Rheinisches Ärzteblatt 3/2023

Gesundheits- und Sozialpolitik 20 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 Hausärztinnen und -ärzte, die in den Ruhestand eintreten wollen, finden immer schwieriger einen Nachfolger. Der Landkreis Viersen hat das Problem erkannt und die Stelle eines „Ärztescouts“ geschaffen. Seit Herbst 2021 fungiert Laura Otten als Ansprechpartnerin und Vermittlerin für Niedergelassene und Niederlassungsinteressierte. von Marc Strohm Dr. KlausBraunenwar frustriert.Mehr als zwei Jahre lang suchte der Internist einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für seine Praxis im Viersener Stadtteil Dülken. Die Suche gestaltete sich zäh, mit mehreren potenziellen Kandidaten passte es aus den verschiedensten Gründen nicht. Für den engagierten Arzt kam es nicht infrage, seine Praxis einfach zu schließen. Denn die ältesten Patienten, die er betreue, kenne er seit mittlerweile 50 Jahren, betont Braunen im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Für sie wollte er die Praxis im kleinstädtisch geprägten Dülken unbedingt erhalten. „Die alten Leute hier fragten mich ständig: Herr Doktor, zu wem gehen wir denn, wenn Sie vor uns sterben?“ erzählt Braunen. Braunen wollte seinePatientenauchnach seinemRuhestand weiterhin in gutenHändenwissen. EinNachfolger oder eine Nachfolgerin sollte sympathisch sein,menschlich sollte es passen–das waren seine größten Wünsche. Durch Zufall erfuhr er durch einen Artikel in der Zeitung von Laura Otten, die beim Gesundheitsamt des Kreises Viersen als Ärztescoutin arbeitet und auf die Vermittlung von niederlassungsinteressierten Ärztinnen und Ärzten spezialisiert ist. Braunen ließ sich vonOtten in eine Datenbankaufnehmen. Diese versprach, sich umgehend zumelden, sobald sie eine potenzielle Nachfolge ins Auge gefasst habe. Dr. Gabriele Kaschner-Kampe wollte seit ihrer Kindheit Ärztin werden und träumte seit dem Studium von ihrer eigenen Praxis. „Als meine Kinder noch klein waren, habe ich mir das aber nicht zugetraut“, erzählt sie. Daher kamen für sie nur Anstellungen infrage. Nun sind die Kinder älter und Kaschner-Kampe begab sich auf die Suche nach einer Praxis, um ihren TraumwahrzuDie zähe Suche nach dem Nachfolger Erfolgreich vermittelt: Durch die Ärztescoutin Laura Otten (links) fand Dr. Klaus Braunen mit Dr. Gabriele Kaschner-Kampe eine Nachfolgerin für seine internistische Praxis in Viersen-Dülken. Foto: Kreis Viersen machen. Auf dem Praxisbörsentag der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) fiel ihr Ottens Flyer in die Hände. Sie kontaktierte Otten und fragte an, welche Ärztinnen und Ärzte im Landkreis Viersen demnächst in den Ruhestand gehen. Vermittler für die Niedergelassenen Otten vermittelte ihr die Telefonnummer von Braunen. Zunächst habe sie noch mit dem Kontaktaufbau gezögert, sagt die Allgemeinmedizinerin. Erst kurz vor ihrem Urlaub habe sie sich zwischen den gepackten Koffern ein Herz gefasst und angerufen. In der Folge traf sie sich einige Male mit Braunen zumGespräch. Die Chemie stimmte, die beiden gründeten eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und arbeiten seitdem zusammen in der Praxis – bis zur endgültigen Übergabe. Er habe anfangs nicht geglaubt, dass Kaschner-Kampe bleiben würde, sagt Braunen. „Die kommt ein paar Mal, guckt sich das an und hat dann genug vom Praxisalltag“, so sah er das damals. Doch Kaschner-Kampe dachte nicht daran, einen Rückzieher zumachen – auch wenn es anstrengend sei, sich an das neue Leben zu gewöhnenundnebenher die Bürokratie für die Praxis zu regeln, räumt sie ein. Neue Konten mussten eröffnet werden und sie musste ein paar neue Fertigkeiten dazulernen, wie zum Beispiel die Abrechnung. Gerne profitiere sie dabei von der Erfahrung des älteren Kollegen. Profitiert habe sie aber auch von den zahlreichen Beratungsangeboten der KV Nordrhein, so KaschnerKampe. Auch Otten habe immer ein offenes Ohr, wenn es Probleme gebe. Aber auch für Braunenbedeutete die Zusammenarbeitmit der jungen Kollegin einige Umstellungen. „Mein Leben lang habe ich die Patientenakten mit Karteikarten geführt. Sie macht das ausschließlich mit dem Computer“, stellt der Internist lachend fest. DieerfolgreicheVermittlungvonKaschner-­ Kampe an Braunen ist Otten besonders im Gedächtnis geblieben. Braunen hatte sich direkt nach dem Beginn ihrer Tätigkeit im Oktober 2021 an sie gewendet. Seitdem haben sich insgesamt 42 Ärztinnen und Ärzte bei ihr gemeldet, die entweder eine eigene Praxis oder einen Nachfolger suchen. Die überwältigendeMehrheit seien dabei Hausärzte, gefolgt vonKinder- und Jugendärzten. Künftig dürfte die Nachfrage nach dem Ärztescoutdienst steigen, denn nach Angaben der KVNO sind die niedergelassenen Ärzte imKreis Viersen imDurchschnitt 56,1 Jahre alt. Weit mehr als einDrittel der 11.200 inNRWtätigen niedergelassenenHausärzte hat demMinisterium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) zufolge bereits das 60. Lebensjahr überschritten und geht in absehbarer Zeit in den Ruhestand, womit

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