Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019

Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2019 | 21 Kammerversammlung Es ist außerdem sehr widersprüchlich, einerseits einen Ärztemangel in der ambulanten Versorgung zu beklagen und andererseits durch immer neue Regle- mentierungen die Attraktivität der ambulanten ärztlichen Tätigkeit zu beschädi- gen. Förderung der Versorgung chronisch Kranker anstelle der Förderung von „offenen Sprechstunden“ und Neupatienten im TSVG Die Kammerversammlung lehnt die Planungen im Terminservice- und Ver- sorgungsgesetz (TSVG) zur Förderung von „offenen Sprechstunden“ und von sog. „Neupatienten“ ab, die die Terminvergabe an chronisch kranke Patienten erschweren und deren Behandlung im Vergleich zu Patienten mit leichten Erkran- kungen und Befindlichkeitsstörungen finanziell noch unattraktiver machen. Die Entbudgetierung von Grundpauschalen wird sehr begrüßt. Wenn diese und ein Honorarzuschlag aber nur für einen Teil der Patienten gelten soll, sollen damit besonders aufwändige oder wichtige Untersuchungen und Krankheiten versehen werden und nicht „offene Sprechstunden“ und Neupatienten. Der Grundsatz, dass sich die Vermittlung von Terminen an der Dringlichkeit und dem Behandlungsbedarf orientieren muss, darf nicht durch die genannten Planun- gen im TSVG behindert werden. Keine Ausweitung der Tätigkeit von Terminservicestellen Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein lehnt die Ausweitung der Tätigkeit der Terminservicestellen (TSS) ab. Es handelt sich bei den TSS um ein ungeeignetes Instrument, um die durch die Budgetierung in der vertragsärztlichen Versorgung entstandenen Probleme zu lösen. Zudem sind im internationalen Vergleich die Wartezeiten auf Arzttermine in Deutschland kurz. Gesetzgeber soll die unbedingte Termintreue der Patienten einfordern Die Kammerversammlung sieht mit Sorge eine abnehmende Termintreue der Patienten in den Sprechstunden. Sie fordert vom Gesetzgeber bei allen Planun- gen, die unbedingte Termintreue der Patienten einzufordern. Elektronische Patientenakte: Wahlfreiheit, Datensicherheit und Verbesserung in der Patientenversorgung garantieren Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein begrüßt die im Termin- service- und Versorgungsgesetz (TSVG) formulierte Absicht, allen Krankenver- sicherten spätestens ab 2021 eine einrichtungs- und sektorenübergreifende elektronische Patientenakte zur Verfügung zu stellen und dafür den bestehenden Rechtsrahmen der Telematikinfrastruktur (§ 291 a SGB V) zu nutzen. Damit die Akte die mit ihr verbundenen Hoffnungen auf Unterstützung von Thera- pie und Diagnostik, Vermeidung von überflüssigen Untersuchungen, Vermeidung von Informationsverlusten an Schnittstellen etc. erfüllen kann, sind aus Sicht der Kammerversammlung folgende Punkte bei deren Einführung zu beachten: 1. Es sollten nur durchsuchbare und für die medizinische Versorgung relevante Daten enthalten sein. Nur medizinisch relevante Daten können eine Grundlage für die ärztliche Weiterbehandlung darstellen. Abrechnungsdaten, die von den Kassen in die Akte überführt werden, genügen diesem Anspruch nicht. 2. Es muss durchgehend ersichtlich sein, wer (Arzt, Kasse oder Versicherte beispielsweise via App) und wann und in welchem Kontext einen Eintrag/ein Dokument eingestellt und/oder gelöscht hat. Medizinische Apps, die die Versor- gung unterstützen sollen, sollten qualitätsgesichert sein sowie von der jeweiligen Fachgesellschaft als medizinisch sinnvoll eingestuft worden sein. 3. Es muss haftungsrechtlich nachvollziehbar sein, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt für die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt in der Akte sichtbar waren. 4. Nutzung, Speicherung von Daten und die Feststellung von Zugriffsberechtigun- gen, auch selektiver Art, muss unter der Hoheit der Patientinnen und Patienten stehen. 5. Es muss sichergestellt sein, dass Patientinnen und Patienten auch zukünftig vor einer nicht gewollten Weitergabe ihrer gesundheitsrelevanten Daten wirksam geschützt werden. 6. Vor der Einführung sollten Patientinnen und Patienten ausreichend darüber informiert werden, a. dass nur eine vollständige Akte eine optimierte Behandlung gewährleistet. b. dass der Weiterverkauf der Daten Risiken beinhaltet, die je nach dahinter- stehendem Geschäftsmodell unterschiedlich zu bewerten sind. c. dass der Begriff der Datenspende eine Weitergabe der Gesundheitsdaten beinhaltet. d. dass selbst bei einer anonymisierten Weitergabe nicht 100%ig gewährleistet werden kann, dass keine Rückschlüsse auf die Patientin/den Patienten gezogen werden können. e. dass insbesondere Apps ein hohes Datensicherheitsrisiko aufweisen und dass bei Apps in der Regel zahlreiche Metadaten (Sekundärdaten), die möglicher- weise Rückschlüsse auf den Patienten erlauben, an Firmen im In- und Ausland übermittelt werden. 7. Jeder Versicherte sollte einen Rechtsanspruch auf eine elektronische Patientenakte (ePA) gemäß § 291 a SGB V erhalten. In einem wettbewerblich aus- gerichteten Gesundheitswesen sollten aber die Krankenkassen nicht die einzigen Anbieter von Patientenakten sein und der Versicherte sollte die Wahl haben, für welchen ePA-Anbieter (z.B. Krankenkasse, Ärztenetz, oder eines anderen Anbieters) er sich entscheiden will. 8. Auch für Privatversicherte und Beamte muss es ein Wahlrecht für die Nutzung elektronischer Akten (z. B. elektronischer Notfalldatensatz und einrichtung- sübergreifende elektronische Patientenakte) geben, denen die gleichen Krite- rien in Sicherheit und Praktikabilität zugrunde liegen, wie den Akten des § 291 a SGB V. 9. Alle elektronischen Patientenakten müssen untereinander interoperabel zu nutzen sein. 10. Die Nutzung der elektronischen Akten durch die Ärztinnen und Ärzte muss eindeutig eine qualitative aber auch zeitliche Verbesserung in der Patientenver- sorgung gewährleisten. 11. Die zusätzliche Zeit für Beratung und Moderation der elektronischen Akten muss als extrabudgetäre Leistung zusätzlich ausreichend honoriert werden. Entschließungen der Kammerversammlung

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