Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2019
Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2019 | 93 Medizinische Grundsatzfragen Neue Strukturen und steigende Verantwortung für die Ethik-Kommission Klinische Forschung mit neuen Arzneimitteln oder Medizinprodukten oder sonstigen berufs- rechtlich zu beratenden Studien dient in erster Linie dem allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnis- gewinn und dem Fortschritt in der Medizin. Eine humane medizinische Forschung ist demWohl des einzelnen Menschen verpflichtet. Zum Schutz der Versuchsteilnehmer muss daher jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethik-Kommission vorgelegt werden. Berufsrechtliche Beratung Die Ethik-Kommission (EK) berät Kammermit- glieder nach § 15 Berufsordnung (BO) für die nordrhei- nischen Ärztinnen und Ärzte vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage für die ethische Beratung sind insbesondere die ethischen Grundsätze medizinischer Forschung nach der De- klaration von Helsinki des Weltärztebundes. Nicht beratungspflichtig sind ausschließlich retrospekti- ve epidemiologische Forschungsvorhaben. Im Vordergrund der Beratung stehen • die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Versuchsteilnahme nach Aufklärung (informed consent), • das Überwiegen des Nutzens gegenüber einem potenziellen Schaden, • die angemessene Auswahl der Studienteilneh- merinnen und -teilnehmer und • der Schutz vulnerabler Gruppen. Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmer sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen for- schender Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leit- linien prüft die EK, ob der Studienplan definierten wissenschaftlichen Kriterien genügt. Bei Beratungen der Kommission nach der Berufs- ordnung können Ärztinnen und Ärzte auch bei ei- ner ablehnenden Entscheidung der Kommission mit der Studie beginnen – im Gegensatz zu klinischen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) so- wie dem Medizinproduktegesetz (MPG) . Der Arbeits- kreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AKEK) hat mit einer Testphase zur Harmonisierung der Beratung multizentrischer Studien begonnen, die weder dem AMG noch dem MPG unterliegen. Die EK der Ärzte- kammer Nordrhein nimmt an diesem koordinierten Verfahren bei multizentrischen Prüfungen teil. Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie nach dem AMG erst beginnen, wenn die zuständige EK diese zustimmend bewertet und die zuständi- ge Bundesoberbehörde (BOB) diese genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen Prüfungen, die zugleich in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden (multinationale multizentrische klinische Prüfung), muss jeder betroffene Mitgliedsstaat je- weils eine einzige Stellungnahme abgeben. Diese Vorgabe wird in Deutschland durch die Stellung- nahme der federführenden EK erfüllt. Die EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtli- nie 2001/20/EG ist im Juni 2014 in Kraft getreten. Auf EU-Ebene muss ein elektronisches System (sogenanntes EU-Portal) eingerichtet werden und funktionsfähig sein, damit die EU-Verordnung an- gewendet werden kann. Mit dem EU-Portal wird die gesamte Kommunikation zwischen Antragstel- lern und Behörden elektronisch über dieses Portal erfolgen. Auch die Arbeitsprozesse zwischen der Geschäftsstelle und der EK müssen daher elektro- nisch erfolgen. Das Portal befindet sich noch immer im Aufbau und wird voraussichtlich 2021 fertigge- stellt werden. Allerdings wurde der Zeitpunkt der Fertigstellung bereits mehrfach verschoben. Das Verfahren wird sich wesentlich verändern. Die EKen werden weiterhin eine eigenständige Be- wertung an die Bundesoberbehörde abgeben, die dann den Verwaltungsakt (VA) für den Mitglieds- staat Deutschland abgibt. Dieser VA beinhaltet die Entscheidung der BOB und der sachlich zuständi- gen EK, ob die klinische Prüfung in Deutschland durchgeführt wird oder nicht. Nur öffentlich- rechtliche Kommissionen der Länder, die registriert
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