Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2020

20 | Jahresbericht 2020 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Um auch in Zukunft auf eine ausreichende Zahl hochqualifizierter Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen zu können, muss die Krankenhausplanung ihrer Verant- wortung mit Blick auf die ärztliche Weiterbildung gerecht werden. Bei allen Überlegungen zu Umstrukturierungen und zu einer stärkeren Zentralisierung sind die Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung zu bedenken. Deswegen muss der Krankenhausplan den Krankenhäusern aufgeben, im Bedarfsfall standort- und krankenhausübergreifende Weiterbildungsverbünde aufzubauen, die der Anerken- nung durch die Ärztekammern bedürfen. 3. Die Krankenhausversorgung braucht mehr Zusammenarbeit und eine bessere Koordination. Der Krankenhausplan muss den Krankenhäusern ihre Aufgaben klar zuweisen und es ermöglichen, dass jedes Haus seine besonderen Stärken in eine sinnvolle Kooperation, auch mit dem ambulanten Sektor einbringt. Nordrhein-Westfalen verfügt über eine hochwertige und breit aufgestellte Kran- kenhauslandschaft. Dieses Potenzial ist durch mehr Kooperation und Koordination noch besser zu nutzen. Dazu gehört eine medizinisch-fachlich sinnvolle Aufgaben- teilung. Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen. Gerade in den Ballungsräu- men müssen unnötige Mehrfachvorhaltungen vermieden werden. Krankenhäuser sollten sich auf das konzentrieren, was sie besonders gut können und in den anderen Bereichen auf verbindliche Kooperationen mit anderen Häusern setzen. Die Basis für diese Zusammenarbeit müssen eindeutige Versorgungsaufträge sein. Die im Gutachten vorgesehene Definition von Leistungsbereichen und -gruppen muss sich möglichst eng an der medizinisch-fachlich fundierten ärztlichen Weiter- bildungsordnung orientieren. Für die Leistungsbereiche muss der Krankenhaus- plan mit durchdachten Strukturanforderungen einen klaren Rahmen vorgeben. Bei der Definition dieser Anforderungen sind der medizinisch-fachliche Sachverstand und das Versorgungswissen der Ärzteschaft besonders zu berücksichtigen. Außerdem muss der Plan die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten stärken. Halbtägige Tätigkeiten in einem Krankenhaus bei gleichzeitig bestehender Niederlassung mit halbem Sitz sind ebenso wie Belegarztverträge in die Planung einzubeziehen. Der Plan muss zudem wirkungsvolle Impulse für einen patientengerechten Einsatz von Digitalisierung und Telemedizin geben. Schließlich gilt es zu betonen, dass sich Kooperation nicht einfach vom grünen Tisch aus anordnen lässt. Deswegen kann der Krankenhausplan nur einen Rahmen vorgeben. Dieser Rahmen muss in regionalen Planungskonferenzen unter Einbeziehung aller Beteiligten so ausgefüllt werden, dass das Ergebnis zu den spezifischen Gegebenheiten vor Ort passt. Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber und alle Beteiligten mit Nachdruck auf, konkrete Maßnahmen zur langfristigen Sicherstellung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu treffen. Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind seit Jahren Gegenstand der gesundheits- politischen Debatte und erweisen sich als ein stetig zunehmendes bundes- bzw. europaweites Problem mit vielfältigen Ursachen. Auf der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über aktuelle Lieferengpassmeldungen für Humanarzneimittel (ohne Impfstoffe) mit Versorgungsrelevanz befanden sich Ende Oktober 2019 mehr als 260 Arznei- mittel und das, obwohl die Schwelle für freiwillige Meldungen der pharmazeu- tischen Unternehmer in dieser Liste schon sehr hoch ist. Erst bei Erfüllung der Vorgaben bzgl. Schweregrad und/oder Prognose einer Erkrankung, der Relevanz für die Gesamtbevölkerung und beim Fehlen therapeutischer Alternativen bei gleichzeitig erhöhtem Versorgungsrisiko (nur ein Hersteller oder Vertreiber) erfolgt die Aufnahme in die Liste. Daher spiegeln sich auch lokale Engpässe hier nicht wider. Zwar können die öffentlich einsehbaren Listen des BfArM und des Paul-Ehrlich-Institutes (Impfstoffe) teilweise dazu beitragen, Umgehungs- strategien zu planen, das Grundproblem bleibt aber erhalten. Verschiedene gesetzliche Instrumente zur Preisregulierung auf nationaler Ebene (Rabattverträge, Importquote), der Parallelhandel, gesetzliche Lücken, die die Kontingentierung von Arzneimitteln und den legalen Verkauf ins Ausland ermög- lichen, sind als Ursache für eine Umverteilung von Arzneimitteln auf ungeregelten Handelswegen auszumachen. Ökonomisch begründete Zulassungsrücknahmen von gut eingeführten versorgungsrelevanten Arzneimitteln seitens der Hersteller stellen ein zusätzliches Problem dar. Sehr wesentlich ist die ebenfalls ökonomisch begründete Konzentrierung der Wirkstoffherstellung auf wenige oder einzelne pharmazeutische Unternehmen, ganz besonders die Bündelung auf eine einzige Produktionsanlage, außerhalb Deutschlands oder der EU. Störungen oder Unterbrechungen des Produktionsab- laufes (z. B. Viruskontamination von Produktionsanlagen, technische Störungen, bei behördlicher Überprüfung festgestellte Produktionsmängel etc.) führen hierzulande zu unlösbaren Versorgungsengpässen. Unmittelbare Abhilfe schaffen kann hier ein Zurückholen der Wirkstoffproduktion in die EU. Unübersehbar sind derzeit die Folgen eines Brexit z. B. für die zahlreichen Arz- neimittel, die ein europäisches dezentrales Zulassungsverfahren mit England als Reference Member State durchlaufen haben. Ganz abgesehen von der Auswirkung der dramatischen Ausdünnung des Fachpersonals der europäischen Zulassungs- behörde EMA, die mittlerweile von London nach Amsterdam umgezogen ist, für zukünftige Zulassungsverfahren ist auch der Zulassungsstatus solcher Arzneimit- tel und damit deren Verfügbarkeit ab dem Zeitpunkt eines Brexit unklar. Auch hier bedarf es vertraglicher Absprachen, die zeitnah entwickelt werden müssen. Die Kammerversammlung fordert deshalb alle am Prozess Beteiligten auf, lang- fristige Strategien zur Vermeidung von Engpässen bei der Arzneimittelversorgung zu entwickeln und umzusetzen. Der Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene muss hierzu die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Versor- gung der Bevölkerung bleibt oberstes Ziel für alle Beteiligten. Unterstützung des Ausbaus der betriebsärztlichen Versorgung bei Kleinst- und Kleinbetrieben Die Ärztekammer Nordrhein unterstützt die Initiative des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte zur Entwicklung und Implementierung regionaler Zentren zur Verbesserung der betriebsmedizinischen Versorgung von Klein- und Kleinstbetrieben. Notfallversorgung Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber auf Bundesebene und das Land Nordrhein-Westfalen auf, geeignete Rahmenbedingungen für eine funktio- nierende sektorenübergreifende Notfallversorgung unter Einbeziehung des ärztlichen Sachverstandes zu schaffen. Entschließungen der Kammerversammlung

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