30 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2024 gezeichnet werden. Wenn dies, wie im vorliegenden Fall, pflichtwidrig unterbleibt, ist nach § 630 h Abs. 3 BGB für nicht dokumentierte Maßnahmen zu vermuten, dass diese nicht getroffen wurden. Das hiernach anzunehmende Unterlassen einer Diagnosestellung hat sich im weiteren Verlauf indes nicht ausgewirkt, sodass eingehendere Erwägungen nicht erforderlich sind. Indikation zum Tracheostoma Die Indikation zur Anlage einer Tracheostomie besteht bei schweren und langen Krankheitsverläufen, also immer dann, wenn mit einem prolongierten Weaning zu rechnen ist. Da hier im Vorfeld keine ganz klar definierten Kriterien bestehen, die auch zeigen können, wie schnell mit einem Weaning zu rechnen ist, muss dies im Einzelfall ärztlicherseits entschieden werden. In der Krankenakte findet sich am Tag nach dem reanimationspflichten Ereignis ein ausgefüllter Aufklärungsbogen zur Durchführung der Tracheostomie. Hierin finden sich auch die Hinweise, dass es nach Tracheostomaanlage zu der Entwicklung von einem Infekt und sogar zum Tod kommen kann. Die Tracheostomie wurden am dritten Tag nach der Reanimation durchgeführt. Es gibt eine schriftliche Dokumentation der Durchführung. Es handelte sich um eine sogenannte Punktions-Tracheostomie, bei der nicht davon auszugehen ist, dass ein – wie die Angehörigen beklagten – zu großer Schnitt gesetzt wurde. Erstmals wurde am 19. Behandlungstag, nach sechstägiger Liegezeit, im Spätdienst die Einstichstelle der Trachealkanüle als gerötet beschrieben, weshalb ein Austausch der Metalineplatte erfolgte. Auch an den weiteren Tagen findet sich der Hinweis, dass sich die Einstichstelle der Trachealkanüle gerötet darstellte und übelriechend eitriges Sekret zu gewinnen war. Am 22. sowie am 23. Behandlungstag wurde vom Frühdienst eine ausgiebige Wundversorgung dokumentiert. Keimnachweis Initial erfolgte eine antibiotische Therapie mit einem Breitspektrum-Penicillin über sieben Tage, zunächst für drei Tage kombiniert mit einem Makrolid-Antibiotikum. Auch nach dieser Zeit ist dokumentiert, dass reichlich eitriges Sekret vorhanden war und nach der Tracheostoma- Anlage auch über das Tracheostoma abEinspruch der Ehefrau Daraufhin hat die Ehefrau um ein abschließendes Gutachten der Gutachterkommission gebeten und die gesamte Heilbehandlung zur erneuten Überprüfung gestellt. Was den vom Erstgutachter beschriebenen Befunderhebungsfehler betreffe, gehe sie von einer Beweislastumkehr aus. Hätte man Material entnommen, hätte Staphylococcus aureus nachgewiesen werden und eine zielgerichtete antibiotische Therapie eingeleitet werden können. Zudem hätte eine Tuberkulose als Ursache der während des stationären Aufenthaltes erhöhten Entzündungsparameter ausgeschlossen werden sollen. Geklärt werden müsse, ob es sich bei der Absaugung am elften Behandlungstag, in deren Rahmen es zum Herz-Kreislauf-Stillstand gekommen war, um eine Nasen-/Rachenraum- Absaugung oder ein endotracheales Absaugen gehandelt habe. Auch müsse geklärt werden, ob das Pflegepersonal einer Normalstation hierfür qualifiziert gewesen sei, und weiter, ob die Durchführung der Tracheotomie drei Tage nach diesem Ereignis gerechtfertigt gewesen und ob diese fachgerecht durchgeführt worden sei. Der Schnitt sei bei der Anlage der Tracheotomie zu weit gewesen. Korrekte Kontrollen des Tracheostomas hätten nicht stattgefunden. Die Gutachterkommission hat daraufhin den Sachverhalt erneut einer vollständigen und eigenständigen Überprüfung unterzogen. Reanimationsereignis Nach gründlicher Prüfung der Krankenakte findet sich ein Dokumentationsfehler, da das komplikativ zu der Reanimation führende Ereignis am elften Behandlungstag fehlerhaft nicht dokumentiert wurde. In der ärztlichen Dokumentation wird beschrieben, dass bei hörbaren Rasselgeräuschen reichlich eitriges Sekret abgesaugt werden konnte. Auch wenn nicht dokumentiert wurde, ob es sich um eine Nasen-/Racheraum-Absaugung oder eine endotracheale Absaugung handelte, stellt es eine geübte pflegerische Praxis dar, dass examinierte Krankenpflegekräfte auch endotracheal absaugen. Nach § 630 f Abs. 2 BGB müssen u.a. Diagnosen, die aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlich sind, in der Dokumentation aufbehandler habe sich nach Entfernen der Trachealkanüle ein zervikaler Abszess mit Taschenbildung nach links paratracheal bei großflächigem Infekt um das Tracheostoma gezeigt. Es seien Nekrosen an den Ringknorpeln abgetragen worden. Nach endotrachealer Intubation sei der Defekt mit einem Vakuumverband versorgt worden und eine ausgiebige Bronchialtoilette erfolgt. Auf der Intensivstation habe der Patient temporär stabilisiert werden können, sodass man die Katecholamingabe zunächst habe reduzieren können. Auf Wunsch der Angehörigen wurde zusätzlich ein Test auf Tuberkulose durchgeführt. Auch in einer jetzt angefertigten Röntgenaufnahme des Thorax gab es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Tuberkulose. Der Patient verstarb am vierten postoperativen Tag trotz Eskalation der Antibiotikatherapie und Dialyse im septischen Multiorganversagen. 14 Tage später meldete sich das Gesundheitsamt bei der Familie, mit der Information, dass der TuberkuloseTest positiv ausgefallen sei. Befunde hierzu lagen zur Begutachtung nicht vor. Beurteilung durch den Erstsachverständigen Der Gutachter kam zur Beurteilung, dass bei im Übrigen nicht zu beanstandender Versorgung des Patienten in der belasteten Klinik den in Anspruch genommenen Internisten (1) vorzuwerfen sei, dass während der gesamten Behandlung keine Blutkultur erfolgte, was angesichts persistierend hoher Entzündungswerte und intermittierendem Fieber jedoch indiziert gewesen sei. In der Blutkultur, die am Übernahmetag zum Weaning im nachbehandelnden Krankenhaus angelegt wurde, habe sich Staphylococcus aureus nachweisen lassen. Eine Blutkultur hätte frühzeitiger einen Hinweis auf die Lokalisation des vorhandenen bakteriellen Infekts erbringen und zu einer früheren und dringlicheren Revision des für sich primär fachgerecht angelegten Tracheostomas führen können. Hierbei handele es sich um einen einfachen Befunderhebungsfehler. Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit wäre die Diagnose einer Staphylococcus aureus-Bakteriämie früher gestellt, eine entsprechende antibiotische Therapie eingeleitet und auch eine Überprüfung des Tracheostomas durchgeführt worden. Ein direkter Kausalzusammenhang mit dem Versterben des Patienten sei nicht herzustellen. Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission, Folge 141
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