Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2017
Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2017 | 21 Kammerversammlung Am dualen Krankenversicherungssystem festhalten – Einheitsversicherung führt zu Qualitätsverlust des deutschen Gesundheitssystems Die Kammerversammlung fordert alle politischen Kräfte auf, am dualen System der Krankenversicherung festzuhalten und der Einheitsversicherung eine Absage zu erteilen. Deutschland verfügt über eine im internationalen Vergleich hervorragende Gesundheitsversorgung. Ein wesentlicher Grund ist die Dualität von Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV). Die PKV leistet einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungsqualität, weil sie es Ärztinnen und Ärzten regelmäßig schneller ermöglicht, Innovationen den Patien- ten in der Versorgung als Versicherungsleistung zur Verfügung zu stellen. Nur in einer dualen Ordnung ist es möglich, die Leistungen der beiden unterschiedlichen Systeme miteinander zu vergleichen. Das wirkt als Bremse für Leistungseinschrän- kungen in der GKV. Darüber hinaus wären Investitionen in eine moderne, am wissenschaftlichen Fortschritt orientierte Medizin in Praxen und Krankenhäusern ohne die PKV-Einnahmen vielfach nicht möglich. Nicht zuletzt kommt die aus Privateinnahmen finanzierte Ausstattung beispielsweise mit modernsten Geräten auch GKV-Versicherten zugute. Die Vorschläge der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Weg in die Bürgerversicherung und das Szenario der Bertelsmann-Studie zu einer Krankenversicherungspflicht für Beamte sind, jenseits erheblicher verfassungsrechtlicher und beamtenrecht- licher Bedenken, zur Lösung der zukünftigen finanziellen Probleme unseres Gesundheitswesens nicht geeignet. Die Vorschläge würden in ihrer Konsequenz das hohe Versorgungsniveau verschlechtern und das deutsche Krankenversiche- rungssystem unsolidarischer und ungerechter machen. Krankenhausinvestitionsfinanzierung Die Kammerversammlung begrüßt es, dass im Vorfeld der Landtagswahl die politischen Parteien ankündigen, die Krankenhaus-Investitionsmittel nach der Landtagswahl deutlich zu erhöhen, nachdem die aktuelle Landesregierung dies wie alle Vorgängerregierungen bisher unterlassen hat. Soweit allerdings angekündigt wird, die Investitionslücke durch eine finanzielle Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen schließen zu wollen, weist die Kam- merversammlung dies entschieden zurück. Die Aufgabe der Krankenkassen liegt in der angemessenen Vergütung der in den Krankenhäusern erbrachten Behandlungen. Krankenhausinvestitionsfinanzierung und Krankenhausplanung liegen hingegen aus gutem Grund in der Verantwortung der Bundesländer. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung dabei einvernehmliche Regelun- gen mit den Beteiligten im Landesausschuss für Krankenhausplanung anzustreben. Dazu gehören u.a. die Krankenhausgesellschaft, die gesetzlichen Krankenkassen und die Ärztekammern. Ein darüber hinausgehendes, durch eine Mitfinanzierung begründetes, privilegiertes Mitspracherecht der Krankenkassen ist abzulehnen. Vielmehr muss Nordrhein-Westfalen seinen gesetzlich vorgegebenen Investitions- verpflichtungen aus eigenen Mitteln nachkommen. Dabei ist zu betonen, dass es sich nicht um „zusätzliche“ Mittel handelt, sondern um die Erfüllung einer gesetz- lich vorgegebenen Finanzierungsverantwortung. Eine Vergabe dieser Mittel nach politischen Kriterien ist abzulehnen. Stattdessen muss es allen bedarfsnotwendigen Krankenhäusern ermöglicht werden, ihre Substanz zu erhalten und die notwendigen Investitionen z.B. in den Bereichen Hygiene und IT-Sicherheit zu tätigen, ohne dafür Mittel aus der Patientenversor- gung abzweigen zu müssen. Gerade dort, wo das Land in der Krankenhausplanung qualitätsorientierte Vor- gaben macht, muss das mit einer diese Qualität ermöglichenden Investitions- finanzierung verbunden sein. Konzernbildung in der ambulanten Versorgung Die Kammerversammlung sieht mit Sorge, dass sich in immer mehr Bereichen der ambulanten ärztlichen Versorgung konzernartige Strukturen ausbilden, oft in der Hand renditeorientierter Unternehmen. Regional kann dabei die Wahlfreiheit für Patientinnen und Patienten einge- schränkt werden oder sogar verloren gehen. Für junge Ärztinnen und Ärzte wird es in diesen Regionen zunehmend schwerer oder unmöglich, sich in eigener Praxis niederzulassen, da die begrenzten Sitze im Unternehmen verbleiben. Ein Ausscheiden durch Ruhestand im ursprünglichen Sinn unterbleibt. Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber und die zuständigen Insti- tutionen der Selbstverwaltung auf, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und im Interesse der Patientinnen und Patienten den freiberuflichen Charakter der ambulanten Versorgung, auch in eigener Praxis, zu erhalten. Dazu fordert die Kammerversammlung, die Größe solcher Strukturen zu begrenzen. Die Kammerversammlung fordert außerdem, die Regelungen für die Zulassung zu überprüfen und so anzupassen, dass die Zulassungsausschüsse ihre Entscheidun- gen an den Erfordernissen einer guten regionalen Versorgung ausrichten können, bei der eine Wahlfreiheit der Patientinnen und Patienten in einem Zulassungsbe- zirk sicher gewahrt bleibt. Diese Maßnahmen sind dadurch zu ergänzen, dass ärztliche Kooperationsmodelle konsequent gefördert werden, bei denen selbstständig tätige und angestellte Ärz- tinnen und Ärzte gemeinsam in Zusammenschlüssen überschaubarer Größe eine freiberuflich geprägte, patientenorientierte, regional abgestimmte Versorgung gewährleisten und der Bevölkerung im Zulassungsbezirk Wahloptionen bieten. Digitalisierung und Telemedizin Die Kammerversammlung begrüßt es, dass die Vorstände der beiden Ärzte- kammern in Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames Positionspapier zur Digitali- sierung im Gesundheitswesen erarbeitet haben und darin Anforderungen an die Entwicklung und Nutzung digitaler Anwendungen aus ärztlicher Sicht benennen. Das Papier „Digitalisierung im Gesundheitswesen: Positionsbestimmung der NRW-Ärztekammern“ ist im Internet verfügbar unter http://www.aekno.de/ downloads/aekno/digitalisierung-aekno-aekwl.pdf . Schutz von informationeller Selbstbestimmung und Freiwilligkeit für Arzt und Patient sind Voraussetzungen für die Akzeptanz telemedizinischer Anwendungen Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten ist auch und insbesondere bei telemedizinischen Anwendungen zu beachten. Tele- medizinische Anwendungen müssen für Patienten und Ärzte freiwillig sein, weil nur dann Akzeptanz gelingen kann. Wegen der grundlegenden Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist darüber hinaus bei der Speicherung telemedizinisch erhobener Daten das Prinzip der Datensparsamkeit zu gewährleisten. Entschließungen der Kammerversammlung
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