Gesundheits- und Sozialpolitik Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2024 21 Die Vorhaltefinanzierung darf nur nachgewiesene Kosten für diesen Finanzierungbereich decken. Belegarztwesen als bewährte wohnortnahe Grundversorgungsstruktur beibehalten Die Kammerversammlung fordert die Landes- und Bundesgesundheitspolitik auf, ein tragfähiges Gesamtkonzept für eine wohnortnahe, patientenorientierte und medizinische Versorgung sektorenübergreifend zu etablieren. Eine funktionierende sektorenübergreifende Versorgung gewinnt vor dem Hintergrund des zunehmenden Versorgungsbedarfs einer alternden Bevölkerung, der begrenzten finanziellen Ressourcen, von erweiterten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und vor allem dem sich verschärfenden Personalmangel im Gesundheitswesen immer mehr an Bedeutung. Bewährte Systeme wie das Belegarztwesen und die Möglichkeit der Ermächtigungen von Krankenhausärzten zur ambulanten Versorgung zeigen, dass es bereits seit langer Zeit gut funktionierende Elemente einer sektorenübergreifenden Versorgung gibt. Aus Sicht der Kammerversammlung können und müssen diese vorhandenen Strukturen zur sektorenübergreifenden Versorgung weiter ausgebaut und gestärkt werden, anstatt immer wieder neue kleinteilige Konzepte umzusetzen, die nicht das Potenzial haben, Teil eines gesamtgesellschaftlich tragfähigen Konzeptes zu werden. Die Kammerversammlung betrachtet es mit Sorge, dass in den mit der gesetzlichen Krankenversicherung geführten Verhandlungen zur Regionalen Krankenhausplanung in Nordrhein viele Krankenhäuser erwägen, etablierte Belegabteilungen zu schließen, in der Befürchtung, dass diese nicht (betriebs)wirtschaftlich zu betreiben seien. Durch die Möglichkeiten, ärztliche Tätigkeiten im ambulanten und im stationären Sektor durchzuführen, haben gerade die Belegärztinnen und -ärzte die Möglichkeit, medizinische Behandlungen an der Schwelle zwischen den beiden Sektoren adäquat und wirtschaftlich durchzuführen und entlasten so die Hauptabteilungen für die Bereitstellung komplexer Interventionen. Ebenfalls verfolgt die Kammerversammlung die Entwicklungen auf Bundesebene mit Sorge, in deren Rahmen neue Versorgungssektoren mit einem Sammelsurium an Versorgungsmöglichkeiten etabliert werden sollen, die in keiner Weise stimmig und für die Patientinnen und Patienten nachvollziehbar sind. Beispielhaft sei hier die Schaffung der Level 1i-Häuser als neue Versorgungsstufe in der Krankenhausversorgung genannt. Keine Substitution notärztlicher Tätigkeiten Die Ärztekammer Nordrhein lehnt die in der Regierungskommission „Reform der Notfall- und Akutversorgung: Rettungsdienst und Finanzierung“ empfohlene „weitgehende Substitution“ des Notarztes oder der Notärztin durch nicht-ärztliches Personal entschieden ab. Der in der Begründung der Regierungskommission aufgeführte Notärztemangel ist zumindest für NRW nicht existent; dies ist dank des Meldeerlasses (MAGS) und einer aktuellen Umfrage unter den ÄLRD in NRW auch objektiv nachvollziehbar. Weil sich der Mangel ganz im Gegenteil bei den Notfallsanitätern zeigt, ist eine Akademisierung dieser Berufsgruppe mit dem Ziel, den Notarzt zu ersetzen, nicht zielführend. Auch in der Präklinik hat der Patient – wie in der Klinik – ein Anrecht auf eine adäquate ärztliche Versorgung nach Facharztstandard. Ausbau der ambulanten Weiterbildung Da immer mehr Leistungen einzelner Fachgebiete ambulant erbracht werden (z.B. elektive chirurgische Eingriffe) und manche Schwerpunktfächer überwiegend ambulant tätig sind (z.B. Onkologie, Rheumatologie) fordert die Kammerversammlung die Politik auf, gemeinsam mit den Kostenträgern und in Kooperation mit den Ärztekammern zeitnah gesetzliche Rahmenbedingen zu schaffen, um die ärztliche Weiterbildung im ambulanten vertragsärztlichen Sektor durch strukturelle und finanzielle Mittel flächendeckend auszubauen. Dazu gehören die Etablierung des Facharztstandards und die Abrechenbarkeit von selbst erbrachten Leistungen der Weiterzubildenden. Die bisher praktizierte Förderung der ambulanten Weiterbildung nach Paragraf 75a SGB V ist unzureichend, um nachhaltige Strukturen für eine breite sektorenübergreifende Weiterbildung zu schaffen. Verpflichtende Etablierung von Reanimationsschulungen ab der 7. Klasse (Sekundarstufe I) Die Ärztekammer Nordrhein macht sich, wie im Rahmen der 6. Kammerversammlung am 13. November 2021 beschlossen, für die Verkürzung des therapiefreien Intervalls durch Ersthelfer stark. Hierzu soll das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: verpflichtende Reanimationsschulungen ab der 7. Klasse (Sekundarstufe I inkl. Förderschulen) für alle Schülerinnen und Schüler etablieren. sicherstellen, dass die Schulungen regelmäßig (z.B. zweijährig) für alle Schülerinnen und Schüler wiederholt werden. sicherstellen, dass ausreichend Lehrerinnen und Lehrer umfassend geschult werden (nachhaltige Multiplikatoren). Wünschenswert wären regelmäßige Fortbildungen (z.B. zweijährig), um über den aktuellen Stand informiert zu sein. sicherstellen, dass die Schulung der Lehrerinnen und Lehrer durch qualifizierte und erfahrene Berufsgruppen erfolgt (z.B. ärztliche Partner, umfassend qualifizierte Rettungsfachkräfte der Hilfsorganisationen). sicherstellen, dass ausreichende Haushaltsmittel für die Schulungen sowie für das notwendige Material (ggf. auch Ersatz) zur Verfügung gestellt werden. Die Kammerversammlung fordert die Landesregierung und insbesondere das Ministerium für Schule und Bildung des Landes NordrheinWestfalen auf, die Einführung verpflichtender Reanimationsschulungen in der Sekundarstufe I, unter Berücksichtigung der o. g. Punkte, zeitnah umzusetzen. Erweiterung des Zentralen Vorsorgeregisters bei der Bundesnotarkammer Die Kammerversammlung fordert den Bundesgesetzgeber auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei dem bei der Bundesnotarkammer geführten Zentralen Vorsorgeregister ein separater Datenraum eingerichtet wird, in dem Bürgerinnen und Bürger ihre Patientenverfügungen und Vollmachten in Gesundheitsangelegenheiten hinterlegen können und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte für die Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung per elektronischem Heilberufsausweis (HBA) die Dokumente einsehen dürfen. Suizidprävention: Unterstützung des „Kasseler Aufrufs“ Die Ärztekammer Nordrhein unterstützt die Forderungen des „Kasseler Aufrufs“ zur Suizid
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