Rheinisches Ärzteblatt 6/2023

Gesundheits- und Sozialpolitik Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 /2023 23 nötige man gestufte Modelle, die eine bessere Koordinierung zwischen hausärztlicher und fachärztlicher Praxis auf der einen und den Krankenhaus-Ambulanzen auf der anderen Seite beförderten. „Statt starrer Grenzen zwischen den Bereichen sind transsektorale Ansätze erforderlich, um dem gestiegenen Versorgungsbedarf kooperativ begegnen zu können“, sagte Bergmann. Dafür nötig sei aber eine Reihe struktureller Veränderungen, die nur in ihrer Gesamtheit eine nachhaltige Wirkung entfalten könnten. Als selbstständige Unternehmer seien die Niedergelassenen für Investitionen in die Zukunft der Versorgung auf Planungssicherheit angewiesen. Delegation zunehmend wichtiger Größere Anstrengungen bei der Fortbildung von Medizinischen Fachangestellten (MFA) forderte KVNO-Vize, Dr. Carsten König. Die zunehmende Konzentration in der ambulanten Versorgung mache es immer wichtiger, ärztliche Leistungen an qualifiziertes Fachpersonal zu übertragen. „Delegation ist heute ein wichtiges Steuerungsinstrument und kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, bei starker Inanspruchnahme die Aufgaben in den Praxen effizienter zu verteilen. Umso wichtiger ist es, dass die Weiterbildung der MFA besser gefördert wird. Vor allem mit Blick auf die angespannte Finanzlage der Praxen darf Delegation aber nicht zu Honorarkürzungen bei den Kolleginnen und Kollegen führen“, so König. Hier müsse ein entsprechender Rahmen geschaffen werden. Zwar gelte der Beruf der MFA unter jungen Menschen noch immer als sehr attraktiv, bisher gelinge es aber zu wenig, ausgebildete Fachkräfte auch in den Praxen zu halten. Für den KVNO-Vize könnten Fortbildungen an dieser Stelle neue Anreize schaffen: „Wir müssen unseren MFA neue Perspektiven geben – das heißt: Aussicht auf Weiterentwicklung und neue Herausforderungen. Dann bleiben sie den Praxen auch erhalten.“ Synergien im Notdienst Der sich abzeichnende Arztzeitmangel macht sich nicht nur in den Praxen bemerkbar. Neben der Regelversorgung ist es vor allem der Notdienst, dem die angespannte Personalsituation zusetzt. Statt einer Ausweitung des Angebots und Diskussionen über Zuständigkeiten im Rahmen der geplanten Notdienstreform brauche es einheitliche Vorgaben für mehr Steuerung, sagte Nina Hammes, Geschäftsführerin der KVNO. grenzen hinaus. Als KVNO wollen wir diese Strukturen nutzen, um gemeinsam neue Versorgungskonzepte zu erproben und – bei gesicherter Finanzierung – in die Regelversorgung zu übernehmen“, so Bördner. Den Nachwuchs im Blick Das Thema Versorgungssicherheit griff Linda Pawelski, Leiterin der Abteilung Nachwuchsförderung Ärzteschaft und MFA bei der KV Nordrhein, auf. Als Gründe für den derzeitigen Wandel machte die Expertin den in der jüngeren Ärzteschaft weit verbreiteten Wunsch nach mehr Flexibilität und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus. „Die Erwartungen an das Berufsleben sind heute andere als noch vor 30 Jahren. Das müssen wir anerkennen und dürfen nicht den Fehler begehen, der jüngeren Generation Strukturen aufzudrängen, die heute für viele nicht mehr zeitgemäß sind. Sinnvoller ist es, die neuen Ansprüche ernst zu nehmen und auf sich abzeichnende Entwicklungen frühzeitig und mit den passenden Angeboten zu reagieren“, so Pawelski. Für die KV Nordrhein sei es daher eine zentrale Säule des eigenen Förderportfolios, den Nachwuchs früh engmaschig zu begleiten, mit den Trends zu arbeiten und neben finanziellen Anreizen auch durch gezielte Information – wie zum Beispiel im Rahmen der Landpartie – zu unterstützen. Thomas Petersdorff ist Pressereferent bei der KV Nordrhein. „Bisher wurde zu viel Fokus auf die Frage nach der Oberhoheit über den gemeinsamen Tresen gelegt. Versorgung im Notdienst ist aber keine Machtfrage, sondern eine Frage des Machens – und damit kooperativ. Das zeigt auch die Erfahrung: Wenn die Zusammenarbeit funktioniert, ist das ein Gewinn für alle Beteiligten“, betonte sie. Synergien sieht Hammes unter anderem bei der 116 117, die als zentrales Steuerungselement virtuell mit der 112 verknüpft werden müsse, um Anrufende in die passende Behandlungsschiene zu leiten. Ähnlich wie Bergmann forderte sie, ergänzend auch telemedizinische Angebote wie die Videosprechstunde auszubauen und als weitere Säule im Notdienst zu implementieren. Chancen der Vernetzung Mit der Frage, ob bessere Strukturen auch eine bessere Versorgung bedeuten, beschäftigte sich Jonas Bördner, Leiter des Bereichs Gesundheitspolitik und strategische Sicherstellung der KVNO. In Anbetracht der Tatsache, dass von den insgesamt 94 Mittelbereichen Nordrheins aktuell 87 für weitere Niederlassungen im hausärztlichen Bereich geöffnet seien, müssten dringend neue Konzepte her, bilanzierte Bördner. „Um mit der laufenden Entwicklung Schritt zu halten, müssen wir zunehmend auch auf innovative Formate setzen. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die Vernetzung – innerhalb der Vertragsärzteschaft, aber auch über die Sektoren1. Arzt-Patienten-Kontakte nachhaltig reduzieren 2. Hausärztliche und fachärztliche Behandlungszentren als Teampraxen fördern 3. Ambulantisierung fördern und gestufte Versorgungsmodelle Hausarzt–Facharzt–Krankenhaus-Ambulanz entwickeln 4. Versorgung zwischen den Sektoren durchlässig und kooperativ gestalten 5. Digitalisierung sinnvoll aus- und Bürokratie abbauen 6. Notdienst ressourcenorientiert und kooperativ gestalten 7. Finanzierung der Vorhaltestrukturen in der Regelversorgung wie auch im ambulanten Notdienst 8. Entbudgetierung des ambulanten Systems und nachhaltige Finanzierung der ärztlichen Leistungen sowie der Delegations- beziehungsweise der Team-Leistungen 9. Völlige Überarbeitung und Neuorientierung der Vergütungsstruktur 10. Förderung und nachhaltige Umstellung des Finanzierungsmodells der ambulanten Weiterbildung im haus- und fachärztlichen Bereich sowie in der Psychotherapie Zehn-Punkte-Plan für einen nachhaltigen Wandel in der ambulanten Versorgung

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