Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019

20 | Jahresbericht 2019 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Die Lösung für die Probleme in unserem Gesundheitswesen ist nicht darin zu suchen, den Menschen die Entscheidungen für ihr gesundheitliches Wohl aus der Hand zu nehmen, um sie auf die Krankenkassen oder andere übergeordnete Institutionen zu verlagern. Stattdessen sind geeignete Rahmenbedingungen für die Beratung im Arzt- Patienten-Gespräch zu schaffen. Dies ist die beste Voraussetzung dafür, dass Menschen auf der Basis medizinisch-fachlich richtiger und angemessen ver- mittelter Informationen ihre Präferenzen klären und die Verantwortung für ihre gesundheitlichen Belange übernehmen können. Darüber hinaus sollte Gesundheitskompetenz auch im Bildungssystem vermittelt werden. Die Kammerversammlung fordert das Land Nordrhein-Westfalen deshalb auf, im Schulunterricht das Thema „Gesundheitsförderung“ verbindlich in den Lehrplan aufzunehmen. Im Rahmen dieses Unterrichts sollte der Förderung der (digitalen) Gesundheitskompetenzen besondere Bedeutung zukommen. TSVG – Einfluss nicht-ärztlicher Investoren (Kapitalinvestoren) in der ambulanten medizinischen Versorgung begrenzen Die Kammerversammlung begrüßt es, dass der Gesetzgeber mit dem Terminser- vice- und Versorgungsgesetz (TSVG) Maßnahmen ergreifen will, um den Einfluss nicht-ärztlicher Investoren (Kapitalinvestoren) in der ambulanten medizinischen Versorgung zu begrenzen. Bemühungen des Bundesrats und der Bundesärztekammer, im TSVG Regelungen in dieser Hinsicht zu erwirken, werden unterstützt. Dies ist unbedingt erforderlich, um im Interesse der Patientinnen und Patienten den freiberuflichen Charakter der ambulanten ärztlichen Versorgung zu erhalten. Die wenigen bisher im Gesetzentwurf vorgesehenen Maß- nahmen können für sich genommen die kritischen Entwicklungen nicht eindäm- men, zumal andere Regelungsvorschläge des Gesetzentwurfes die Konzernbildung weiter fördern würden. Die Kammerversammlung fordert den Deutschen Bundestag auf, wirksame Rege- lungen in das Gesetz aufzunehmen. Dazu gehören vor allem: • Kapitalinvestoren dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, die Gründungs- eigenschaft von Krankenhäusern zu missbrauchen, um MVZ ohne fachlichen und regionalen Bezug zu einem Krankenhaus zu gründen. • Kapitalinvestoren dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, die Zahl der Arzt- sitze in einem MVZ ohne Begrenzung zu steigern. • Kapitalinvestoren dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, MVZ mit einem auf wirtschaftlich attraktive Leistungen eingeengten Tätigkeitsspektrum zu betreiben. • Kapitalinvestoren dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, Arztsitze zu übernehmen, ohne gegenüber dem Zulassungsausschuss Transparenz über den Kaufpreis und die sonstigen Konditionen herzustellen. • Kapitalinvestoren dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, als Fremdkapitalgeber den freiberuflichen Charakter der ambulanten ärztlichen Versorgung einzuschränken. TSVG – Ressourcen statt Reglementierung Die Kammerversammlung lehnt die im Entwurf des Terminservice- und Versor- gungsgesetzes (TSVG) enthaltenen Regelungen zu Mindestsprechstundenzeiten und verpflichtenden offenen Sprechstunden entschieden ab. Eine wirkliche Verbesserung der ambulanten Versorgung kann nur erreicht werden, wenn der Gesetzgeber für die erforderlichen Ressourcen sorgt und die ärztliche Freiberuflichkeit konsequent stärkt, statt sie durch neue Reglementie- rungen weiter einzuschränken. 1. Ressourcen bereitstellen Der Gesetzentwurf erkennt prinzipiell an, dass für ein „Mehr“ an Versorgung die Bereitstellung zusätzlicher Mittel notwendig ist. Die vorgesehene extrabudgetäre Vergütung ärztlicher Grundleistungen ist richtig. Die im Gesetzentwurf dabei vor- genommene Differenzierung zwischen regelhaften und spezifischen Leistungen ist jedoch im Verfahren problematisch. Für die Gewährleistung einer bedarfsgerechten, flächendeckenden Versorgung ist über die im Gesetzentwurf enthaltenen, punktuellen Maßnahmen hinaus ein tatsächliches Ende der Budgetierung vertragsärztlicher Leistungen nötig, so wie dies die Ärzteschaft seit Langem fordert. 2. Überregulierung verhindern Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber auf, die geplanten Eingriffe in die Sprechstundengestaltung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte nicht umzusetzen. Mit einer Anhebung der Mindestsprechstundenzahl auf 25 Stunden pro Woche lässt der Gesetzgeber in der Öffentlichkeit einen durchweg völlig unzutreffenden Eindruck über die Arbeitsleistung von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten entstehen. Zugleich befördert er eine Erwartung nach mehr Sprechstunden-zeiten, die sich so nicht erfüllen kann, weil niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bereits jetzt eine Wochenarbeitszeit von durchschnittlich mehr als 50 Stunden pro Woche leisten. Die Regelung ist daher für eine bessere Versorgung nicht erforderlich, sondern resultiert in mehr Kontrollbürokratie und enttäuschten Erwartungen in der Bevölkerung. Die Vorgabe einer Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden muss unter diesen Voraussetzungen von vielen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten als Bevor- mundung und Entwertung ihres ärztlichen Engagements gesehen werden. Die Ausweitung der Pflicht-Sprechstundenzeiten ist ersatzlos aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Genauso falsch ist der geplante Eingriff in die Termingestaltung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte durch die verpflichtende Vorgabe von „offenen Sprech- stunden“. Dort, wo solche Sprechstunden sinnvoll sind, bieten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sie bereits heute an. In den meisten Fällen gilt aber, dass eine Terminsprechstunde der bessere Weg ist, um Patientinnen und Patienten eine planbare Versorgung ohne unnötiges Sitzen im Wartezimmer zu ermöglichen. Es ist schlichte Überregulierung, wenn der Gesetzgeber nun meint, es besser zu wissen als die Ärztinnen und Ärzte vor Ort und ihnen die Sprechstundengestaltung aus der Hand nimmt. Solche Pflichtvorgaben konterkarieren ein an die jeweilige Versorgungssituation angepasstes, flexibles und bedarfsorientiertes Terminmanagement freiberuflich tätiger Ärztinnen und Ärzte. Entschließungen der Kammerversammlung

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