Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019
18 | Jahresbericht 2019 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Es gebe zudem Niedergelassene, die sehnsüchtig ihren Ruhestand erwarteten, andere drängten aus ökonomischen Zwängen in die Privatmedizin oder hofften auf ein Angebot, ihre Praxis an ein MVZ veräußern zu können. Die Etablierung eines Telenotarztsystems in NRW darf nach den Worten von Dr. Sven Dreyer (Düsseldorf) nicht zur Schließung von Rettungs- dienststandorten und der Reduzierung der Zahl der Notärzte in Nordrhein führen. Die telemedi- zinische Einsatzbegleitung des nicht-ärztlichen Personals bei Einsätzen ohne Notarztindikation könne zu einer Qualitätssteigerung im Rettungs- dienst führen. „Auch nach der Einrichtung eines telemedizinischen Unterstützungssystems muss die jederzeitige und kurzfristige Präsenz des Notarztes am Einsatzort zur Behandlung von Notfallpatien- ten landesweit gewährleistet sein“, sagte Dreyer. Dr. Christiane Groß M. A. (Wuppertal) warnte mit Blick auf die für das Jahr 2021 avisierte Ein- führung einer elektronischen Patientenakte (ePA) vor Risiken für Patienten und Ärzteschaft. So müs- se haftungsrechtlich nachvollziehbar sein, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt für die be- handelnden Ärzte in der Akte sichtbar waren, „da- mit wir mit diesen Akten hinterher auch arbeiten können“. Abzulehnen sei, dass dem GKV-Spitzen- verband die Regelungshoheit über Struktur und In- halt der ePA übertragen werden solle, hier gehöre die Bundesärztekammer an den Tisch und damit „ärztlicher Sachverstand“. Dr. Rudolf Lange, Leiter des Kreisgesundheits- amtes Mettmann, sprach über die prekäre Situation des ÖGD. Viele erfahrene Kollegen seien bereits in den Ruhestand getreten, viele weitere kurz davor. Viele Stellen seien vakant, auf Stellenausschreibun- gen meldeten sich keine interessierten Bewerbe- rinnen und Bewerber. Ein Grund hierfür sei, dass Ärzte, wenn sie sich für eine Laufbahn im ÖGD in- teressierten, in der Regel schon auf eine langjährige klinische Karriere zurückblicken könnten, teils mit zwei Facharztqualifikationen. Ein Wechsel von der Klinik in ein Gesundheitsamt sei dann häufig mit finanziellen Einbußen von circa 1.500 Euro im Mo- nat verbunden. Lange appellierte an die klinischen und niedergelassenen Kollegen im Saal: „Lassen Sie es nicht zu, dass Ärztinnen und Ärzte in Ärzte erster und zweiter und vielleicht irgendwann auch dritter Ordnung auseinanderdividiert werden.“ Änderungen der Berufsordnung und des Gelöbnisses Die Kammerversammlung novellierte die Re- gelungen zur ausschließlichen Fernbehandlung nach § 7 Abs. 4 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte. Künftig sollen eine Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien auch ohne persönlichen Erstkontakt „im Einzel- fall“ via Tele-Konsultation erlaubt sein, „wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztli- che Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird“, so der Wortlaut der Neuregelung. Damit hat die Kammer- versammlung einen Beschluss des 121. Deutschen Ärztetags zur Änderung der (Muster-)Berufsordnung im Wortlaut in die nordrheinische Berufsordnung auf Landesebene übernommen, sodass er rechts- wirksam werden kann. Ebenfalls wurde in der Berufsordnung § 13 BO („Besondere medizinische Verfahren“) neu gefasst, insbesondere dort als besonderes Verfahren die as- sistierte Reproduktion aufgenommen und § 5 BO („Qualitätssicherung“) ergänzt sowie die Aufhe- bung der „Richtlinie zur Durchführung der assis- tierten Reproduktion“ gemäß § 13 BO beschlossen. Auch stimmte die Kammerversammlung zu, das Genfer Gelöbnis, das die 68. Generalversammlung des Weltärztebundes 2017 in Chicago überarbeitet hatte, der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein voranzustellen und damit die bisherige Version zu ersetzen. Die Neuerungen tra- ten nach Genehmigung und Bekanntgabe durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in Kraft. Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, führte durch die Dis- kussion zur berufs- und gesundheitspolitischen Lage und referierte zu den Änderungen der Musterberufsordnung.
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