Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2024 29 Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission, Folge 141 Bei reichlich putridem Sekret, wiederholtem Nachweis eines multisensiblen Staphylococcus aureus im Trachealsekret und deutlich erhöhtem CRP-Wert unterblieben Blutkulturen und eine antibiotische Therapie. von Bernd Sanner, Burkhard Gehle und Beate Weber Den behandelnden Internisten wurde von der Ehefrau des Patienten vorgeworfen, dass die Anlage eines Tracheostomas und die Schleimabsaugung nicht fachgerecht erfolgt seien und eine Tuberkulose nicht erkannt und behandelt worden sei, sodass ihr Mann an den Folgen dieser Fehler verstorben sei. Sachverhalt Der Anfang 80-jährige Patient stellte sich im Oktober 2020 aufgrund einer Zustandsverschlechterung in der belasteten Klinik vor. Bei der häuslichen Messung war ein niedriger Blutzuckerwert von 30 mg/dl bei bekanntem Typ-II-Diabetes mellitus aufgefallen. Da die Blutzuckerwerte niedrig blieben, wurde der Patient zunächst drei Tage in der diabetologischen Abteilung sachgerecht behandelt. Unter intravenöser Glukoseverabreichung normalisierten sich dort die Blutzuckerwerte. Eine Tachy- arrhythmia absoluta mit Vorhofflimmern wurde mit Metoprolol behandelt. Bei der initialen Aufnahme des Patienten wurde niedergelegt, dass der Patient dement sei und kein Deutsch spreche. Unter Husten und Fieberentwicklung stieg der bei der Aufnahme normale CRP-Wert (0,4 mg/dl) in der ersten Nacht auf 6,3 mg/dl an, wobei das Procalcitonin 0,5 ng/ml betrug. Die Röntgen-Thorax-Aufnahmen zeigten am zweiten Behandlungstag ein Infiltrat rechts infrahilär und Randwinkelergüsse beidseits. Eine Harnwegsinfektion konnte ausgeschlossen werden. Aufgrund der Pneumonie mit begleitender Kreislaufinstabilität wurde der Patient auf die Intensivstation verlegt. Ab diesem Zeitpunkt erhielt der Patient sieben Tage das Antibiotikum Piperacillin/Tazobactam, an drei Tagen zusätzlich Clarithromycin. Ab dem dritten Behandlungstag wurde der fieberfreie Patient auf der Normalstation betreut. Die Leukozyten betrugen 11,65/nl, der CRP-Wert stieg bis zum vierten Behandlungstag auf 14,9 mg/dl an und fiel in den nachfolgenden fünf Tagen unter Antibiotikaverabreichung bis auf 5,8 mg/ dl ab. Ab dem sechsten Tag wurde ein Wiederanstieg auf zunächst 8,2 mg/dl und bis zum zwölften Behandlungstag auf maximal 16,4 mg/dl verzeichnet. Das Procalcitonin betrug am elften Behandlungstag 0,9 ng/ ml, eine Leukozytose lag nicht vor. Im Trachealsekret vom dritten Behandlungstag fanden sich Klebsiella pneumoniae (sensibel auf Tazobac) und Candida albicans. Sonografisch wurde an diesem Tag ein Pleuraerguss links von 600 ml festgestellt. Echokardiografisch zeigten sich eine leichtgradige Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz sowie eine gute linksventrikuläre Pumpfunktion. Ein Hinweis auf eine Endokarditis ergab sich nicht. Reanimation Aufgrund einer starken Verschleimung im Rahmen der Lungenentzündung bei nur mäßigem Hustenstoß wurde der Patient regelmäßig durch das Pflegepersonal abgesaugt. Laut Stellungnahme erfolgen in der Klinik Absaugungen grundsätzlich nur durch examinierte Pflegekräfte. Am elften Tag kam es während einer Absaugung zu einem Herzstillstand mit Reanimation über sieben Minuten. Nach einmaliger Suprareningabe konnte der Patient intubiert auf die Intensivstation verlegt werden. Vorübergehend bestand dort eine Katecholaminpflichtigkeit. Die bronchoalveoläre Lavage von diesem Tag zeigte Candida albicans/Candida tropicallis sowie Geotrichum capitatum auf, welche nach Auffassung der die Intensivstation betreuenden Ärzte nicht behandlungsbedürftig waren. Der Urinstatus blieb negativ. Am 12. wie auch am 22. Behandlungstag wurden im Trachealsekret Klebsiella pneumoniae (sensibel auf Tazobac) und Staphylococcus aureus sowie Candida albicans nachgewiesen. Der täglich bestimmte CRP-Wert lag zwischen dem 13. Behandlungstag bis zur Verlegung am 27. Behandlungstag wechselnd hoch zwischen minimal 8,7 mg/dl und maximal 13,3 mg/dl. Das Procalcitonin wurde in dieser Zeit sechsmal negativ bestimmt. Entgegen der Annahme der Angehörigen lagen zu keinem Zeitpunkt klinische oder radiologische Hinweise auf eine Tuberkulose bei initialem Unterlappeninfiltrat rechts vor. Kulturell wurden zwar nach einigen Wochen Tuberkelbakterien angezüchtet, die den Krankheitsverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht negativ beeinflusst haben. Bei dem Patienten bestand während der ganzen Phase auf der Intensivstation bei nutritiver Malnutrition ein Wasserüberschuss im Gewebe und im Pleuraspalt, jedoch ein Volumenmangel im Gewebe. Ab dem Zeitpunkt der Reanimation lag der Serum-Natriumwert oberhalb beziehungsweise an der Grenze des Normbereichs. Ab dem 24. Behandlungstag erhielt der Patient parenteral Albumin. Es bestand eine kardio-respiratorische Stabilität. Tracheostoma Am 14. Behandlungstag erfolgte nach sachgerechter Risikoaufklärung mit Unterschrift der Angehörigen die Anlage eines Tracheostomas. Bei der täglichen Begutachtung fiel beim Verbandswechsel nach fünf Tagen eine Rötung am Tracheostoma auf, woraufhin die Metallineplatte regelmäßig gewechselt und die Wunde nunmehr mit Octenisept versorgt wurde. Am 27. Behandlungstag wurde der Patient bei erschwertem Weaning auf die Intensivstation einer anderen nicht in Anspruch genommenen Klinik verlegt. Dort wurde in einer Blutkultur von diesem Tag Staphylococcus aureus nachgewiesen, und der Patient wurde antibiotisch behandelt. Anderntags empfahl der konsiliarisch tätig gewordenen Hals-Nasen-Ohrenarzt bei großflächigen Nekrosen am Tracheostomaeingang eine operative Wundreinigung, sodass der Patient einem Chirurgen vorgestellt und eine Übernahme geplant wurde. Eine Computertomografie vom Hals schloss drei Tage später bei geringen entzündlichen Veränderungen einen Abszess aus. Aufgrund des stark eingeschränkten klinischen Zustands des Patienten konnte die geplante Nekrosektomie mit großflächigem Debridement erst 17 Tage nach der Computertomografie des Halses erfolgen. Laut Bericht der NachNicht erkannte unbehandelt gebliebene Infektursache
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