Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019
48 | Jahresbericht 2019 Ärztekammer Nordrhein Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik „…damit sie uns nicht verloren gehen!“ Mitte Mai standen auf dem achten Kammerkolloquium zur Kinder- und Jugendgesundheit zwei Themengebiete im Fokus eines interprofessionellen Dialogs, die aktuell als besondere Herausforderungen des Kindes- und Jugendalters diskutiert werden: die Inklusion im schulischen Alltag und der Einfluss digitaler Medien. Junge Menschen wachsen heutzutage in einer globalisierten Welt auf, die sich inmitten eines tief- greifenden Digitalisierungsprozesses befindet. In diesen Zeiten nicht die Orientierung zu verlieren und im Zuge des Erwachsenwerdens den eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden, das sind gegen- wärtige Herausforderungen, vor denen die heutige Jugend steht. Das gilt auch für Kinder und Jugend- liche mit körperlichen und geistigen Einschränkun- gen. „Mit unserer Kolloquienreihe zur Kinderge- sundheit suchen wir einen regelmäßigen Austausch mit unterschiedlichen Akteuren auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, um auf Entwicklungs- störungen und Erkrankungen im Kindes- und Ju- gendalter aufmerksam zu machen“, sagte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, und begrüßte die knapp 120 Gäste und Referentinnen und Referenten im Haus der Ärzteschaft in Düssel- dorf. „Digitale Medien und Inklusion haben beide etwas mit Teilhabe zu tun und jeder Mensch bezie- hungsweise jedes Kind hat das Recht auf Teilhabe in unserer Gesellschaft, unabhängig von Ethnie, Geschlecht, körperlicher Verfassung oder Intelli- genz“, sagte Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Er wünscht sich zukünftig eine Inklusion, die allen Kindern gerecht wird und schlug vor, hierbei auch die Nutzung digitaler Medien miteinzubeziehen. „Es ist eine große Chance, wenn ein chronisch krankes Kind mit seinen Mitschülern und seinem Lehrer über Skype Kontakt halten kann. Wir müs- sen also weg von einer Polarisierung von guten und schlechten Medien hin zu einer Differenzierung, die analysiert, wo uns digitale Medien unterstützen können“, so Fischbach. Neuausrichtung der Inklusion in NRW Dass allen Kindern Teilhabe zusteht, betonte ebenfalls Dr. paed. Simone Schlepp, Dezernentin für Schulfachliche Aufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf für Förderschulen und Sonderpädago- gische Förderung. Sie stellte den Runderlass zur Neuausrichtung der Inklusion in Schulen vor, der besagt, dass ab dem Schuljahr 2019/2020 an Haupt-, Real-, Gemeinschafts-, Sekundar- und Primus- Schulen in NRW das „Gemeinsame Lernen“ nur dann eingerichtet werden darf, wenn bestimmte Qualitätsstandards erfüllt werden. Hierzu zählen Inklusionskonzepte der Schulen, welche mit Un- terstützung der Schulaufsicht erarbeitet werden, sonderpädagogische Fortbildungen für Lehrkräfte sowie die räumliche Ausstattung. Mit dieser Neu- ausrichtung der Inklusion verfolgt das Schulmi- nisterium die Absicht, die Schulen und Lehrkräfte so zu stärken, dass eine zielorientierte, passgenaue und individuelle Förderung sowie sonderpädago- gische Unterstützung in den Schulen des Gemein- samen Lernens umgesetzt werden kann. „Kinder zwischen sieben und 17 Jahren weisen heutzutage zu 18 Prozent emotionale Probleme und zu 30 Prozent Verhaltensauffälligkeiten auf. Beson- ders besorgniserregend sind der Anstieg der Suizida- lität und das selbst- und fremdaggressive Verhalten“, sagte Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Peter Melchers, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychia- trie, -psychotherapie und -psychosomatik am Kli- nikum Oberberg in Gummersbach. Schülerinnen und Schüler mit Einschränkungen von Intelligenz oder Lernfähigkeit reagieren nach seinen Worten auf Stressfaktoren des Alltags, wozu auch hoher Medienkonsum zählt, viel häufiger und stärker mit Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Erkran- kungen. „Durch die mit G-8 verbundene subjektive und objektive Überlastung sehen wir Jugendliche mit Erschöpfungszuständen, die sonst sicher keine Kinder- und Jugendpsychiatrie bräuchten“, sagte Referentinnen und Referenten des 8. Kolloquiums Kinder- und Jugendgesundheit (v.l.n.r.): Dr. T homas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. paed. Simone Schlepp, Dezernentin für Schulfach- liche Aufsicht der Bezirks- regierung Düsseldorf, Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Anne Bunte, ehemaliges Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein, und Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Peter Melchers, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugend- psychiatrie, -psycho- therapie und -psychosomatik.
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