Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2018

20 | Jahresbericht 2018 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Solidarität mit osteuropäischen Ärztinnen und Ärzten Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein solidarisiert sich aus- drücklich mit dem Protest der vielen osteuropäischen Ärztinnen und Ärzte, die im Oktober dieses Jahres gegen überbordende Arbeitsbelastung aufgrund von Personalmangel, Bürokratie und mangelnde Bezahlung bei Unterfinanzierung ihrer Gesundheitssysteme gestreikt haben. Medizinischer Nutzen muss bei Telematik-Infrastruktur im Vordergrund stehen Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein unterstützt die Forderung des Ärztlichen Beirats zur Begleitung des Aufbaus einer Telematik-Infrastruktur für das Gesundheitswesen in Nordrhein-Westfalen, dass medizinische Anwendun- gen der Telematik-Infrastruktur nur dann zur Anwendung kommen dürfen, wenn diese zuvor im ärztlichen Versorgungsalltag auf Qualität, Nutzen und Patienten- sicherheit geprüft worden sind. Die nordrheinischen Delegierten kritisieren in Übereinstimmung mit dem Ärzt- lichen Beirat den – unter der Sanktionsandrohung des E-Health-Gesetzes gefassten – Beschluss der Gesellschafter der Betreibergesellschaft gematik, nach dem der alleinige Nachweis der technischen Funktionsfähigkeit von Hard- und Software für künftige Anwendungen durch die Hersteller für die Marktzulassung reicht. Der Beschluss fiel gegen die Voten der mit der Einführung der Anwendungen Notfalldatenmanagement und eMedikationsplan/Arzneimitteltherapiesicherheit betrauten Gesellschafter Bundesärztekammer und Deutscher Apothekerverband. Die Delegierten mahnen an, dass damit ein rein kommerzielles Marktmodell einge- führt wird, welches nur noch auf die technische Funktionsfähigkeit setzt und nicht mehr darauf achtet, ob die Instrumente in der medizinischen Anwendung nutzen und akzeptiert werden oder im schlimmsten Fall dem Patienten sogar schaden. Die nordrheinischen Delegierten appellieren an die handelnden Akteure in Politik und Selbstverwaltung, eine geeignete Organisationsstruktur für die Festlegung von Zulassungskriterien zu definieren und die inhaltliche Erprobung einzelner medizinischer Anwendungen umgehend zu veranlassen. Um einer Zersplitterung, technischer Inkompatibilität und Kommerzialisierung vorzubeugen, fordern die Delegierten die schnelle Umsetzung einer einheitlichen, umfassenden sowie einrichtungs- und sektorenübergreifenden elektronischen Pa- tientenakte, unter Anwendung anerkannter, offener technischer Standards für die Definition Datenmodellen und Schnittstellen (bspw. Health Level 7). Patientinnen und Patienten müssen frei über die Nutzung der elektronischen Patientenakte ent- scheiden können, die Speicherung der Daten muss unter ihrer vollen Hoheit stehen. gematik beschließt potenzielles Milliardengrab Die Gesellschafterversammlung der gematik hat – entgegen aller im Vorfeld konsentierten Vereinbarungen – beschlossen, die vorgesehene Evaluation und Praxistauglichkeit für die elektronische Gesundheitskarte nicht vorzunehmen. Dieser Beschluss stellt in Augen der Ärzteschaft der ÄK Nordrhein einen Skandal dar. Ohne adäquate Erprobung und Evaluation werden den Praxen, Kranken- häusern u.v.a. Investitionen in Millionenhöhe, möglicherweise Milliardenhöhe aufgezwungen in eine Technik, die noch völlig unerprobt ist oder nur bei vom Ver- käufer bestimmten Anwendern. Hiermit eine Patientenversorgung in der breiten Fläche zu versuchen, ist völlig unverantwortlich. Es steht zu befürchten, dass die unzureichend oder nicht getestete Technik zu massiven Beeinträchtigungen in der Patientenversorgung, unnötiger Verzögerung von bewährten Prozessen in der Versorgung und zu einer gigantischen Verschwendung von Versichertengeldern führt. Patienten haben – genau wie bei der Zulassung von Arzneimitteln – ein Anrecht darauf, dass nur nachweislich funktionierende und ausreichend erprobte und getestete Systeme (Hard- und Softwareprodukte) zur Versorgung in der Fläche eingesetzt werden. Auch ein breitflächiges Verteilen der Versichertengelder in eine nicht evaluierte Technik ist wirtschaftlich völlig unverantwortlich. Die Ärzteschaft fordert daher, dass alle zuvor beschlossenen Evaluations- und Testphasen vollumfänglich und ergebnisoffen durchgeführt werden und nur ausreichend und positiv (wirtschaftlich und zweckmäßig, eine Verbesserung der Versorgung ergebend) getestete und evaluierte Systeme und Anwendungen für die Patientenversorgung zugelassen werden. Keine Anschaffung von Komponenten für eine Telematik- Infrastruktur ohne Beteiligung von Ärzten, ohne praxisnahe Prüfung von Praktikabilität und Sicherheit und ohne sämtliche erforderlichen Zulassungen Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein kritisiert den Beschluss der gematik, nach dem Anbieter der Konnektoren eine Marktzulassung erhalten können, wenn sie den Nachweis der Funktionsfähigkeit in einer von ihnen selbst definierten und durchgeführten Feldtest-Umgebung erbracht haben, ohne dabei die praktischen Anforderungen aus dem Versorgungsalltag sowie die Bedürfnisse der Patienten zu berücksichtigen. Zahlreiche Beschlüsse der Ärzteschaft fordern im Gegenteil, dass vor der Markt- zulassung und Einführung von Komponenten einer Telematikinfrastruktur (TI) praxisnahe Tests und Ergebnisbewertungen unter Einbeziehung der Ärzteschaft unverzichtbar sind. Dies ist Voraussetzung für die Gewährleistung von Praktika- bilität und Sicherheit. Durch diesen Beschluss der gematik werden auch Sinn und Zweck des ärztlichen Beirats der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, ärztlichen Sachver- stand im Hinblick auf Praktikabilität und Sicherheit bei Telematik und eHealth einzubringen, missachtet. Weiter schließt sich die Kammerversammlung den Hinweisen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV-Homepage, Informationen für die Praxis, Stand Septem- ber 2017) an, nach denen sämtliche Komponenten, die für den Anschluss an eine TI erforderlich sind, zuvor von der gematik bzw. vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie zugelassen sein müssen. Ärzte und Psychotherapeuten sollen keinen Vertrag zum Anschluss an die TI oder zu einzelnen Komponenten abschließen, solange nicht sicher ist, dass alle not- wendigen Komponenten zugelassen und lieferbar sind, und solange diese Kompo- nenten nicht unter Mitwirkung der Ärzte im Hinblick auf Funktion, Praktikabilität und Sicherheit getestet wurden. gematik-Beschluss gefährdet Patientensicherheit Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein kritisiert massiv die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der gematik vom 01.09.2017, nach denen die Anwendungen „Notfalldatenmanagement“ und „eMedikationsplan/ Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung“ ohne Erprobung in den Versorgungs- alltag eingeführt werden sollen. Dieses Vorgehen verstößt fundamental gegen die Zusagen der gematik und des Bundesministeriums für Gesundheit, nur ausreichend erprobte und evaluierte An- wendungen zuzulassen. Erfolgskritische Faktoren wie Praktikabilität, Akzeptanz bei Patienten und Ärzten, medizinischer Nutzen und Patientensicherheit Entschließungen der Kammerversammlung

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