Rheinisches Ärzteblatt 5/2024

Mein Beruf Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 /2024 47 Foto: Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf Kilian Sturm studierte Medizin im thüringischen Jena. Seine Weiterbildung zum Anästhesisten absolvierte er an der Maria Hilf Klinik in Mönchengladbach. Nach Ablauf seines Vertrages erwarb Sturm die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin beim ambulanten Palliativdienst „Palliative Care Team Düsseldorf“ der Stiftung EVK Düsseldorf, wo er bis heute arbeitet. Kilian Sturm, Anästhesist und Palliativmediziner „Ich gebe den Patienten ein Stück Lebensqualität zurück“ Job, Beruf, Berufung? – An dieser Stelle berichten junge Ärztinnen und Ärzte über ihren Weg in den Beruf, darüber, was sie antreibt und warum sie – trotz mancher Widrigkeiten – gerne Ärztinnen und Ärzte sind. Herr Sturm, wie sind Sie zur Palliativmedizin gekommen? Sturm: Bevor ich mich für den ambulanten Palliativdienst entschieden habe, habe ich mehrere Jahre auf einer Intensivstation mit schwer kranken Patientinnen und Patienten gearbeitet. Manchmal bekam ich dabei den Eindruck, dass wir auch mal übertherapieren, also dass die Behandlung mehr schadet als nützt. Ich lernte zu akzeptieren, dass ich nicht jeden Menschen retten kann. Fragen rund um Leben und Tod beschäftigten mich daher. In dieser Zeit habe ich auch als Notarzt gearbeitet und wurde manchmal zu schwerstkranken Patienten gerufen, die zum Beispiel aufgrund starker Schmerzen den Notruf gewählt hatten. Nach diesen Einsätzen habe ich mich oft gefragt, ob eine engmaschige ambulante Behandlung dieser Patienten nicht zielführender wäre, sodass sie den Notruf der Feuerwehr nicht als erste Anlaufstelle sehen müssen. Als mein Vertrag im Krankenhaus schließlich auslief, nutzte ich das als Chance, um mich umzuorientieren und in der Palliativmedizin weiterzubilden. Was ist das Besondere an der Arbeit im Palliative Care Team? Sturm: Als ambulanter Palliativdienst stellen wir für unsere Patienten ergänzend zur haus- und fachärztlichen Behandlung eine Versorgung rund um die Uhr sicher. Dazu arbeiten wir in einem multiprofessionellen Team, das unter anderem aus Ärzten und Pflegekräften besteht, und greifen auf ein Netzwerk aus Hospizen und stationären Palliativstationen zurück. Unsere Patienten versorgen wir Zuhause oder in Pflegeheimen, weil sie in vertrauter Umgebung sterben möchten. Unser Ziel ist, dass sie Lebensqualität bekommen und möglichst symptomarm bleiben. Dazu passen wir beispielsweise die Medikation an, wenn sich ihr Zustand verschlechtert. Darüber hinaus erhält jeder Patient von uns ein Notfallset an Medikamenten gegen akute Beschwerden wie beispielsweise Atemnot oder kämpfen. Diese sind in der Regel sehr dankbar, dass sie ihren schwerkranken Familienmitgliedern nicht hilflos beim Leiden zusehen müssen, sondern wir ihnen Hinweise für die Betreuung des Patienten an die Hand geben. Ich gehe fast jeden Tag zufrieden mit dem Wissen nach Hause, dass ich den Patienten mit meiner Arbeit ein Stück Lebensqualität zurückgebe. Wie erleben Sie die Arbeit mit sterbenden Patienten? Sturm: Fast alle Patienten, die wir betreuen, sterben auch bei uns. Nicht allen fällt es leicht, ihren bevorstehenden Tod zu akzeptieren. In diesem Fall erfordert der Umgang mit den Betroffenen besonderes Angstzustände. Als Palliativmediziner versuche ich auch, die Handlungskompetenz der Angehörigen zu stärken, die meist selbst mit Trauer, Sorgen und Ängsten Fingerspitzengefühl. Ich versuche dann in langen Gesprächen ein Vertrauensverhältnis zu schaffen, sodass beim Patienten auch das Vertrauen in unsere Arbeit steigt. Für meine Patientengespräche nehme ich mir bewusst Zeit. Manchmal kommen wir ins Plaudern und sprechen dann auch über persönliche Themen wie die Enkelkinder, Politik oder Fußball. Bei manchen Patienten kommen Todeswünsche auf. Das nehme ich sehr ernst und gehe diesem Wunsch in längeren Gesprächen auf den Grund. Häufig stellt sich dabei heraus, dass die Patienten aus dem Leben scheiden wollen, weil sie Angst vor Symptomen haben oder bereits unter Atemnot und Schmerzen leiden und nicht gut symptomkontrolliert sind. Wenn dann aber die Medikation entsprechend angepasst wurde, tritt dieser Wunsch oft in den Hintergrund. Für mich ist es wichtig, dass die Menschen vor ihrem Tod eine selbstbestimmte und möglichst leidensfreie Zeit verbringen, bis sie friedlich in ihrem Zuhause versterben. Gibt es etwas, dass Sie an Ihrem Beruf stört? Sturm: Manche Menschen sind etwas irritiert, wenn ich ihnen von meinem Beruf als Palliativmediziner erzähle und fragen, warum ich mich den ganzen Tagen mit Sterbenden befasse. Häufig stellen sie sich diese Arbeit als sehr deprimierend vor. Zudem herrscht der Irrglaube, dass sich unsere Arbeit auf eine reine Sterbebegleitung beschränkt. Wenn ich aber erkläre, dass die Palliativmedizin den Erhalt der Lebensqualität bei schwersten Erkrankungen zum Ziel hat, bekomme ich für meine Berufswahl große Zustimmung. Das Interview führte Marc Strohm Für mich ist es wichtig, dass die Menschen vor ihrem Tod eine selbstbestimmte und möglichst leidensfreie Zeit verbringen, bis sie friedlich in ihrem Zuhause versterben.

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