Rheinisches Ärzteblatt 2/2024

Mein Beruf Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 /2024 47 Foto: privat Dr. Amelie Clemens studierte Medizin an der Philipps-Universität in Marburg. Nach ihrer augenärztlichen Weiterbildung an der Universitäts-Augenklinik Bonn und der bestandenen Facharztprüfung im September 2022 ließ sich die 32-jährige in der überörtlichen Gemeinschaftspraxis „Augenpraxisklinik“ in Solingen/ Remscheid/Wermelskirchen anstellen. Seit Januar 2024 ist sie dort Mitteilhaberin. Dr. Amelie Clemens, niedergelassene Fachärztin für Augenheilkunde „Die Begeisterung für mein Fach hält bis heute an“ Job, Beruf, Berufung? – An dieser Stelle berichten junge Ärztinnen und Ärzte über ihren Weg in den Beruf, darüber, was sie antreibt und warum sie – trotz mancher Widrigkeiten – gerne Ärztinnen und Ärzte sind. Frau Dr. Clemens, warum haben Sie sich für die Augenheilkunde entschieden? Clemens: Das Fach hat mich schon im Studium fasziniert, weshalb ich darin auch eine Famulatur und das Praktische Jahr absolviert habe. Als ich als Studentin einem Patienten zum ersten Mal durch eine Spaltlampe in die Augen schaute und die Iris in 16-facher Vergrößerung vor mir sah, fand ich das nicht nur technisch faszinierend, sondern auch äußerst ästhetisch. Dabei funktioniert die Spaltlampe wie ein Mikroskop: Sie ermöglicht sogar, einzelne Erythrozyten im Gefäß entlangwandern zu sehen. Fasziniert hat mich während des Studiums auch die erste Glaskörper-Operation, wo ich Netzhaut und Sehnerv auf einer großen Leinwand sehen konnte. Von der Augenheilkunde überzeugt haben mich auch die Gespräche mit den Augenärztinnen und – ärzten, die sehr begeistert von ihrem Fach waren: sowohl inhaltlich als auch vom Arbeitsalltag. Diese Begeisterung ist auf mich übergesprungen und hält bis heute an. Was begeistert Sie genau an der Augenheilkunde? Clemens: Ich schätze vor allem die Vielseitigkeit bei dem auf den ersten Blick kleinen Organ. In unserer überörtlichen Gemeinschaftspraxis versorgen wir ein breites Spektrum an Erkrankungen: von der Bindehautentzündung bis zu schwerwiegenden Erkrankungen wie Tumoren. Außerdem kommen viele Kinder zu uns in die Praxis, die schielen oder ihre erste Brille brauchen. Neben den konservativen Therapieverfahren führen wir auch ambulante operative Eingriffe wie Katarakt-OPs und intravitreale Injektionen durch. Ich erfahre sehr viel Wertschätzung vonseiten der Patientinnen und Patienten: Für viele Menschen ist das Sehen eine der wichtigsten Sinneswahrnehmungen und sie sind sehr dankbar, wenn sie durch die Behandlung Lebensqualität zurückgewinnen können. tiven Aufgaben waren selbstverständlich neu für mich. Das Schöne an unserer Gemeinschaftspraxis ist, dass gewisse Aufgaben verteilt werden, wie Personalfragen, die IT oder Instandhaltung von Geräten und Praxisräumen. An der Niederlassung gefällt mir neben den planbareren Arbeitszeiten auch der Umstand, dass ich einen sehr viel persönlicheren Kontakt zu meinen Patientinnen und Patienten habe als in der Klinik. Zu vielen, die regelmäßig Kontrolluntersuchungen wahrnehmen müssen, habe ich mittlerweile ein vertrautes Verhältnis aufgebaut. F ür viele Menschen ist das Sehen der wichtigste Sinn und die Patienten sind sehr dankbar, wenn sie durch die Behandlung Lebensqualität zurückgewinnen konnten. Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders nahegegangen ist? Clemens: Ich erinnere mich an eine Patientin, 15 Jahre alt, die von ihrem Optiker zu uns geschickt wurde, weil sie trotz Brille nicht gut sehen konnte und deshalb auch in der Schule nicht gut zurechtkam. Nach ausgiebiger Diagnostik stellten wir schließlich fest, dass sie an einer schwerwiegenden und sehr seltenen genetisch bedingten Netzhauterkrankung im Rahmen eines bisher undiagnostizierten Syndroms litt. Zum aktuellen Zeitpunkt ist dieses Syndrom zwar nicht heilbar, aber wir konnten für die passende Unterstützung sorgen. Neben Sehhilfen wie Lupen und Lesegeräten, ist die Anbindung an Selbsthilfegruppen und Aufklärung der Familie essenziell. Außerdem haben wir uns dafür eingesetzt, dass sie an eine Schule wechselt, die auf ihre Beeinträchtigung eingehen kann. Es war schön zu sehen, wie das Mädchen nach und nach aufblühte und mittlerweile gut mit ihrer Erkrankung leben kann. Gibt es etwas, das Ihnen nicht gefällt? Clemens: Momentan rauben mir die Lieferengpässe bei Arzneimitteln den letzten Nerv. So gibt es aktuell beispielsweise bei uns im Ort keine kortisonhaltigen Augensalben mehr. Teilweise bin ich wirklich ratlos, welche Arzneimittel ich aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit noch verschreiben kann. Es müsste ein System geben, das mir anzeigt, ob ein Medikament lieferbar ist oder nicht. Ich hoffe, dass sich dieser Zustand bald wieder bessert. Das Interview führte Marc Strohm Wie verlief der Start in die Niederlassung? Clemens: In der Praxis wurde ich von meinen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen sowie den Medizinischen Fachangestellten mit offenen Armen empfangen – zunächst als angestellte Ärztin und ab 2024 als Teilhaberin, was für mich als junge Frau sicherlich ein großer Schritt ist. Ich habe von Anfang an die Selbstständigkeit angestrebt, deshalb haben mich die Kolleginnen und Kollegen auch seit der ersten Stunde in organisatorische Entscheidungsprozesse miteingebunden. Denn die komplexen administra-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=