Rheinisches Ärzteblatt 3/2023

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 15 verzerrt“, gibt Thürmann zu bedenken. Analysen zeigten, dass Ärzte Frauen seltener in ihre Studien einbeziehen als Ärztinnen dies tun. Darüber hinaus gebe es allerdings nur wenigeUntersuchungendarüber, wie man Frauen und Männer geschlechterspezifisch dazu motivieren könne, an einer klinischen Studie teilzunehmen, sagt Thürmann. „Vermutlich muss man in der Ansprache von weiblichen und männlichen Probanden genau wie in der generellen medizinischen Kommunikation mehr Rücksicht darauf nehmen, wie Sprache von den Geschlechtern wahrgenommen wird und wie man beide Geschlechter am besten erreicht und somit zueiner geschlechtersensiblen, informierten Einwilligung beitragen kann.“ Thürmann spricht sich daher dafür aus,Warnhinweise gezielt geschlechtersensibel zu formulieren und beispielsweise bei solchen Medikamenten deutlichere Warnungen für Frauen auszusprechen, eine EKG-­ Kontrolle zu empfehlen und gegebenenfalls geringere Dosierungen vorzuschlagen. Frauen seien in klinischen Studien generell unterrepräsentiert. Grund dafür sei unter anderem, dass in der frühen Entwicklung neuer Medikamente häufig nochnicht bekannt sei, ob diese inder Schwangerschaft verträglich seien oder womöglich fruchtschädigend wirkten, so Thürmann. Entscheidend ist der Pharmakologin zufolge jedoch, diese Wissenslücke in den anschließenden großen klinischen Studiendurch entsprechende Daten zu füllen. Doch auch heute noch würden Frauen bei manchen Indikationen seltener in Studien eingeschlossen als sie tatsächlich von der Erkrankung betroffen seien. Thürmann bemängelt auch, dass in Forschungsstudien noch immer auf eine geschlechtergetrennte Analyse von Forschungsdaten verzichtet werde. „DamitwirdeineChancezurHypothesengenerierung vertan“, kritisiert die Wissenschaftlerin. Dabei zeigen Thürmann zufolge Studien, dass Frauen sich prinzipiell eher bereit erklären, an klinischen Studien teilzunehmen als Männer, auch wenn sie bei aufwendigen und „riskant klingenden“ Untersuchungen zurückhaltender seien. „Möglicherweise wird dieser Aspekt aber auch von ärztlicher Seite aus Professor Dr. Burkhard Sievers, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Nephrologie und Intensivmedizin am Sana-Klinikum Remscheid hat unter dem Titel „So heilt man heute. Die häufigsten Volkskrankheiten geschlechtsspezifisch besser behandeln“ (ZS Verlag) auch ein Buch zum Thema geschrieben. Foto: Anke Dörschlein Abstoßungsreaktionen bei Transplantationen sind geschlechtsabhängig Studien weisen darauf hin, dass das Geschlecht Einfluss auf das Risiko einer Abstoßung bei Transplantationen hat, sagt Professor Dr. Arzu Oezcelik, Leiterin des Bereichs Leberlebendtransplantationen und Viszerale Transplantation in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Essen. Foto: Universitätsmedizin Essen Studien weisen darauf hin, dass das Risiko für Abstoßungsreaktionen bei Herztransplantationen höher ist, wenn ein sogenanntes „gender-mismatch“ besteht, also wenn Spender und Empfänger unterschiedlichen Geschlechts sind. Auch bei Lebertransplantationen gebe es Daten, die darauf hinweisen, dass das Risiko einer Abstoßung beziehungsweise eine Abstoßung abhängig vom Geschlecht des Spenders und des Empfängers ist, sagt Professor Dr. Arzu Oezcelik. Sie ist Leiterin des Bereichs Leberlebendtransplantationen und Viszerale Transplantation in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Essen, und forscht zu dem Thema. „Wir wollen geschlechtersensible Unterschiede in der Genexpression nach gender-matched und -mismatched Transplantationen analysieren, um genau diese Unterschiede besser zu erklären.“ Die Forschung zum Thema stecke momentan noch in den Kinderschuhen. Dennoch gebe es erste Hypothesen, erklärt Oezcelik, die auch an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen lehrt: „Wir wissen bereits von früheren Untersuchungen zu anderen Themen, dass das Immunsystem geschlechtersensibel ist. Zum Bespiel erkranken Frauen viel häufiger an Autoimmunerkrankungen. Ausgehend von diesem Wissen, kann man vermuten, dass auch im Bereich der Transplantation das Risiko auf eine Abstoßung vom Geschlecht beeinflusst wird“, sagt Oezcelik. Sie ist zuversichtlich, dass geschlechtersensible Medizin in der Transplantationsmedizin zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Das Thema hat eine klinische Relevanz in der Patientenversorgung und kann in der Transplantationsmedizin zu einer tatsächlichen Optimierung der Behandlungsergebnisse beitragen“, ist Oezcelik überzeugt.

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