Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2020
26 | Jahresbericht 2020 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung heitsversicherung, von welcher in der Bertelsmann- Studie die Rede ist, wäre kontraproduktiv. Denn die privaten Versicherungen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungsqualität. Sie ermöglichen es Ärztinnen und Ärzten regelmäßig, ihren Patienten Innovationen schneller zur Ver- fügung zu stellen, als dies ohne PKV der Fall wäre. Auch wirkt das duale System als Bremse für Leistungseinschränkungen in der GKV. Eine Ein- heitsversicherung würde die Patienten in ein Sys- tem ohne Alternative und Korrektiv zwängen. Aus ärztlicher Sicht braucht ein innovationsfähiges Ge- sundheitssystem auch in Zukunft den Arztberuf als einen Freien Beruf mit einer staatlichen Gebühren- taxe zur korrekten Bewertung der einzelnen, indi- viduell erbrachten ärztlichen Leistungen. Verbot der geschäftsmäßigen Förderung des Suizids Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 26. Februar 2020 zum § 217 StGB (geschäfts- mäßige Förderung der Selbsttötung) dem Selbstbe- stimmungsrecht am Ende des Lebens weiten Raum zugesprochen. Gleichwohl sieht es aber auch die Notwendigkeit für eine gesetzgeberische Regulie- rung der Beihilfe zur Selbsttötung. So weist das Gesetz darauf hin, dass von einem unregulierten Angebot geschäftsmäßiger Suizidhilfe Gefahren für die Selbstbestimmung ausgehen können. Dem Gesetzgeber steht zum Schutz dieser Selbstbestim- mung über das eigene Leben in Bezug auf orga- nisierte Suizidhilfe ein breites Spektrum an Ein- schränkungen offen. Diese können ausdrücklich auch im Strafrecht verankert oder durch strafrecht- liche Sanktionierung von Verstößen abgesichert werden. Das Urteil ist deshalb als Auftrag an den Gesetzgeber zu verstehen, diese Möglichkeiten aus- zuloten und rechtssicher auszugestalten. Die Gesellschaft als Ganzes muss meines Erach- tens Mittel und Wege finden, um zu verhindern, dass die organisierte Beihilfe zur Selbsttötung zu einer Normalisierung des Suizids führt. Positiv her- vorzuheben ist die Bestätigung des Gerichts, dass auch zukünftig keine Ärztin und kein Arzt zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet wer- den kann. Die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten ist es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zu ihrem Tod beizu- stehen. Die Beihilfe zum Suizid gehört damit auch in Zukunft ganz grundsätzlich nicht zu den Auf- gaben von Ärztinnen und Ärzten. Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen Die aktuelle Pandemie lässt uns auch das The- ma Krankenhausplanung noch einmal mit ande- ren Augen sehen. Wir sind derzeit froh über jedes Krankenhaus und jedes Bett, vor allem jedes Inten- sivbett, das wir haben. Erstmals seit Jahrzehnten erleben wir, dass in Deutschland in relevantem Stil neue Standorte und Betten geschaffen werden sol- len, wenn auch nur als Behelfseinrichtungen. Des- wegen war es richtig, dass wir uns schon bei der Kammerversammlung im November 2019 entschie- den für den Erhalt der flächendeckenden, wohn- ortnahen Krankenhausversorgung ausgesprochen haben. Wir haben auch deutlich gemacht: Das spricht nicht dagegen, über sinnvolle Strukturen und eine gute Arbeitsteilung zu diskutieren. Letzt- lich sind es ja auch nicht die Betten, die Geräte oder die Gebäude, die den Menschen helfen. Es sind die qualifizierten Ärztinnen und Ärzte und die Pflege- kräfte, auf die es ankommt. Hier muss viel mehr geschehen, um für den notwendigen Nachwuchs zu sorgen, und das betrifft alle Ebenen der Gesund- heitspolitik. Die Krankenhausplanung hat hier auch ihre Rolle. Denn Krankenhäuser sind wichtige Orte für die ärztliche Weiterbildung. Deswegen haben wir gesagt: Ja, es ist möglich, eine „leistungsorientier- te“ Planungssystematik künftig an „Leistungsbe- reichen“ und „Leistungsgruppen“ auszurichten, weil damit eine bessere Steuerung möglich wird. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Orien- tierung der Krankenhausplanung an der ärztlichen Weiterbildung abhandenkommt. Wir sind dazu im Gespräch mit dem Ministerium und den Partnern im Land und ich darf sagen, dass diese Gespräche einen positiven Verlauf nehmen. Wir sind auch grundsätzlich für eine sinnvolle Bildung von Behandlungsschwerpunkten und eine klarere Aufgabenverteilung. Nicht jedes Kranken- haus muss alles machen. Aber auch bei dieser Neu- strukturierung müssen wir darauf achten, dass die Weiterbildung nicht leidet. Im Zweifel sind klare Vorgaben für die Bildung von Weiterbildungs- kooperationen und -verbünden erforderlich, damit es nicht zu Abbrüchen in der Weiterbildungsbiogra- fie unseres ärztlichen Nachwuchses kommt. Auch dazu sind wir in konstruktiven Gesprächen. Ein letzter Punkt: Mittlerweile zeichnet sich ein Konsens zu der Frage ab, wie die künftigen Leistungsgruppen definiert werden sollen. Der ursprüngliche Gedanke, dies mit Hilfe von DRG- Listen zu bewerkstelligen, wird wohl nicht weiter-
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