Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019
Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2019 | 49 Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik Melchers. Er fügte an, dass ein Drittel der Schüle- rinnen und Schüler Angst vor Gewalt in Schulen habe und Mobbing weiterhin ein ernstzunehmen- des Problem sei, das durch das Internet noch ver- stärkt werde. „Schule ist unter den genannten Be- dingungen kein Ort von Orientierung, Schutz und Anleitung. Viel eher ist es ein Ort von Anforderung und Druck“, so Melchers. Faszination und Gefahren virtueller Welten Posten, Liken, Followen, Tweeten, Let’s Playen – für viele Erwachsene sind diese Begriffe fremdes Terrain und nur wenige wissen überhaupt in Gän- ze, was damit gemeint ist. In diesem Zusammen- hang fallen unter Medienpädagogen und -experten häufig die Bezeichnungen „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“, die Professor Dr. phil. Kai Hugger, Leiter der Arbeitsgruppe Medienpädagogik und Mediendidaktik an der Humanwissenschaft- lichen Fakultät der Universität zu Köln, in seinem Vortrag genauer beschrieb. Erwachsene werden oft als „Digital Immigrants“ bezeichnet, die mit den neuen Medien nicht aufgewachsen sind, sich das Wissen erst mühsam aneignen müssen und stel- lenweise Schwierigkeiten haben, Verknüpfungen herzustellen. Ganz anders sieht es bei der heutigen Generation von Kindern und Jugendlichen aus. Sie gelten als „Digital Natives“, die einen spielerischen Zugang zu den neuen Medienformen haben, mit ih- nen aufwachsen und sich ohne große Anstrengun- gen in der virtuellen Welt bewegen. „Social Media-Plattformen sind für Kinder und Jugendliche nicht nur ein Zeitvertreib, sondern Informations-, Kommunikations- und Beziehungs- management und zentrale Ressource zur eigenen Identitätsbildung“, fügte Hugger an. Politische In- formationen beziehen Jugendliche laut Hugger ver- mehrt nicht mehr über traditionelle Wege, sondern über Plattformen wie Twitter, Instagram und You- Tube. Die Gefahr bestehe darin, dass die Aussagen der YouTuber und Influencer zu wenig hinterfragt werden. „Jugendliche sind Digital Natives, die ei- nen Bedarf für eine stärkere Förderung der Medien- kompetenz im Schulalter haben“, fasste Hugger zu- sammen. Andererseits verlangt er auch von Eltern und Lehrern die Bereitschaft, sich mit dem Medi- enverhalten ihrer Kinder beziehungsweise Schüle- rinnen und Schülern auseinanderzusetzen. „Eltern und Lehrer müssen auch an ihrer eigenen Medi- enkompetenz arbeiten, damit sie, die Kinder, uns nicht verloren gehen“, so Hugger. „Wie im realen Leben suchen Kinder und Jugend- liche im Internet nach Aufmerksamkeit, Beachtung, Stärke und Attraktivität in einem anhaltenden Wettbewerb mit anderen“, sagte Dr. Andreas Rich- terich, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugend- psychiatrie des Helios-Klinikums Bochum-Linden. Die Suche nach Wertschätzung und Anerkennung im Internet wirke besonders dann anziehend, wenn die Erfolge im echten Leben ausblieben oder der Antrieb, sich im echten Leben anzustrengen, nicht mehr gegeben sei. „In Deutschland haben die Schulfehltage zuge- nommen und es ist ein eindeutiger Trend erkennbar, dass ein exzessiver Internet- und Medienkonsum ei- nen großen Teil dazu beiträgt“, warnte Richterich. Wird aus Medienkonsum irgendwann Medienab- hängigkeit, helfe oft nur noch ein therapeutisches Angebot, das in den Kliniken in enger Zusammen- arbeit mit den Eltern und Familien ausgearbeitet werde. Für die zukünftigen Debatten über Medien- konsum und Medienkompetenz wünscht er sich, dass die zuständigen Ärztinnen und Ärzte ihre kli- nischen Erfahrungen, die sie mit den Kindern und Jugendlichen machen, noch stärker einbringen. Ein besonderer Moment galt Dr. Anne Bunte, die das Kolloquium bereits zum achten Male moderierte und den Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wegen ihres beruflichen Wechsels nach Gütersloh zum 1. April 2019 verlassen hat. Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, dankte Bunte für ihr „außergewöhnliches ehren- amtliches Engagement“ und würdigte ihre Leistungen als Vorsitzende des Kammerausschusses „Öffentliches Gesund- heitswesen, Suchtgefahren und Drogenabhängigkeit“. Dr. Anne Bunte verabschiedet
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