Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2020

Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2020 | 113 Rechtsabteilung Seit der Änderung der Bundesärzteordnung (BÄO) zum 20. Februar 2013 kann das Nichtvorhal- ten eines Berufshaftpflichtversicherungsschutzes relevante Folgen für Ärztinnen und Ärzte haben. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 BÄO kann eine Approbation zum Ruhen gebracht werden, wenn „sich ergibt, dass die Ärztin bzw. der Arzt nicht ausreichend ge- gen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Lan- desrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht“. Den Ärztekammern kommt in diesem Kontext die Aufgabe zu, die Erklärung des Kammermitgliedes über das Vorhalten eines ausreichenden Deckungsschutz nachzuhalten (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 HeilBerG NRW). Auch Ärztinnen und Ärzten, die vorübergehend nicht berufstätig sind, wird der Abschluss einer Basishaftpflichtversicherung empfohlen, da eine Ärztin oder ein Arzt kaum ausschließen kann, dass auch sie oder er eine ärztliche Hilfestellung leistet, beispielsweise in einem Notfall. Gleiches gilt für Personen, die den ärztlichen Beruf nicht mehr aus- üben. Bei Ausbleiben der Erklärung oder des Nachwei- ses ist die Ärztekammer gehalten, eine Meldung an die Bezirksregierung zu machen. Praxisrelevante Rechtsprechung Fernbehandlung und digitale Krankschreibung Ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Mün- chen zur Fernbehandlung und digitalen Krank- schreibung vom 16. Juli 2020 (AZ.: 6 U 5189/19) wirkt sich auf die Beratungspraxis der Rechtsab- teilung aus. Das Oberlandesgericht München hat in seinem Grundsatzurteil entschieden, dass in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr nur in Ausnahmefällen für ärztliche Fern- behandlungen in Form eines digitalen Arztbesuches geworben werden darf. Insbesondere darf nicht da- mit geworben werden, dass in Deutschland leben- den Patienten die ärztliche Erstberatung im Bereich allgemeiner Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen grundsätzlich über ihr Smartphone angeboten wird. Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung un- lauteren Wettbewerbs gegen eine Werbung des Ver- sicherungsunternehmens ottonova Holding AG. In der beanstandetenWerbungwar angegebenworden, dass der gesamte ärztliche Erstkontakt auf dem Wege der Fernbehandlung erfolgen könne. Das Landgericht München I hatte darin eine unzulässige Werbung gesehen. Das OLG wies mit Urteil vom 16. Juli 2020 die Berufung gegen das Urteil des Landge- richts vom 16. Juli 2019 (AZ.: 33 O 4026/18) zurück. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. In der Werbung von ottonova hieß es: „Bleib ein- fach im Bett, wenn Du zum Arzt gehst.“ So hatte die Versicherung auf ihrer Internetseite geworben und ihren Kunden den „digitalen Arztbesuch“ über eine App angekündigt. Angeboten wurde nicht nur die Diagnose und Therapieempfehlung, sondern auch die Krankschreibung per App. Wörtlich hieß es: „Warum Du den digitalen Arztbesuch lieben wirst. Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, The- rapieempfehlung und Krankschreibung per App.“ Bei den sogenannten „edoctors“, die die Fernbe- handlung durchführen sollen, handelte es sich nach Angabe des Unternehmens um erfahrene Ärzte in der Schweiz. § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet grund- sätzlich die Werbung für Fernbehandlungen, wurde aber im Dezember 2019 geändert. Gemäß den Lockerungen des berufsrechtlichen Fernbe- handlungsverbots ist Ärztinnen und Ärzten nach der Musterberufsordnung die Fernbehandlung im Ausnahmefall unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Das Werbeverbot ist dem- nach nicht anzuwenden auf die Werbung für Fern- behandlungen unter Verwendung von Kommunika- tionsmedien,wennnachallgemeinanerkanntenfach- lichenStandards einpersönlicher ärztlicherKontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erfor- derlich ist. Das OLG stellte in seiner Entscheidung klar, dass die sehr breit angelegteWerbung für Fern- behandlungen von ottonova über diese Ausnahme- regelung (§ 9 HWG) hinausgeht. Die Wettbewerbszentrale war gezielt gegen die Werbung vorgegangen, um zu klären, ob rein digi- tale Primärversorgungsmodelle ohne jeglichen per- sönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient die- sen Anforderungen genügen. Werbung und Information Im Berichtszeitraum bearbeitete die Rechtsabtei- lung zahlreiche schriftliche und mündliche Anfra- gen im Bereich der Werbung und Information. Sie beriet Ärztinnen und Ärzte unter anderem bei der Gestaltung von Praxisschildern, Briefköpfen, Visi- tenkarten, Stempeln, Flyern, Anzeigen und Praxis- homepages sowie bei der Außendarstellung auf Praxisfahrzeugen, bei Plakatwerbung und bei der

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