Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2020
18 | Jahresbericht 2020 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung durch eine entsprechende Honorierung untermau- ert werden – und das in den Praxen der nieder- gelassenen Kolleginnen und Kollegen genauso wie im Krankenhaus.“ Henke forderte den Gesetzgeber zu einer umfas- senden Finanzreform der stationären Versorgung auf. Ein Grund ist die beschlossene Herausnahme der Pflegekosten in Höhe von derzeit 25 Milliar- den Euro aus der bisher zu 100 Prozent über Fall- pauschalen laufenden Betriebsfinanzierung. Die Funktion der Kliniken als Orte der Daseinsvorsor- ge lasse sich im Rahmen einer solchen Finanzie- rung nicht ohne gravierende negative Auswirkun- gen auf die Versorgung abbilden, die Auslagerung der Pflegeaufwendungen werde den Druck auf den ärztlichen Dienst erhöhen. „Das deutsche DRG- System mit seinem 100-Prozent-Ansatz ist vor die Wand gefahren“, sagte Henke. „Es hat so viele unerwünschte Nebenwirkungen zulasten unserer Patienten und des Personals im Krankenhaus pro- duziert, dass man von einem echten Totalschaden sprechen muss. Und an seine Stelle muss eine Fi- nanzierung treten, die bedarfsgerecht ist und eine individuelle Behandlung und Betreuung der Pa- tienten ermöglicht.“ Die nordrheinische Ärzteschaft werde ihre Pa- tienten nicht „mit einer geschäftsmäßigen Medizin abspeisen“, sondern weiterhin für die Qualität der Behandlung eintreten. Die Behandlungsqualität müsse auch die Richtschnur für die von NRW- Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann per Gut- achten angestoßene Debatte um eine große Reform der Krankenhauslandschaft sein, so Henke. „Die Krankenhäuser müssen für alle Menschen in un- serem Flächenland gut erreichbar bleiben“, mahnte der Kammerpräsident. Die Qualität in der Kran- kenhausversorgung hänge zudem entscheidend von einer angemessenen Ausstattung mit gut qua- lifizierten Ärztinnen und Ärzten und der Gewähr- leistung des Facharztstandards ab – dies auch vor dem Hintergrund, eine gute ärztliche Weiterbil- dung für die nachrückenden Facharztgenerationen gewährleisten zu können. Der von Minister Lau- mann angestrebte neue Krankenhausplan müsse fachlich fundierte Strukturkonzepte erhalten, „die den Krankenhäusern ihre Aufgaben klar zuweisen und es ermöglichen, dass jedes Haus seine besonde- ren Stärken in eine sinnvolle Kooperation einbrin- gen kann“. Die Delegierten der Kammerversamm- lung fassten hierzu eine entsprechende Resolution. Henke begrüßte die Ankündigung des Ministers, bei seinem Reformvorhaben den ärztlichen Sach- verstand intensiv einzubinden. Die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Re- form zeigt sich nach Ansicht Henkes auch bei der Versorgung der Menschen im ärztlichen Notdienst und in den Klinikambulanzen. „Wir müssen dahin kommen, dass gleichzeitig die Versorgung gut ist, der Zeitaufwand und die Kosten für die niederge- lassenen Ärzte vertretbar sind und die krasse Fehl- inanspruchnahme der Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhausambulanzen deutlich reduziert wird“, sagte Henke. „Wir brauchen dazu eine engere Ko- operation der ambulanten Versorgung in Verant- wortung der ärztlichen Selbstverwaltung mit den Krankenhäusern und mit den in den Krankenhäu- sern tätigen Kolleginnen und Kollegen, und wir brauchen eine Kooperation mit dem Rettungsdienst in Zuständigkeit des Landes.“ Henke zeigte sich skeptisch, was eine Aufnahme des landesgesetzlich verankerten Rettungsdienstes in den Regelungsbe- reich des Fünften Sozialgesetzbuches über die Ge- setzliche Krankenversicherung angeht. Lieferengpässe bei Arzneimitteln Ein wichtiges Thema auch der kommenden Jahre werde die Digitalisierung sein, sagte Henke und er- innerte an eine entsprechende Passage aus der frak- tionsübergreifenden Absichtserklärung. Wenn die Ärzteschaft die Ausgestaltung des elektronischen Gesundheitswesens nicht selbst aktiv gestalte, son- dern Konzernen und Informatikern überlasse, dann drohten „Kommerz und Wildwestverhältnisse“, so Henke. Die große Frage, die sich mit dem Einzug von Apps und Künstlicher Intelligenz in die Versor- gung stellen werde, sei die, ob die digitale Medizin von morgen „nur eine andere sein wird als die Me- dizin von heute oder ob sie eine bessere sein wird“. Der Umstand, dass inzwischen mehr als 260 Arz- neimittel und Impfstoffe auf einer Liste aktueller Der Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, Bernd Zimmer, erläuterte Änderungen der Berufs- ordnung.
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