Rheinisches Ärzteblatt 5/2024

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2024 17 turen an den Gelenken die Bewegungsfreiheit der Kinder ein, sodass sie in schmerzhaften Zwangspositionen verharrten. Onallah erinnert sich gut an eine dreijährige Patientin aus Afghanistan, die eine Narbenkontraktur in der Armbeuge hatte, in deren Folge die Hand an der Stirn festgewachsen war. In ihrem kurzen Leben habe sie bereits so viel Schmerz und Angst ertragen müssen, dass sie völlig verschüchtert zu ihm in die Behandlung gekommen sei. Nachdem er die Kontraktur aus der Armbeuge entfernt und die Hand von der Stirn gelöst habe, sei das Mädchen im Friedensdorf regelrecht aufgeblüht, erklärt der Chirurg. Heute sei sie ein lebensfrohes Kind, die ihren Alltag mühelos meistern kann, sagt Onallah. „Schwieriger, als Narbenkontrakturen zu entfernen, ist die Behandlung von Knochenentzündungen, die als Folge einer verschleppten Behandlung auftreten“, erklärt sein Kollege Bugariu. Häufig müssten sich die Kinder mehreren Operationen unterziehen, damit der Knochen gesäubert werden könne. Danach erfolge die Wiederherstellung des Weichgewebes. Damit verbunden sei eine lange Antibiotikatherapie. Oftmals kehre die Entzündung nach erfolgreich geglaubter Behandlung wieder. Eine Amputation sei dann die letzte Option, so der Chirurg. Aber auch urologische Erkrankungen können in den Partnerkrankenhäusern des Friedensdorfes behandelt werden. So litten viele der Oberhausener Patienten unter einer Blasenexstrophie, einer seltenen, aber schwerwiegenden Fehlbildung. Andere Kinder litten unter den Folgen einer mangelhaften Stomaversorgung im Herkunftsland, bei der statt Stomabeuteln Plastikflaschen oder Plastiktüten genutzt wurden. „Leider gibt es für diese Diagnose eine lange Warteliste“, erklärt Peppmüller Leben im Friedensdorf Sowohl Bugariu als auch Onallah empfinden die Arbeit im Friedensdorf als äußerst sinnstiftend. „Im Vergleich zu anderen Ländern leben wir in einem großen Wohlstand und ich bin froh, dass wir diesen Wohlstand hier mit den Kindern teilen, um ihnen Gesundheit zu schenken“, sagt Onallah. Derweil lassen sich die Kinder im Friedensdorf trotz ihrer schweren Erkrankungen oder Verletzungen und fern der Heimat die Lebensfreude nicht nehmen. Claudia Peppmüller erklärt, dass die Kinder in der Regel schnell neue Freunde finden. „Woher kommst du?“ fragen sich Abdul und die anderen gegenseitig und zeigen auf bunten Weltkarten ihr Herkunftsland. Oft schaffe es zwischen den Kindern Nähe, wenn sie herausfinden, dass sie zwar auf unterschiedlichen Kontinenten lebten, aber dennoch die gleichen Erfahrungen von Krieg oder Mangel gemacht hätten. Gesprochen werde im Friedensdorf meist Deutsch. Die Kinder lernten schnell, sich mit rudimentären Sätzen zu verständigen, sagt Peppmüller. Bei Neulingen dolmetschten häufig die schon länger im Dorf lebenden Kinder. Verständigungsprobleme gebe es kaum. Neben der medizinischen Hilfe in Deutschland leistet das Friedensdorf InternaSpezial Das Friedensdorf finanziert sich fast ausschließlich durch Spenden. Eine Liste der möglichen Spendenmöglichkeiten unter www.friedensdorf.de/spenden/ Spendenkonto: Friedensdorf International Stadtsparkasse Oberhausen IBAN: DE59 3655 0000 0000 1024 00 BIC: WELADED1OBH Daneben sucht das Friedensdorf Freibetten in Kliniken, Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen sowie Angehörige anderer Gesundheitsberufe, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Informationen unter: www.friedensdorf.de/helfen/ ehrenamt/ Tel.: 02064 49 74-0 E-Mail: info@friedensdorf.de Spenden und Ehrenamt im Friedensdorf tional in den Heimatländern der Patientinnen und Patienten „Hilfe zur Selbsthilfe“. Unter anderem finanziert das Friedensdorf kleinere Operationen in Usbekistan. So können in einer usbekischen Einrichtung seit 2015 unter anderem Gaumenspalten behandelt werden. „Ziel ist, dass die Kinder zur Behandlung nicht mehr nach Deutschland geflogen werden müssen, sondern vor Ort versorgt werden können“, sagt Peppmüller. Damit während des langen Aufenthalts in Deutschland die Bildung nicht zu kurz kommt, findet täglich Unterricht im Lernhaus der Hilfseinrichtung statt. Auf dem Whiteboard in einem Klassenzimmer sind die Grundrechenarten mit schwarzem Permanentstift festgehalten. Die fitten Kinder müssen darüber hinaus leichte Aufgaben in der Heimeinrichtung übernehmen. So fegen gerade ein paar kleinere Kinder mit einem zu großen Besen durch den Speisesaal. Dabei wird viel gelacht. „So gut wie alle Kinder hier stammen aus Großfamilien, bei denen sie im Haushalt mit anpacken. Zu sehr verwöhnt wird hier niemand“, betont Peppmüller. Schließlich sollen sich die Kinder nach Abschluss ihrer Behandlung wieder möglichst reibungslos in ihre Ursprungsfamilien einfügen. „Die Kinder sollen nicht von ihren Eltern entfremdet werden“, sagt die Sozialarbeiterin. Deshalb werde auch vermieden, sie in Deutschland zu sozialisieren oder zu große emotionale Bindungen zum Pflege- oder Betreuungspersonal entstehen zu lassen. Auch wenn die Kinder im Friedensdorf gemeinsam viel Spaß haben, kommt manchmal Heimweh auf. „Wann geht es nach Hause?“ ist eine der am meisten gestellten Fragen, die Abdul und seine Spielkameraden umtreibt. Denn die Vorfreude auf ihre Familien ist riesengroß. Dennoch bleiben viele der kleinen Patientinnen und Patienten dem Friedensdorf verbunden. Manche halten jahrelang Kontakt über die Ausgabe ihrer Dauermedikation im Heimatland oder melden sich auch über soziale Medien. Die Fotos dort zeigen meist geheilte Kinder mit einem glücklichen Lächeln im Kreise ihrer Lieben.

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