaufnahmen und einem erhöh- ten Sterberisiko. Darüber hinaus droht ein Verlust an physischen und kognitiven Funktionen und eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszu- standes. Verringern lassen sich die Risiken, die von Poly- pharmazie ausgehen, durch den Medikationsplan, davon ist Thürmann überzeugt. Seit Oktober 2016 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf einen solchen Plan, wenn sie mindestens drei systemisch wirkende Arzneimittel über mindestens 28 Tage einnehmen. In einem Modellprojekt in der Region Erfurt hatte Thürmann den Medikationsplan auf Akzeptanz und Praktikabilität untersucht. Dazu wurden 150 Patienten einbezogen, die vor einer Krankenhauseinweisung oder vor der Entlassung aus der Klinik standen. Im Ergebnis äußerten die Patienten durchweg eine hohe Meinung vom Medi- kationsplan, während die Ärzte von der Kommuni- kation über die Sektorengrenzen hinweg besonders angetan waren. Weitere Fortschritte erhofft sich Thürmann, wenn der Medikationsplan − wie im E-Health-Gesetz vorgesehen − ab 2018 auf der elek- tronischen Gesundheitskarte gespeichert werden kann. Bei Menschen, die in Pflegeheimen leben, ist das Risiko von unerwünschten Arzneimittelereignis- sen besonders hoch. Eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hatte rund 13 sol- cher Ereignisse pro 100 Heimbewohner in einem Monat gezählt. Etwa 60 Prozent davon sind nach Thürmanns Worten „theoretisch vermeidbar“, da- runter auch Todesfälle. Besonders problematisch seien Psychopharmaka, insbesondere Neuroleptika und Diuretika. In Modellprojekten in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern war Thürmann der Fra- ge nachgegangen, wie sich die Häufigkeit von un- erwünschten Arzneimittelereignissen reduzieren lässt. Erfolgversprechend sind zum Beispiel Fort- bildungen für die verordnenden Ärzte, die heim- versorgenden Apotheker und das Pflegepersonal. Außerdem arbeiteten in jedem der beteiligten Hei- me nach der Fortbildung spezielle Pflegefachkräfte und die betreuenden Apotheker gemeinsam in soge- nannten Arzneimittelherapiesicherheits-Teams eng zusammen. Eine Aufgabe dieser Teams war es, arz- neimittelbezogene Probleme zu erkennen und mög- liche Lösungen zu erarbeiten. Diese wurden dann mit den behandelnden Ärzten besprochen. Im Er- gebnis zeigte sich, dass die interprofessionelle Inter- vention zu einer signifikanten Reduktion vermeid- barer Nebenwirkungen führt (weitere Informationen zu den Projekten sind im Internet verfügbar: www. amts-ampel.de ) . Novelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung Zur Vorbereitung auf die Novellierung der ( Muster-) Weiterbildungsordnung (MWBO) , die unterdessen ein Thema beim 120. Deutschen Ärztetag im Mai 2017 in Freiburg war, referierte der Vorsitzende der Wei- terbildungsgremien der Bundesärztekammer und Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Professor Dr. Petra T hürmann, Direktorin des Philipp Klee-Instituts für Klinische Pharmakologie am Helios Klinikum Wuppertal und Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische Pharmakologie der Universität Witten/Herdecke: „Professionelle Intervention führt zu einer signifikanten Reduktion unerwünschter Arzneimittelereignisse.“

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