Gesundheits- und Sozialpolitik 22 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2023 Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten schaffen – auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Ressourcen knapper werden. Dies war eines der zentralen Themen des 17. Gesundheitskongresses des Westens, der am 3. und 4. Mai in Köln stattgefunden hat. Gemäß dem diesjährigen Motto – „Raus aus dem Krisenmanagement – rein in eine nachhaltige Zukunft!“ – diskutierten Expertinnen und Experten aus Gesundheitswesen und -wirtschaft über Perspektiven nach knapp drei Jahren im Zeichen der Coronapandemie. von Thomas Petersdorff „Mehr als 85 Millionen Arztfälle 2022 allein in Nordrhein sprechen eine deutliche Sprache: Garant der ambulanten Versorgung ist die niedergelassene Vertragsärzteschaft“, betonte Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), zum Auftakt des diesjährigen Gesundheitskongresses des Westens. Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung präsentierte der KVNO-Chef einen Zehn-Punkte-Plan, wie eine hochwertige und patientennahe Versorgung auch in Zukunft sichergestellt werden kann (siehe Kasten). Die Zeit zum Handeln dränge, denn veränderte Voraussetzungen in der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit sowie die weitere Ambulantisierung stellten Herausforderungen dar, die mit den tradierten Instrumenten nicht zu bewältigen seien. Mehr Steuerung und Koordination Nach Einschätzung Bergmanns wird es vor allem darum gehen müssen, Drehtüreffekte in den Praxen zu vermeiden. Mit rund 20 Arzt-Kontakten pro Patient und Jahr falle die Frequenz in Deutschland derzeit aber gut doppelt so hoch aus wie im europäischen Ausland. Allein in Nordrhein sei deren Anzahl im letzten Jahr um drei Millionen gestiegen. Entlastungspotenzial für die Niedergelassenen sieht der KVNO-Chef in einer effizienteren Steuerung und Koordination gepaart mit arbeitsteiligen Ansätzen wie bei der Delegation. Ergänzend müssten hausärztliche und fachärztliche Behandlungszentren als Teampraxen ausgebaut und gefördert werden. Zeit für fairen Wettbewerb Die Vorschläge der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, den ambulanten Notdienst zu einem 24/7-Service auszubauen, kritisierte Bergmann vor dem Hintergrund ohnehin knapper Ressourcen als „realitätsfern“. „Statt die verfügbare Arztzeit zu strapazieren, brauchen wir ein ressourcenorientiertes, gestuftes und gesteuertes Vorgehen, das nach dem Erstkontakt über die 116 117 auch digitale Angebote wie etwa Videosprechstunden beinhaltet. Wie im stationären Sektor müssen die Vorhaltestrukturen im ambulanten Notdienst und in der Regelversorgung finanziert werden“, forderte Bergmann. Größtes Problem aus Sicht des KVNOChefs ist die unzureichende finanzielle Ausstattung des ambulanten Sektors: „Den gestiegenen Anforderungen an die Praxen steht eine systematische Unterfinanzierung gegenüber, die die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zunehmend vor existenzielle Probleme stellt.“ Schon heute bestehe ein Defizit von rund acht Milliarden Euro. Bergmann plädierte deshalb für einen „schnellen, verbindlichen und langfristig angelegten Plan zur Beseitigung der seit Jahren herrschenden Unterfinanzierung und Benachteiligung der Praxen gegenüber dem stationären Bereich“ – dies nicht zuletzt auch als positives Signal für den vertragsärztlichen Nachwuchs. Ein Nachsteuern bei der Finanzierung sei umso wichtiger, als mit der Ambulantisierung tatsächlich ein wertvoller Beitrag zu einer hochwertigen, kosteneffizienten und schnelleren Patientenversorgung geleistet werden könne. Bestes Beispiel aus Sicht Bergmanns ist das ambulante Operieren, wo der geltende AOP-Vertrag bei der Vergütung auf Bundesebene falsche Impulse setze. Hier wie für den Erfolg der Ambulantisierung insgesamt sei aber entscheidend, dass faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt und dieselben Leistungen auch zu denselben Preisen entgolten würden. Sektorengrenzen aufweichen Ein wichtiger Punkt aus Sicht des KVNOVorstandsvorsitzenden war schließlich das Thema der sektorenübergreifenden Versorgung. Für mehr Versorgungssicherheit beOhne Kooperation geht es nicht – Schlaglichter auf die ambulante Versorgung von morgen Um eine hochwertige Patientenversorgung in Zukunft garantieren zu können, müssten sowohl strukturelle Ungleichheiten zwischen ambulantem und stationärem Sektor abgebaut als auch die Inanspruchnahme der Praxen besser gesteuert werden, erklärte Dr. Frank Bergmann (l.) beim Gesundheitskongress des Westens. Foto: Amelung | KVNO
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