Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2024 Dass Ethik und Ökonomie in der Medizin oft schwer vereinbar sind, ist ein Sachverhalt, der sicherlich immer schon den ärztlichen Versorgungsalltag begleitete. Allerdings hat sich die Ausgangssituation in den Krankenhäusern mit der Umstellung auf eine Vergütung über Fallpauschalen (DRG) vor 20 Jahren deutlich verändert. Medizinethiker Professor Dr. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig- Maximilians-Universität München, skizzierte in seiner Vorlesung die vielfach beklagten Auswirkungen dieses politisch gewollten neuen Vergütungssystems. Der zunehmende Kostendruck an den Krankenhäusern habe zu unangemessenen Einschränkungen wie auch Ausweitungen medizinischer Leistungen infolge von Fehlanreizen, ethischen Entscheidungskonflikten und höheren Belastungen des Krankenhauspersonals geführt. Dieser Kostendruck mit den genannten negativen Auswirkungen sei aber eben nicht als Folge frei wirkender ökonomischer Kräfte zu verstehen, sondern das Ergebnis politischer Vorgaben, die sich am Grundsatz der Beitragssatzstabilität orientiert hätten, betonte Marckmann. Man könne also im Grunde gar nicht von der Dominanz ökonomischer Rationalität im medizinischen Versorgungsgeschehen am Krankenhaus sprechen, vielmehr sei das ökonomische Prinzip des Kosten-Preis-Zusammenhangs hier von der Politik außer Kraft gesetzt worden. Die freie Preisbildung bei Produktionsfaktoren, wie beispielsweise Löhnen, Arzneimitteln oder Energiekosten, treffe auf durch Fallpauschalen im DRG-System regulierte Abgabepreise. Dass die Orientierung der ärztlichen Tätigkeit an ökonomischen Parametern zunächst einmal nicht im Widerspruch steht zu einer ethisch begründeten Medizin, dies hatte auch die Bundesärztekammer vor Kurzem mit ihren „Thesen zur Ökonomisierung der ärztlichen Berufstätigkeit“ deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein sparsamer Umgang mit den Ressourcen des Gesundheitswesens sei rechtlich und ethisch geboten, steht in dem unter Beteiligung von Medizinethikern verfassten Thesenpapier, und weiter: „Wirtschaftliches Handeln im Sinne eines sparsamen Umgangs mit zur Verfügung stehenden Ressourcen ist damit elementarer Bestandteil eines solidarisch ausgerichteten, nachhaltig funktionierenden Gesundheitssystems und bestimmt die Form der Patientenversorgung mit.“ Sobald aber die ökonomischen Bewertungskriterien, etwa durch Implementierung eines Fallpauschalensystems, eine Übergewichtung erhielten, entwickelten sich rein ökonomische Ziele sukzessive zu den neuen Zielen der Medizin. Damit einher gehe die Gefahr einer ökonomischen Überformung der Medizin, das eigentliche Ziel der Medizin gerate aus dem Blick; das Versorgungsminimum in betriebswirtschaftlich optimierten Strukturen werde zunehmend zur Normalität und trete nach und nach an die Stelle einer humanen, ethisch verantwortbaren Krankenversorgung, heißt es in den 2022 vorgelegten Thesen der Bundesärztekammer. Für Georg Marckmann, von 2012 bis 2022 Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin und seit 2013 Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der BundesMedizin und Ökonomie Ethik und Ökonomie in der medizinischen Versorgung – das ist für die meisten Menschen ein Gegensatz, der im Versorgungsalltag eines Krankenhauses nur schwer aufzulösen ist. Dabei kann gerade eine an ethischen Überzeugungen orientierte Führung einen ökonomischen Erfolgsfaktor darstellen, ist Professor Dr. Georg Marckmann überzeugt. „Zahlt sich Ethik aus? Patientenversorgung im Spannungsverhältnis zwischen Ethik und Ökonomie“ lautete die Frage, mit der sich der Medizinethiker bei der 10. Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung am 20. November im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf auseinandersetzte. von Thomas Gerst Foto: shahrilkhmd/stock.adobe.com
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