Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2017
98 | Jahresbericht 2017 Ärztekammer Nordrhein Rechtsabteilung und der Einholung einer Zweitmeinung unproble- matisch ist. Insgesamt wurde deutlich, dass sich die Entwicklung der Telemedizin und der Fernbehand- lung nicht aufhalten lässt, aber zur Sicherheit der Patienten und ihrer Rechte gesteuert werden muss. Telemedizin und Fernbehandlung können einer- seits die ärztliche Versorgung im Einzelfall durch- aus verbessern, andererseits besteht die Gefahr, dass insbesondere kommerzielle Anbieter Online- Angebote vorantreiben, um ärztliche Leistungen kostengünstiger zugänglich zu machen. Jedoch darf dadurch nicht die Qualität, die eine persön- liche Beziehung und den Kontakt zwischen Arzt und Patient als wesentlichen Kern der ärztlichen Tätig- keit ausmacht, durch das zusätzliche Angebot ver- lorengehen. Der Ausschuss sprach sich dafür aus, die Fernbehandlung als Ergänzung beziehungs- weise Unterstützung zur herkömmlichen Medi- zin zuzulassen, sofern hierdurch die Qualität der ärztlichen Versorgung und die Patientensicherheit verbessert werden sowie der Facharztstandard ge- währleistet bleibt. Unter dem Tagesordnungspunkt „Digitalisie- rung im Gesundheitswesen“ hat dann der 120. Deutsche Ärztetag 2017 in Freiburg zentrale As- pekte der Telemedizin beraten und hierzu diver- se Beschlüsse gefasst. Im Grundsatz hat sich der 120. Deutsche Ärztetag dafür ausgesprochen, die Telemedizin in Ergänzung beziehungsweise zur Unterstützung der herkömmlichen Medizin mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt zu fördern, sofern der direkte Kontakt weitestgehend gewähr- leistet ist, die telemedizinische Leistung eine Er- gänzung darstellt, die zeitliche und räumliche Ver- fügbarkeit des Facharztstandards gesichert wird, haftungs- und datenschutzrechtliche Aspekte ge- klärt werden und die Ärztinnen und Ärzte den Vor- schriften des Berufsrechts unterliegen (Beschlüsse zu TOP II–07, II–23, II–29, II–33). Heilpraktiker Die Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerrechts in Deutschlands dürfte unstrittig sein. Die tödlich verlaufenen Versuche von Krebsbehandlungen in Bracht im Berichtszeitraum haben nun dazu ge- führt, dass sich die Öffentlichkeit intensiver mit einem im europäischen Kontext einzigartigen Phä- nomen befasst: In Deutschland ist die umfassende Ausübung der Heilkunde nicht auf approbierte Ärz- tinnen und Ärzte beschränkt. Wer in Deutschland die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein, bedarf nach dem Heil- praktikergesetz aus dem Jahre 1939, zuletzt geändert im Jahr 2001, lediglich einer Erlaubnis, die von der unteren Gesundheitsbehörde nach Durchführung einer sogenannten Gefahrenabwehrprüfung erteilt wird. Das Recht zur Ausübung der Heilkunde umfasst gemäß § 1 Abs. 2 für Erlaubnisinhaber im Grund- satz die gesamte Heilkunde, denn erlaubt ist „jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätig- keit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen“. Dazu gehören auch invasive Eingriffe wie Blutentnahmen, Injektionen, Infusionen, selbst chirurgische Eingriffewärenmöglich. Lediglich be- stimmte, spezialgesetzlich bestimmte Tätigkeiten, die explizit unter Arztvorbehalt stehen, sind davon ausgenommen. Bemerkenswert ist die Unwissenheit in der Bevöl- kerung zu Ausbildung, Zulassung, Qualifikation und Aufsicht von Heilpraktikern. Heilpraktikerin- nen und Heilpraktiker werden oftmals wahrge- nommen als „kleine Ärzte“, die „komplementärme- dizinisch“ tätig werden und Naturheilverfahren, Homöopathie oder andere alternative diagnostische und therapeutische Verfahren im Gegensatz zur „Schulmedizin“ anbieten. Übersehen wird oftmals, dass die von Heilprak- tikern zu absolvierende Prüfung keine positive Feststellung einer wie auch immer gearteten Qua- lifikation bedeutet, sondern lediglich die „negati- ve“ Feststellung, dass von der betreffenden Person keine Gefährdung ausgehen soll. Gesetzliche Rege- lungen, die die Möglichkeit bieten, bei persönlicher oder fachlicher Ungeeignetheit die Erlaubnis wie- der zu entziehen, bestehen nicht. Mit Blick auf diese Gruppe von Heilpraktikern sieht die Ärztekammer einen dringenden Hand- lungsbedarf für die Gesetzgebung auf Bundesebe- ne. Da es angesichts der unüberschaubaren und sich ständig verändernden Vielfalt von Diagnose- und Behandlungskonzepten im Heilpraktikerwesen nicht möglich ist, Begrenzungen auf der Ebene ein- zelner Behandlungskonzepte sinnvoll vorzuneh- men, muss sich eine Patientenschutzvorschrift an der Eingriffstiefe als solcher orientieren. Die Kammer hat die Thematik in verschiedener Hinsicht aufgegriffen, unter anderem in einer Stel- lungnahme gegenüber dem Gesundheitsausschuss des Landtages im Rahmen einer öffentlichen An- hörung zu den Anforderungen für die Berufsaus- übung von Heilpraktikern. Darüber hinaus hat sie „Informationen zu den Rechtsgrundlagen für Heil- praktiker“ erstellt, zu finden unter: www.aekno.de
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