Rheinisches Ärzteblatt 3/2023

26 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 dieman unter westlichen Standards gut hätte behandeln können. Dennoch – oder auch gerade deswegen – macht Krawzak weiter. „Ich stamme noch aus einer Generation, inder eine ausgeglicheneWork-Life-Balance nicht dieHauptmotivationwar. MeinBeruf war immer mein Leben – und umgekehrt!“ Im Juni 2022 endete ihre Regelarbeitszeit. Krawzak verlängerte ihren Vertrag mit der Uniklinik in einemUmfang von 50 Prozent und intensivierte ihre Auslandstätigkeiten. Den Job in der Spitzenmedizin ganz aufgeben, wollte sie nicht. Auf eigene Faust nach Tansania Ihren ersten Auslandseinsatz absolvierte die engagierte Kinderchirurgin 2013 „auf eigene Faust“ in Tansania, Ostafrika. Großen Einfluss auf diese Entscheidung nach Litembo und nach Ndanda in Tansania führten. Ein typisches Krankheitsbild, mit dem Krawzak als Kinderchirurgin sowohl in Deutschland als auch in Tansania zu tun hat, ist der Hodenhochstand bei Jungen. Ohne Operation steigt die Gefahr von Hodenkrebs oder auchUnfruchtbarkeit. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Ländern ist jedoch die Häufigkeit von Verbrennungen gerade bei kleinen Kindern. In Tansania wird über offenem Feuer gekocht und häufig fallen Kinder in die Kochstelle. Ein äußerst tragischer Fall ist Krawzak noch deutlich in Erinnerung. Eltern brachten ihr Kind mit schweren Verbrennungen in die Klinik. Die Prognose war schlecht, trotzdemhaben Krawzak und ihre tansanischen Kolleginnen und Kollegen alles versucht, um das Leben des Kindes zu retten. „Am Ende starb nicht nur das Kind. Wir hatten auch noch eine enorme Krankenhausrechnung für die Eltern aufgebaut,“ sagt die Kinderchirurgin. Die Eltern verfügten weder über eine Krankenversicherung noch waren sie wohlhabend. „Die Forum Diplomatisches Geschick und viel Geduld gehören zum Rüstzeug von Dr. Gabriele Krawzak bei ihren Einsätzen für den Senior Expert Service (SES) in Ostafrika und Zentralasien. Die Kinderchirurgin will mit 66 Jahren nicht einfach in den Ruhestand gehen, sondern ihr Wissen und ihre langjährige Erfahrung weitergeben. von Martin Bornemeier Die Fruchtblase ist geplatzt. Jetzt muss es schnell gehen. Im Krankenhaus ist man auf alles vorbereitet. Top ausgebildetes Fachpersonal und modernste Medizintechnik ermöglichen auch in schwierigenSituationen das Überleben von Kind und Mutter, beispielsweise, wenn das Neugeborene zunächst nicht atmet. So ist die Situation in Deutschland. Anders in Tansania. Anstatt zu intubieren, die Atmung und den Kreislauf des Neugeborenen in Gang zu setzen, bleibt den Hebammen nur, der Mutter das leblose Kind zu zeigen. „InOstafrika sterben diemeistenKinder, wenn es bei der Geburt zu Atemproblemen kommt. Das ist für uns kaum noch vorstellbar“, sagt Dr. Gabriele Krawzak. Die Kinderchirurgin leitete von 2015 bis 2021 kommissarisch die Sektion Kinderchirurgie der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Essen und kennt sich mit der Spitzenmedizin aus. Seit 2014 engagiert sich die inzwischen 66-Jährige als Senior Expertin inAusbildungseinsätzen in Tansania, Turkmenistan und Kasachstan. Bereits vor zehn Jahren, als der Ruhestandnochweit entfernt war, hat sie sich Gedanken darüber gemacht, wie es dannweitergehen soll. Da sie gerne reist und der Beruf ihr Leben ist, entschied sie sich dazu, ihrWissen dort weiterzugeben, wo es dringend gebraucht wird. Angefangen hat alles in Tansania, wo Krawzak erste Erfahrungen mit einem Gesundheitssystem machte, das weder eine gesetzliche Krankenversicherung noch top ausgestattete Gesundheitseinrichtungen kennt. Nahe gehen ihr vor allem die Fälle, in denen Patientinnen und Patienten sterben, „Was man erreichen kann, sind kleine Fortschritte“ St. Benedict’s Hospital in Ndanda, Tansania: Dr. Gabriele Krawzak zeigt ihren Kollegen, wie man bei einem Kind einen Ellenbogenbruch einrichtet. Foto: privat hatten regelmäßige Berichte in der Lokalzeitungüber die „MülheimerUrwaldärztin“ Dr. Irmel Weyer, die seit 1961 fast 30 Jahre lang im südlichen Hochland Tansanias, in Litembo, ein Krankenhaus aufgebaut, betrieben und zu einemmodernenDiözesanhospital ausgebaut hatte. In Tansania hörte Krawzak auch zum ersten Mal vom SES, für den sie seit 2014 arbeitet. Sie reduzierte ihre Stelle auf 80 Prozent, ummehr Zeit für Auslandseinsätze zu haben, die sie erneut Eltern hatten also nicht nur ihr Kind verloren, sondern waren auch fast ruiniert.“ Man muss kostenbewusst agieren Krawzak musste erst lernen, dass man in Tansania, auch um die Patienten finanziell nicht zu überfordern, wesentlich kostenbewusster agierenmuss als inDeutschland. „Da kann man nicht mal eben ein Röntgenbild anfertigen, wenn es nicht

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