Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019

84 | Jahresbericht 2019 Ärztekammer Nordrhein Medizinische Grundsatzfragen Ärztliche Anforderungen an die Digitalisierung und die elektronische Kommunikation Digitalisierung – Telematik – Telemedizin: Diese Schlagwörter stehen für tiefgreifende Veränderungen im Gesundheitswesen und werden die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, aber auch Arbeits- und Behandlungsabläufe verändern. Für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte stehen neben demmedizinischen Nutzen auch die Vertraulichkeit und Datensicherheit im Vordergrund. Anbindung an die Telematikinfrastruktur Auf der Grundlage des Gesundheitsmodernisie- rungsgesetzes von 2004 hat der Gesetzgeber am 12. Dezember 2015 das E-Health-Gesetz verabschiedet. Seit Ende 2017 arbeitet das zuständige Ministerium an einem E-Health-Gesetz II , das unter anderem Pa- tientenakte und -fach vereinheitlichen soll. Dieses liegt als Digitale Versorgung Gesetz (DVG) im Refe- rentenentwurf vor. Dass die Politik es ernst meint, zeigt sich sowohl an den Anreizen als auch an den Sanktionen, die das Gesetz vorsieht. So ist geplant, die bisher bestehende Sanktion von einem Prozent bei Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur in den Folgejahren zu erhöhen. Insbesondere die Einführung einer elektroni- schen Patientenakte und der dafür bestehende Rechtsrahmen der Telematikinfrastruktur (§ 291 a SGB V) bieten aktuell Stoff zur Diskussion. Damit die Akte die mit ihr verbundenen Hoff- nungen auf Unterstützung von Therapie und Dia- gnostik, Vermeidung von überflüssigen Unter- suchungen oder von Informationsverlusten an Schnittstellen erfüllen kann, sind aus Sicht der Kammerversammlung folgende Punkte bei deren Einführung zu beachten: • Es sollten nur durchsuchbare und für die medizinische Versorgung relevante Daten ent- halten sein. Nur medizinisch relevante Daten können eine Grundlage für die ärztliche Weiter- behandlung darstellen. Abrechnungsdaten, die von den Kassen in die Akte überführt werden, genügen diesem Anspruch nicht. • Es muss durchgehend ersichtlich sein, wer (Arzt, Kasse oder Versicherte beispielsweise via App), wann und in welchem Kontext einen Eintrag beziehungsweise ein Dokument einge- stellt und/oder gelöscht hat. Medizinische Apps, die die Versorgung unterstützen sollen, sollten qualitätsgesichert sein und von der jeweiligen Fachgesellschaft als medizinisch sinnvoll eingestuft worden sein. • Es muss haftungsrechtlich nachvollziehbar sein, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt für die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt in der Akte sichtbar waren. • Nutzung, Speicherung von Daten und die Feststellung von Zugriffsberechtigungen auch selektiver Art müssen unter der Hoheit der Pati- entinnen und Patienten stehen. • Es muss sichergestellt sein, dass Patientinnen und Patienten auch zukünftig vor einer nicht ge- wollten Weitergabe ihrer gesundheitsrelevanten Daten wirksam geschützt werden. • Vor der Einführung sollten Patientinnen und Patienten ausreichend darüber informiert werden, a.) dass nur eine vollständige Akte eine optimierte Behandlung gewährleistet. b.) dass der Weiterverkauf der Daten Risiken beinhaltet, die je nach dahinterstehendem Ge- schäftsmodell unterschiedlich zu bewerten sind. c.) dass der Begriff der „Datenspende“ eine Weitergabe der Gesundheitsdaten beinhaltet. d.) dass selbst bei einer anonymisierten Weiter- gabe nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden kann, dass keine Rückschlüsse auf den Patienten gezogen werden können. e.) dass insbesondere Apps ein hohes Datensicher- heitsrisiko aufweisen und dass bei Apps in der Regel zahlreiche Metadaten (Sekundärdaten), die möglicherweise Rückschlüsse auf den Patienten erlauben, an Firmen im In- und Ausland über- mittelt werden. • Jeder Versicherte sollte einen Rechtsanspruch auf eine elektronische Patientenakte (ePA) gemäß § 291 a SGB V erhalten. In einem wettbe- werblich ausgerichteten Gesundheitswesen soll- ten aber die Krankenkassen nicht die einzigen Anbieter von Patientenakten sein. Der Versicher- te sollte die Wahl haben, für welchen ePA-An-

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