Rheinisches Ärzteblatt 6/2023

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2023 Magazin – Studium und Berufseinstieg Nicht weil ich irgendeine Klausur vermasselt oder zu viele Fehltermine gesammelt hätte, sondern aufgrund von mehreren Überlegungen: Ich will verstehen und anwenden können, statt den Stoff des Physikums einfach auswendig zu lernen. Ich will Präp-Tutor sein, um als netter Besserwisser anderen und mir die Anatomie des Körpers besser erklären zu können. Ich will mehr Zeit für mich haben, mehr Sport treiben, über meinen Tellerrand hinausblicken und vielleicht eine neue Sprache lernen. Ich lese die vorangegangenen drei Sätze dieses Textes erneut und merke das „Ich will“ sticht heraus. Mich beschleicht der Gedanke, dass das andere Studierende vielleicht auch wollen, aber nicht können. Ich kann mir diese Zeit nur nehmen, weil ich mental und körperlich gesund bin, weil ich tolle Freunde und eine liebevolle Freundin habe, weil ich unterstützende Eltern habe, weil ich auf Ersparnisse zurückgreifen kann, weil ich eine Wohnung habe, weil ich noch nie in einer echten Notlage steckte, weil ich so privilegiert bin. Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium@ aekno.de. Ich durchlaufe gerade das vierte Semester und stehe vor dem ersten Staatsexamen, dem Physikum oder wie es offiziell heißt, dem ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung. Links und rechts spürt man Panik aufkommen, aber noch spricht niemand darüber. Die Prüfung ist zu etwas geworden, dessen Name nicht genannt werden darf. Und alle Muggel wünschten sich, dass man Du-weißt-schon-was mit einfacher Magie besiegen könnte. Nur werden es immer mehr und längere Zaubersprüche, dickere Bücher und vor allem weniger Zeit. Ich werde Du-weißt-schon-was wie Harry Potter nicht im ersten Band endgültig besiegen können, hoffentlich aber auch nicht erst im siebten. Aber ein Semester länger als die Regelstudienzeit nehme ich schon jetzt in Kauf. Mail aus Bonn Lüko Fischer Foto: privat Praktisches Jahr Umfrage offenbart hohe Arbeitsbelastung Nachtdienste und Arbeitszeiten zwischen 40 und 50 Stunden pro Woche sind im Praktischen Jahr (PJ) keine Seltenheit. Dies ergab die Online-Umfrage „PJ-Barometer 2023“ des Marburger Bundes (MB). Im Rahmen der Befragung haben rund 1.700 Medizinstudierende im PJ sowie Ärztinnen und Ärzte, bei denen dieser Abschnitt des Studiums nicht länger als drei Jahre zurückliegt, Angaben zu ihren Erfahrungen im ersten Tertial des PJ gemacht. 55 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, zwischen 40 und 50 Stunden pro Woche im Krankenhaus zu verbringen. Fünf Prozent arbeiteten mehr als 50 Wochenstunden. Knapp die Hälfte der Befragten gab an, mindestens einmal pro Monat Nacht- oder Wochenenddienste zu leisten. Die PJler würden überall dort eingesetzt, wo sie in der Versorgung gerade gebraucht würden. Dies sei der angespannten Personaldecke in den Kliniken geschuldet, so der MB. Pauline Graichen, Vorsitzende des Sprecherrates der Austausch Über den Tellerrand sehen Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd) organisiert seit Jahren den internationalen Austausch von Medizinstudierenden, die eine Famulatur, ein Forschungspraktikum oder einen Public-Health-­ Austausch während des Studiums planen. Der bvmd pflegt Kontakte in knapp hundert Länder rund um den Globus und vermittelt nach eigenen Angaben jährlich etwa 400 Medizinstudierenden einen Auslandsaufenthalt. Ebenso viele Studentinnen und Studenten aus anderen Ländern betreuen die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des bvmd während ihres Aufenthalts in Deutschland. Dabei beschränkt sich das Austauschprogramm nicht allein auf die reine Vermittlung von internationalen Universitäten, sondern sieht sich als „Bildungsprogramm“. Workshops zu Themen, die vor Ort wichtig sind, eine lokale Betreuung durch Studierende im Gastland sowie die Möglichkeit, das jeweilige Gesundheitssystem kennenzulernen, gehören zum Programm. Daneben bietet der bvmd für Kurzentschlossene eine Restplätze-Börse. Zahlreiche Erfahrungsberichte von Medizinstudierenden, die bereits einen Auslandsaufenthalt hinter sich haben, geben weitere nützliche Hinweise zu den Partnerländern und -universitäten. Informationen unter www.bvmd.de/ unsere-arbeit/austausch/. bre Medizinstudierenden im MB sagte: „Die Lehrkrankenhäuser und Unikliniken sind zu einer guten praktischen Ausbildung gesetzlich verpflichtet. Wir erwarten, dass sie diesen Auftrag erfüllen und Studierende im Praktischen Jahr nicht wie billige Hilfskräfte behandeln.“ Dagegen bewerteten über die Hälfte der Befragten die Qualität der Lehre im ersten PJ-Tertial als gut bis sehr gut. Weitere 31 Prozent als befriedigend. Über zwei Drittel der PJler fühlen sich von ihren ärztlichen Kolleginnen und Kollegen wertgeschätzt. Auch finden während des PJ 61 Prozent der Befragten ausreichend Zeit zum Selbststudium, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage. An der Umfrage beteiligten sich zu zwei Drittel Medizinstudentinnen oder junge Ärztinnen. Dies entspreche dem aktuellen Frauenanteil unter den Medizinstudierenden, so der MB. Alle Ergebnisse des PJ-Barometers 2023 unter www.marburger-bund.de. bre

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