Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2020

Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2020 | 95 Medizinische Grundsatzfragen Neue Strukturen und steigende Verantwortung für die Ethik-Kommission Klinische Forschung mit neuen Arzneimitteln oder Medizinprodukten oder sonstigen berufs- rechtlich zu beratenden Studien dient in erster Linie dem allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnis- gewinn und dem Fortschritt in der Medizin. Eine humane medizinische Forschung ist demWohl des einzelnen Menschen verpflichtet. Zum Schutz der Versuchsteilnehmer muss daher jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethik-Kommission (EK) vorgelegt werden. Berufsrechtliche Beratung Die Ethik-Kommission (EK) berät Kammer- mitglieder nach § 15 Berufsordnung (BO) für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen über die mit ihrem Vorhaben verbunde- nen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage für die ethische Beratung sind insbe- sondere die ethischen Grundsätze medizinischer Forschung nach der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes. Nicht beratungspflichtig sind ausschließlich retrospektive epidemiologische For- schungsvorhaben. Im Vordergrund der Beratung stehen • die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Versuchsteilnahme nach Aufklärung (informed consent), • das Überwiegen des Nutzens gegenüber einem potenziellen Schaden, • die angemessene Auswahl der Studien- teilnehmerinnen und -teilnehmer und • der Schutz vulnerabler Gruppen. Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmer sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen for- schender Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leit- linien prüft die EK, ob der Studienplan definierten wissenschaftlichen Kriterien genügt. Bei Beratungen der Kommission nach der Be- rufsordnung können Ärztinnen und Ärzte auch bei einer ablehnenden Entscheidung der Kommission mit der Studie beginnen – imGegensatz zu klinischen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) sowie dem Medizinproduktegesetz (MPG). Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AKEK) hat mit einer Testphase zur Harmonisierung der Beratung multizentrischer Studien begonnen, die weder dem AMG noch dem MPG unterliegen. Die EK der Ärztekammer Nordrhein nimmt an diesem koordinierten Verfahren bei multizentrischen Prü- fungen teil. Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie nach dem AMG erst beginnen, wenn die zuständige EK diese zustimmend bewertet und die zuständi- ge Bundesoberbehörde (BOB) diese genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen Prüfungen, die zu- gleich in mehreren Mitgliedsstaaten durchgeführt werden (multinationale multizentrische klinische Prüfung), muss jeder betroffene Mitgliedsstaat je- weils eine einzige Stellungnahme abgeben. Diese Vorgabe wird in Deutschland durch die Stellung- nahme der federführenden EK erfüllt. Die EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG ist im Juni 2014 in Kraft getreten. Auf EU-Ebene muss ein elektronisches System, ein sogenanntes EU-Portal, eingerichtet werden und funktionsfähig sein, damit die EU-Ver- ordnung angewendet werden kann. Über das EU- Portal wird die gesamte Kommunikation zwischen Antragstellern und Behörden elektronisch abgewi- ckelt. Auch die Arbeitsprozesse zwischen der Ge- schäftsstelle und der EK müssen daher elektronisch erfolgen. Das Portal befindet sich immer noch im Aufbau und wird voraussichtlich 2021 fertiggestellt werden. Allerdings wurde der Zeitpunkt der Fertig- stellung bereits mehrfach verschoben. Das Verfahren wird sich zukünftig wesentlich verändern. Die EKen werden weiterhin eine ei- genständige Bewertung an die Bundesoberbehör- de abgeben, die dann den Verwaltungsakt (VA) für den Mitgliedstaat Deutschland abgibt. Dieser VA beinhaltet die Entscheidung der BOB und der sachlich zuständigen EK, ob die klinische Prüfung in Deutschland durchgeführt wird oder nicht. Nur öffentlich-rechtliche Kommissionen der Länder, die registriert sind, dürfen an dem Verfahren mit- wirken. Die Ärztekammer Nordrhein hat einen

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