Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2017
30 | Jahresbericht 2017 Ärztekammer Nordrhein Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik Sektorenübergreifende Versorgung Die Zusammenarbeit der Versorgungssektoren, insbesondere zwischen ambulanter und akutstati- onärer Versorgung, rückt immer mehr in den Fo- kus der gesundheitspolitischen Diskussionen. In NRW werden Fragen der sektorenübergreifenden Versorgung in einem „Gemeinsamen Landesgremi- um“ beraten. Gesetzliche Grundlage dafür ist § 90a SGB V . Zu der dort genannten „Mindestbesetzung“ gehören neben dem Land nur die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Krankenkassen und die Lan- deskrankenhausgesellschaft. Gleichwohl wurden die Ärztekammern fast bei allen Beratungen hin- zugezogen. Diese Erfahrung sollte das Land veranlassen, die Ärztekammern künftig von vorneherein als verbindliche Mitglieder vorzusehen. Schließlich vertreten die Kammern Ärztinnen und Ärzte aus allen Sektoren des Gesundheitswesens. Mit die- ser Perspektive haben sich die Ärztekammern im vergangenen Jahr unter anderem in Diskussionen um eine bessere Abstimmung der Sektoren bei der geriatrischen Versorgung und bei der Notfallver- sorgung eingebracht. In beiden Bereichen sollen im nächsten Jahr modellhaft Verbesserungen erprobt werden. Zunehmende Bedeutung der Bundesebene Nach der Wahl und der Regierungsbildung auf Bundesebene ist zu den Themen „Krankenhaus“ und „sektorenübergreifende Versorgung“ mit neu- en bundesgesetzlichen Initiativen zu rechnen. Schon in der vorangehenden Wahlperiode war eine Tendenz zu beobachten, die Regelungskompeten- zen der Bundesebene in diesem Bereich zu stärken, so zum Beispiel mit den bundeseinheitlichen „pla- nungsrelevanten Qualitätsindikatoren“. Hier kön- nen die Landesärztekammern nur gemeinsam über die Bundesärztekammer Einfluss nehmen. Die ÄkNo bringt sich in die notwendige bundesweite Abstimmung der Landesärztekammern zu Fragen der Versorgungsplanung und -steuerung intensiv ein. Veränderungen der ambulanten Versorgungsstrukturen kritisch begleiten In einigen Bereichen der ambulanten ärztlichen Versorgung an Rhein und Ruhr bilden sich nach Beobachtung der rheinischen Ärzteschaft kon- zernähnliche Strukturen aus. Die Ärztekammer Nordrhein hat eine Debatte zu dieser öffentlich zuvor kaum wahrgenommenen Entwicklung ange- stoßen. Auf Bitte des Vorstandes der Ärztekammer Nordrhein hat sich der Ad-hoc-Ausschuss Ärztli- che T ätigkeitsfelder intensiv mit Veränderungen der regionalen Versorgungslandschaft und -situation auseinandergesetzt. Ausgangspunkt waren exemp- larische regionale Recherchen. Es wurde deutlich, dass manche Veränderungen mit einer sukzessiven Übernahme von Vertragsarztsitzen durch rendite- orientierte Konzerne beziehungsweise durch große überregionaleEinheiten insbesondere instädtischen Gebieten quasi „geräuschlos“ vonstattengehen. In den Beratungen des Ausschusses wurde deut- lich, wie komplex die damit angesprochenen Fra- gen sind. Die Grenze zwischen erwünschter Ko- operation und kritischer Konzentration ist im Ein- zelfall nicht immer leicht zu ziehen. Gleichwohl stellte der Ausschuss fest, dass die Entwicklung in manchen Regionen perspektivisch den Einstieg junger Fachärztinnen und Fachärzte in die Nieder- lassung erschweren kann. Auch ein anderer Aspekt ist zu bedenken, wie Rudolf Henke, der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, vor der Kammerver- sammlung sagte: „Es stellt sich die Frage, inwie- weit die Wahlfreiheit der Patienten beeinträchtigt ist, wenn es in der Region nur noch einen Anbieter gibt. Ich glaube, dass wir diese Entwicklung kri- tisch hinterfragen müssen, ist doch die persönlich geprägte ambulante Versorgung nach wie vor unser Leitbild.“ So komplex das Problem ist, so schwierig ist auch die Frage nach sinnvollen Lösungen zu beantwor- ten. Ein möglicher Schlüssel für sinnvolle Grenzzie- hungen liegt in Veränderungen bei den Regelungen des kassenärztlichen Zulassungsrechtes. Mit einer wortgleichen Entschließung „Konzernbildung in der ambulanten Versorgung“ hat die Kammerver- sammlung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärz- te wie auch – auf nordrheinische Initiative hin – der Deutsche Ärztetag 2017 das Thema in die gesund- heitspolitische Diskussion gebracht. Das rheinische und das deutsche Ärzteparlament fordern den Gesetzgeber und die zuständigen Insti- tutionen der Selbstverwaltung auf, kritischen Ent- wicklungen Einhalt zu gebieten, indem die Größe ambulanter Versorgungseinheiten begrenzt wird und Zulassungskriterien angepasst werden. Aus- drücklich machen die Entschließungen auch klar, dass sinnvolle ärztliche Kooperationsmodelle von überschaubarer Größe konsequent gefördert wer- den müssen.
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