Rheinisches Ärzteblatt 5/2024

38 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2024 Kulturspiegel Pınar Karabulut inszeniert am Schauspiel Köln Franz Kafkas „Der Prozess“ in starken Bildern. von Jürgen Brenn Franz Kafka ist vor beinahe hundert Jahren am 3. Juni 1924 im österreichischen Kierling gestorben. Hätte sich sein enger Vertrauter und Nachlassverwalter Max Brod nicht über Kafkas Willen hinweggesetzt, wären seine Werke nie veröffentlicht worden, und der Begriff „kafkaesk“ für absurde, nicht greifbar bedrohliche Situationen hätte sich nie etabliert. Der Schriftsteller wurde 1883 in Prag geboren, wo er auch die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Seine Familie gehörte zu dem jüdischen Teil der Bevölkerung, dessen Muttersprache Deutsch war. So studierte Kafka an der Deutschen Universität Prag anfangs Chemie, dann Jura, Germanistik und Kunstgeschichte. 1906 promovierte er in Rechtswissenschaften. Daran schloss sich ein unbezahltes Rechtspraktikum am Landes- und Strafgericht an, bevor er 1908 in der halbstaatlichen Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag arbeitete. Ab 1917 schwächten Krankheiten Kafkas Gesundheit. Er litt an Lungentuberkulose, Lungenentzündung und schließlich an Kehlkopftuberkulose, die im April 1924 diagnostiziert wurde. „Der Prozess“ ist eines der unvollendeten Romanfragmente, die Kafka hinterlassen hat. Josef K. findet sich eines Tages in einer ebenso absurden, wie bedrohlichen Situation. Unvermittelt tauchen anonyme Wächter in seiner Wohnung auf und offenbaren ihm, dass er verhaftet sei. Aus welchem Grund bleibt unklar. Auch kann sich Josef K. nicht entsinnen, etwas Unrechtes getan zu haben. Die Wächter schweigen sich dazu aus. Er könne allerdings weiter zur Arbeit gehen und auch sein Leben weiterleben. Über allem schwebt dennoch ab diesem Zeitpunkt der Schatten, dass im Hintergrund eine unbekannte und undurchsichtige Justizmaschinerie gegen ihn arbeitet und seinen Prozess vorantreibt. In Pınar Karabuluts Inszenierung am Kölner Schauspiel gibt es nicht nur einen Schauspieler, der Josef K. verkörpert, sondern sechs: Alexander AngeAbsurd wie das Leben Bei der Inszenierung von „Der Prozess“ am Schauspiel Köln dienen Kulissen immer wieder als große Projektionsflächen für Videoeinspielungen. Hier im Bild zu sehen sind Bekim Latifi als Josef K. und Nicolas Streit als ungebetener Wächter. Foto: Krafft Angerer letta, Nicola Gründel, Yvon Jansen, Lola Klamroth, Bekim Latifi und Sabine Waibel, die sich in ihren roten Hosenanzügen mehr und mehr gleichen. In manchen Szenen fließen die Figuren regelrecht ineinander, und es ist nicht leicht auszumachen, wer gerade Josef K., wer seine Geliebte Leni, sein Onkel oder eine der weiteren Figuren ist, bei denen Josef Hilfe oder auch nur Informationen über seinen Prozess sucht. Ähnlich halt- und hilflos muss sich Kafkas Nachlassverwalter Max Brod gefühlt haben, als er die über 160 losen Blätter in Händen hielt, auf denen der Autor den Roman zum Teil stenografisch niedergeschrieben hatte. Die Blätter waren weder nummeriert noch war Brod klar, welche Teile Kafka als fertig, halbfertig oder noch im Anfangsstadium befindlich ansah. Max Brod überarbeitete nach Kafkas Tod das Werk, verschob Sätze, ließ Fragmentarisches aus und ordnete die Teile nach Gefühl. Die Inszenierung überlässt es den Zuschauern, sich einen Reim auf die aneinander gereihten Begegnungen, Mono- und Dialoge zu machen und die choreografisch anmutenden Bewegungsabläufe der Protagonisten zu deuten. Klar ist, dass Josef K. durch die Ankündigung, dass ihm der Prozess gemacht wird, zu einem gehetzten Menschen wird, dessen Welt immer weiter auseinanderbricht. Nichts, was bisher als verlässlich erschien, hat jetzt noch Bestand. Am Ende ist Josef so zermürbt, dass er mit seinem Todesurteil einverstanden ist, obwohl er immer noch nicht weiß, was ihm eigentlich zur Last gelegt wird. Informationen unter www.schauspiel.koeln unter Tel.: 0221 2212-8400. Oberhausener Kurzfilmtage zeigen historische Sportfilme Auf 70 erfolgreiche Jahre können die „Internationalen Kurfilmtage Oberhausen“ zurückblicken. Sie finden dieses Jahr vom 1. bis 6. Mai im „Lichtburg Filmpalast“, Elsässer Straße 26, Oberhausen statt. Insgesamt 117 Filme wurden für die fünf Wettbewerbe ausgewählt, 45 davon für den internationalen Wettbewerb, 16 Produktionen für den deutschen, elf für den NRW Wettbewerb. Im Kinder- und Jugendwettbewerb laufen 35 Beiträge sowie zehn Musikvideos. Als Preisgeld stehen 40.000 Euro zur Verfügung. In vielen Filmen stehen aktuelle Krisen im Vordergrund: Es geht um Kriege, Klimawandel, Mensch und Natur sowie Flüchtlingsbewegungen. Als Sonderthema zeigen die diesjährigen Kurzfilmtage ein großes Programm historischer Sportfilme, unter anderem aus dem Ruhrgebiet. Mit dabei ist ein Film aus dem Jahr 1926 über ein Sportfest in Essen. Die Oberhausener Kurzfilmtage gelten als ältestes Kurzfilmfestival der Welt. Es wurde 1954 vom Leiter der Oberhausener Volkshochschule Hilmar Hoffmann zusammen mit dem Filmclub Oberhausen gegründet. Aus etwa 6.000 Einsendungen aus 90 Ländern wurden die Beiträge ausgewählt. Jedes Jahr treffen auf dem Festival Filmemacher, Produzenten, Studierende der Filmhochschulen und interessierte Zuschauer zusammen. Es gibt Begegnungen an den Festivalorten mit den Beteiligten und jeden Abend auch Diskussionsrunden im „Festival Space“. Weitere Informationen und Tickets unter www.kurzfilmtage.de und während des Festivals im Berthold-Brecht-Haus, Langemarckstr. 19–21, Oberhausen, Tel.: 0208 8253-061, E-Mail: guestoffice@kurzfilmtage.de. rh

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