Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2020
54 | Jahresbericht 2020 Ärztekammer Nordrhein Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik Zu den allgemeinen Aufgaben der 27 Gesundheits- ämter inNordrhein gehören Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsschutz. Daneben sind die Ämter subsidiär und sozialkompensatorisch un- ter anderem in der Beratung und Unterstützung von Klein- und Schulkindern sowie Schwangeren und psychisch Kranken tätig. Zum Aufgabenspektrum zählt darüber hinaus die Überwachung der Kran- kenhaus- und Umwelthygiene und die Erstellung von amtsärztlichen Gutachten. All diese Aufgaben werden seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Februar 2020 durch den Infektionsschutz überla- gert. Die Pandemie hat in der Folge zu einer perma- nenten Überlastung des ÖGD geführt. Gleich zu Beginn der Pandemie sprechen sich der Ständige Ausschuss Öffentliches Gesundheitswesen der Ärztekammer Nordrhein und die Kassenärzt- liche Vereinigung Nordrhein (KVNO) für eine enge Kooperation zwischen Gesundheitsämtern und Kreisstellen der KVNO aus. Im Kampf gegen die Pandemie haben die Gesund- heitsämter häufig eine Doppelfunktion: einerseits erfüllen sie Meldepflichten, identifizieren Kontakt- personen und verfolgen diese nach. Andererseits organisieren sie zusammen mit der KVNO Testzen- tren und ambulante Abstrichdienste. Die Zahl der Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern stieg wäh- rend der Hochzeit der Pandemie zeitweise deutlich an: durch Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Stadtverwaltung, Werksstudenten oder freiwillige ärztliche Helfer. Schwachstellen im Infektionsschutz Um für zukünftige Infektionsausbrüche besser gerüstet zu sein, muss das Land sich wieder ver- stärkt in den Infektionsschutz einbringen. Seit Ende der 1990er-Jahre sind die Strukturen des Infekti- onsschutzes in Nordrhein-Westfalen (NRW) weit- gehend kommunalisiert worden. Das Land zog sich über die Jahre sukzessive zurück und nahm zuletzt über das Landeszentrum Gesundheit im Wesentli- chen beratende Funktionen wahr. Dieser Entwick- lung lag die Annahme zugrunde, dass die Risiken durch Infektionskrankheiten und Epidemien an- Gesundheitsämter für vielfältige Aufgaben besser ausstatten Die Corona-Pandemie hat Politik und Bevölkerung die Notwendigkeit eines funktionierenden Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) vor Augen geführt. gesichts der Fort- schritte in der Me- dizin nicht mehr die gleiche Bedeu- tung hätten wie in früheren Jahr- zehnten. Das Jahr 2020 hat gezeigt, dass diese Annahme unzutreffend war. Da infek- tiologische Problemlagen weder an Gemeinde- noch Kreisgrenzen halt machen und zu einer Bedrohung für das ganze Bundesland und darüber hinaus wer- den können, ist ein größeres Maß an Koordination und verbindlicher Steuerung auf Landesebene er- forderlich. Dazu haben die Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein schon in den vergangenen Jahren Lösungsvorschläge erarbeitet. Das geschah zusam- men mit dem Städte- und Landkreistag NRW und einer vom damaligen Gesundheitsministerium be- auftragten Arbeitsgruppe. In einer gemeinsamen Sitzung von ÖGD-Experten der Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein am 16. Juli 2020 wurden diese Forderungen erneut bekräftigt. Personelle Engpässe Neben Schwachstellen im Infektionsschutz hat die Corona-Pandemie auch die personellen Eng- pässe im ÖGD offengelegt. Die Bundesregierung hat darauf mit einem „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ reagiert. Im Rahmen dieses Pakets sollen bis 2026 insgesamt vier Milliarden Euro in den ÖGD fließen. Unter anderem sollen überwiegend in den Gesundheitsämtern 5.000 zu- sätzliche Stellen für Ärztinnen und Ärzte und wei- teres Fachpersonal geschaffen werden. Die Bundesärztekammer veröffentlichte in Ab- stimmung mit den 17 Landesärztekammern im Juli 2020 ein Thesenpapier zur Stärkung des ÖGD. Die zentrale Forderung der Ärzteschaft bleibt dabei eine eigenständige tarifliche Vergütung, die die Ärztin- nen und Ärzte im ÖGD mit den Kolleginnen und Kollegen in Krankenhäusern oder im Medizini- schen Dienst der Krankenversicherung gleichstellt. Das Thesenpapier zur Stärkung des ÖGD findet sich unter www.bundesaerztekammer.de/ fileadmin/user_upload/down- loads/pdf-Ordner/Positionen/ 2020-07-20_Positionspapier_ OEGD.pdf.
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