Rheinisches Ärzteblatt 6/2024

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2024 41 Mittlerweile gebe es kaum einen Lebensbereich, den die Euregio Maas-Rhein nicht aktiv mitgestalte, sagt euPrevent-Direktorin van der Zanden. Das grenzüberschreitende Leben sei für viele Menschen in der Region selbstverständlich. Sie führen zum Studieren, Arbeiten, Einkaufen oder zum Entspannen ins Nachbarland. Ein Arztbesuch „bei den Nachbarn“ sei allerdings trotz der guten Zusammenarbeit der Länder für viele noch kein Alltag. Häufig scheuten Patientinnen und Patienten den Gang zum Arzt über die Grenze, weil für viele unklar sei, welche Leistungen in welcher Höhe erstattet würden. Die Sorge, auf den Kosten sitzen zu bleiben, begleite viele Patienten, so van der Zanden. Bisher würden sich die Patienten bei Fragen zur Kostenübernahme an die Krankenkassen wenden. Doch den Versicherern in den verschiedenen Nationen fehlt van der Zanden zufolge oftmals der Blick „über die Grenze.“ Auch über das fachärztliche Angebot jenseits der Grenze fehle es an Informationen. Um die Menschen in der Euregio besser über Gesundheitsangebote diesseits und jenseits der Grenze aufzuklären, brauche es eine unabhängige und serviceorientierte Beratungsstelle, sagt van der Zanden, wie es sie im Übrigen für das Wohnen, Arbeiten und Studieren im benachbarten Ausland bereits gebe. Van der Zanden ist 48 Jahre alt und erinnert sich noch gut zurück an ihre Kindheit im niederländischen Enschede, als die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Region noch in den Kinderschuhen steckte: „Wir sind damals zum Einkaufen oft über die Grenze nach Deutschland gegangen, aber für die Versorgung im Krankenhaus fuhren wir quer durch die Niederlande bis nach Amsterdam – dabei hatten wir im rund fünfzig Kilometer entfernten Münster ein gut ausgestattetes Universitätsklinikum in unmittelbarer Nähe.“ Der niederländische Kinderchirurg Professor Dr. Wim van Gemert lebt und arbeitet gerne in der Euregio. „Um grenzübergreifend zu arbeiten, braucht es aber Ärzte und Pfleger mit einer ‚euregionalen‘ Mentalität, die den Gang über die Grenze nicht scheuen“, weiß van Gemert. Denn häufig seien die Arbeit und der Umzug ins Nachbarland mit bürokratischen Hürden verbunden. Auch kulturelle Unterschiede am Arbeitsplatz überraschten van Gemert zu Beginn seiner Tätigkeit in Aachen. So waren die Hierarchien dort deutlich ausgeprägter als in den Niederlanden. Heute lockere sich das aber, sagt der Niederländer. ländischen Grenzregion ziehe es nun zum Einkaufen von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken in die deutschen Supermärkte. Trotz einiger Baustellen in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit ist Euregio-­ Geschäftsführer Dejozé stolz auf das bisher Erreichte. „In den drei Ländern der Euregio werden wir nie das gleiche Gesundheitssystem haben, aber wir können uns in kleinen Schritten aufeinander zubewegen“, meint er. Ein großer Erfolg sei beispielsweise die grenzübergreifende Unfall- und Krisenbewältigung EMRIC. Dabei unterstützen sich die öffentlichen Dienste in der Euregio beispielsweise bei Brandbekämpfung, Infektionsschutz und der Notfallversorgung. Im Grenzgebiet seien ausländische Rettungskräfte in manchen Fällen schneller vor Ort als die eigenen, weshalb vor allem in diesem Bereich eine Kooperation zwingend notwendig sei, erklärt Dejozé. Jährlich überqueren knapp 900 Rettungswagen die Grenzen, um in den Nachbarländern schnelle Hilfe zu leisten. Viele Regelungen seien allerdings bisher eher „pragmatisch“ getroffen worden. „Juristisch steht noch viel Arbeit an“, so Dejozé. In internationalen Arbeitsgruppen wurde und wird nach wie vor unter anderem abgesprochen, welche Befugnisse und Qualifikationen Notärzte und Notfallsanitäter in den verschiedenen Nationen besitzen müssen. gewesen, erklärte das belgische Landesinstitut für Kranken- und Invalidenversicherung (LIKIV). Ferner habe IZOM zu Diskriminierung geführt, weil Ostbelgier in Deutschland Leistungen in Anspruch nehmen konnten, die im übrigen Belgien nicht von der Krankenkasse erstattet werden, so zum Beispiel Akupunktur. Daneben klagten Kliniken und Ärzte über Wettbewerbsverzerrung. So sei es für belgische Patienten preiswerter, in Deutschland einen Arzt aufzusuchen, weil dort keine Selbstbeteiligung anfalle. Anstelle von IZOM trat in der Folge das OstbelgienAbkommen in Kraft: Ein Besuch bei deutschen Ärzten ist seither in der Regel auf „Privatrechnung“ oder per Kostenerstattung möglich. Die Aufkündigung des IZOM-Abkommens sei insbesondere für die deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien ein schwererer Schlag gewesen, sagt Euregio-­ Geschäftsführer Dejozé. Durch IZOM konnten diese Patientinnen und Patienten sich in Praxen und Krankenhäusern in Deutschland unkompliziert in ihrer Muttersprache behandeln lassen. Durch die Ostbelgien-Regelung ist dies auch in vielen Fällen weiterhin möglich – bei bestimmten Erkrankungen müssten einige Patienten aber in wallonische Krankenhäuser gehen, wo sie sich auf Französisch verständigen müssten. Gemeinsam entscheiden Wie wichtig die Zusammenarbeit in der Euregio Maas-Rhein ist, habe insbesondere die Coronapandemie gezeigt: Zu Beginn der Pandemie war die Grenze zwischen den Niederlanden und Belgien geschlossen. Darunter hätten insbesondere ältere Menschen gelitten, die von Angehörigen jenseits der Grenze gepflegt wurden. Die enge Zusammenarbeit in der Grenzregion habe dazu geführt, dass für diese Menschen schnell Sonderregelungen gefunden werden konnten, berichtet Brigitte van der Zanden, Direktorin von euPrevent, einem Netzwerk der Euregio MaasRhein zur Gesundheitsförderung. Sie hat aber auch Beispiele dafür, was geschieht, wenn die Länder sich beispielsweise bei Präventionsmaßnahmen nicht abstimmen. Nachdem die Niederlande das Mindestalter für den Konsum von Bier von 16 Jahren auf 18 erhöhten, organisierten die niederländischen Jugendlichen ihre Partys eben in Deutschland oder Belgien, wo Bier weiterhin ab 16 Jahren erhältlich ist. Einen ähnlichen Effekt beobachtet van der Zanden aktuell bei der Anfang des Jahres in Kraft getretenen niederländischen Zuckersteuer: Bewohner der niederForum Die Euregio Maas-Rhein umfasst Regionen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Für eine bessere medizinische Versorgung der Menschen arbeitet man dort grenzüberschreitend zusammen. Foto: Jarretera/stock.adobe.com

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