Rheinisches Ärzteblatt 3/2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 27 Forum Ein ähnlicher Fall ereignete sich in einer Klinik inAşgabat, der Hauptstadt von Turkmenistan. Eine weibliche Kinderchirurgin operierte dort einen Jungen am Leistenbruch. Im Rahmen der OP sollte auch eine Beschneidung durchgeführt werden. Für die Beschneidung musste die Kollegin allerdings ihrenPlatz für einenmännlichen Kollegen räumen. Krawzak weiß nicht, ob dieses Vorgehen einen religiösen oder spezifisch turkmenischen Hintergrund hatte. Sie weiß aber: „In Ostafrika wäre das kein Problem gewesen. Dort werden Frauen als Ärztinnen akzeptiert.“ „Man ist nicht der liebe Gott“ Um sich auf solche Situationen vorbreiten zu können, biete der SES für seine Experten Vorbereitungsseminare an. Dennochmüsseman sich jedesMal wieder neu auf die fremde Kultur einstellen. „Undman darf nie die eigene Position vergessen. Man ist nicht der liebe Gott“, sagt Krawzak. Bereits als Kind hatte Gabriele Krawzak den Wunsch, Chirurgin zu werden. Aber erst während der Facharztweiterbildung konkretisierte sich ihr Ziel: „Die Kinderchirurgie war eine Zufallsentscheidung.“ Sie hatte damals in ihrer KlinikdieMöglichkeit, in eine relativ kleine kinderchirurgische Station „reinzuschnuppern“ und es machte ihr Spaß. „Viele Kolleginnen und Kollegen haben erst einmal Angst vor Kindern, weil sie klein sind und sich nicht ausdrücken können. Das macht es zum Beispiel schwierig, Zugänge zu legen“, erklärt Krawzak. Ihr hingegen gefällt dieArbeitmit den kleinen Patienten, sie habe „einen Draht zu Kindern“, sagt sie. Gabriele Krawzak sieht in jedem Land, das sie als Senior Expertin besucht hat, spezielle Herausforderungen. Ärztinnen haben es nach ihrer Erfahrung in Turkmenistan deutlich schwerer als in Teilen Afrikas. Dagegen sind die Kliniken, die sie in Turkmenistan besucht hat, medizintechnisch hervorragend ausgestattet, während in Afrika bereits die Grundversorgung schwierig ist. Krawzak startete als Senior Expertin, um Menschen zu helfen. Heute ist sie daneben auch Kulturexpertin und freut sich jedes Mal, wenn irgendwo auf der Welt ein Kind gesund die Klinik verlassen kann. Wer die Welt akut verändern wolle, für den sei der Einsatz als Senior Expert nichts, meint die Kinderchirurgin: „Wie sagte eine alte Ordensfrau: ,Das Einzige, was sie erreichen können, sind ,Baby Steps‘!“ Obwohl sich die Ansprüche an die Senior Experten an den Einsatzorten zumTeil fundamental unterscheiden, gibt es beim SES auch feste Grundsätze: „Wir bleiben immer Gast. Wir bieten an, wir beraten, aber die Entscheidung treffen immer die Verantwortlichen vor Ort“, sagt die Kinderchirurgin und räumt ein, dass es „manchmal schwer“ ist, andere Auffassungen zu akzeptieren. So musste sie sich in Turkmenistan in einem Fall damit abfinden, dass ein Kollege ihre Argumente trotz ihrer umfassenderen Erfahrung und Expertise nicht anerkannte, weil sie eine Frau war. Der SES erwarte Neutralität im Umgang mit kulturellen, politischen und religiösen Vorstellungen in den Gastländern, so Krawzak. zwingend notwendig ist“, sagt sie. Auch Menschen, die nicht lebensbedrohlich verletzt seienund sich zumBeispiel dieOperation eines Arm- oder Beinbruchs nicht leisten könnten, würden verbunden, erhielten eventuell einen Gips und würden wieder nach Hause geschickt. „Wir bleiben immer Gast“ Seit 2014 hat Krawzak insgesamt zehn Ausbildungseinsätze für den SES in Tansania, Turkmenistan und Kasachstan absolviert. InOstafrika vermittelt sie in der Regel grundlegende Fähigkeiten in der Kinderchirurgie. In Zentralasien geht es bei ihren EinsätzenumdieWeiterbildung imBereich spezieller Kinderchirurgie. Morgendliche OP-Besprechung in der Uniklinik in Semey in Kasachstan. Foto: privat Der Senior Experten Service (SES) vermittelt Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder in einer beruflichen Auszeit in Entwicklungs- und Schwellenländer, damit diese vom Wissen der SES-Experten profitieren können. Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit mit Sitz in Bonn verfügt nach eigenen Angaben über einen Pool von mehr als 12.000 ehrenamtlichen Expertinnen und Experten mit praktischen Erfahrungen aus Handwerk, Handel, Wissenschaft oder dem Gesundheitswesen. Die weltweiten Einsätze der Senior Expertinnen und Experten dauern in der Regel vier bis sechs Wochen. Nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe für nachhaltige Entwicklung“ steht dabei die Aus- und Fortbildung von Fach- und Führungskräften im Ausland, aber auch in Deutschland im Fokus. Kontakt: Bettina Hartmann, Leiterin Abteilung Experten, 0228 26090-70, E-Mail: b.hartmann@ses-bonn.de, https://www.ses-bonn.de/ ses-expertein-werden „Zukunft braucht Erfahrung“ – Der Senior Experten Service

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=