Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019

24 | Jahresbericht 2019 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Berufsordnung niedergelegt sind“, an der medizini- schen Wissenschaft und den Geboten der Mensch- lichkeit. „Das hat sich bewährt, aufgrund unserer Sach- und Fachkenntnisse können wir in unseren beruflichen Angelegenheiten in sehr, sehr vielen Punkten die Dinge am besten selber regeln“, sagte der Kammerpräsident. Es sei „eine Daueraufgabe, die ärztliche Freibe- ruflichkeit und die Selbstverwaltung gegenüber dem Gesetzgeber, den Krankenkassen und einer grobschlächtigen Ökonomie zu verteidigen“, sagte Henke. Bei aller grundsätzlichen Europafreund- lichkeit sei nicht zu übersehen, dass in Sachen Frei- beruflichkeit auch Einmischungen aus der europä- ischen Ebene an der Tagesordnung sind. „Ich werde oft das Gefühl nicht los, dass es vielen gar nicht um das Patientenwohl geht, sondern letzten Endes da- rum, Kontrolle im System zu übernehmen“, sagte Henke, „wir brauchen die Freiberuflichkeit als Prinzip ärztlicher Verantwortung, wir brauchen eine Selbstverwaltung, die genügend Spielräume besitzt, wir brauchen die Chance, tatsächlich ge- stalten zu können, und nicht nur nach gesetzlichen Vorgaben zu verwalten.“ TSVG mit zwei Gesichtern Das T erminservice- und Versorgungsgesetz ( T SVG) , vom Deutschen Bundestag am 13. März und vom Bundesrat am 12. April verabschiedet, hat nach Auf- fassung des rheinischen Kammerpräsidenten zwei Gesichter. Kritisch beurteilt er neue gesetzliche Vorgaben, die Eingriffe in die ärztliche Selbstbe- stimmung bedeuten. Vertragsärztinnen und -ärzte mit vollem Sitz müssen nach dem T SVG voraussicht- lich ab Anfang Mai mindestens 25 statt bisher 20 Stunden pro Woche für gesetzlich Versicherte an- bieten, Zeiten für Hausbesuche werden darauf angerechnet. „Fachärzte der grundversorgenden und wohnortnahen Versorgung“ verpflichtet der Gesetzgeber ab August zu mindestens fünf offenen Sprechstunden. Welche Fachgruppen davon be- troffen sind, legten Kassenärztliche Bundesverei- nigung und GKV-Spitzenverband im Sommer 2019 fest. Die Eingriffe zu Mindestsprechstundenzeiten und offenen Sprechstunden wirkten wie eine Miss- trauenserklärung gegen Selbstbestimmung und Freiberuflichkeit, sagte der Präsident vor der Kam- merversammlung. Auf der anderen Seite stehe eine „in dieser Art bisher unerreichte Anerkennung des Gesetzgebers für den Grundsatz, dass auf Dauer nur solche Arbeit verlangt werden darf, die auch vergü- tet wird. Insofern sind die für uns unakzeptablen Vorschriften zur Praxisorganisation zum Anlass des Gesetzgebers für den Einstieg in einen mög- lichen Ausstieg aus der Budgetierung geworden.“ So sieht das T SVG die extrabudgetäre Vergütung aller (Akut-)Leistungen im Behandlungsfall und im Quartal für Patienten vor, die von der Termin- servicestelle vermittelt werden. Zusätzlich fallen − nach Wartezeit auf die Behandlung − gestaffelte Zuschläge von 20 bis 50 Prozent an. Der Hausarzt erhält ab 1. August einen Zuschlag von 10 Euro außerhalb des Budgets für die erfolgreiche Ver- mittlung eines dringenden Facharzttermins. Leis- tungen für übernommene Patienten nach Termin- vermittlung durch einen Hausarzt werden künftig ebenfalls extrabudgetär bezahlt. Darüber hinaus können alle Leistungen, die in bis zu fünf offenen Sprechstunden erbracht werden, im Behandlungs- fall und im Quartal extrabudgetär vergütet werden, ebenso Leistungen für neue Patienten. Für Ärztin- nen und Ärzte auf dem Land soll es obligatorische regionale Zuschläge geben. Trotz dieser Pluspunkte missbilligte die Kammerversammlung das T SVG in einer Entschließung (imWortlaut siehe auch Seite 28). Ärztliche Schweigepflicht wahren Unzufrieden zeigte sich Henke mit den Regelun- gen des T SVG zu Medizinischen Versorgungszent- ren. Die Ärztekammer Nordrhein hatte entschieden vor den Gefahren für eine flächendeckende ambu- lante ärztliche Versorgung gewarnt, die von einer Ausbreitung von Medizinischen Versorgungszent- ren in der Hand von kapitalgetriebenen Fremdin- vestoren ausgeht. Der Gesetzgeber habe sich trotz aller Argumente nicht durchringen können, diese Entwicklung zu stoppen, bedauerte der Präsident. Lediglich bei den Zahnärzten sieht das T SVG erheb- liche Beschränkungen für die Neugründung von MVZ durch Krankenhäuser vor. Kritisch sieht der Präsident auch, dass das Bun- desgesundheitsministerium nach dem T SVG künf- tig die Entscheidungsgewalt in der Gesellschaft für Telematik (Gematik) haben soll. Damit werde die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ge- schwächt, die bisher die Gematik gesteuert hat. „Gerade die Einführung digitaler Prozesse braucht eine auf Vertrauen basierende Strategie, da es hier am Ende immer um Patientendaten und Patienten- wohl geht“, sagte Henke, „wenn sich am Ende der vielerorts geäußerte Verdacht bestätigen würde, dass es vor allem darum geht, Interessen der Digi- talindustrie zu bedienen, dann würde damit die Ak- zeptanz mutwillig gefährdet.“ Werde die geplante

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