12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2023 Thema – 127. Deutscher Ärztetag Gar so eindeutig wurde die nunmehr notwendig erscheinende Verknüpfung von Freiheit und gesundheitspolitischer Verantwortung nicht immer verstanden. So lehnte bei Gründung des Gemeinsamen Bundesausschusses vor fast 20 Jahren die Bundesärztekammer (BÄK) unter der Präsidentschaft von Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe noch eine Beteiligung an dem neuen Gremium ab. Damals schien der Gegensatz zwischen freier Ausübung der ärztlichen Profession und der Mitgliedschaft in dem von Hoppe zunächst als „Rationierungsverwalter“ apostrophierten G-BA unüberbrückbar. Die Sorge war groß vor einer mit ärztlicher Freiberuflichkeit unvereinbaren Zuteilungsmedizin. Allerdings brach sich in der Folge allmählich die Überzeugung Bahn, dass eine Beteiligung der BÄK am zentralen Selbstverwaltungsgremium im deutschen Gesundheitswesen unverzichtbar sei. Bereits der Deutsche Ärztetag 2011 forderte in einer Kehrtwende die vollberechtigte Beteiligung am G-BA. Mittlerweile hat sich der ehemals wahrgenommene Widerspruch zur Freiberuflichkeit aufgelöst. Grundsätzlich sei die gesundheitspolitische Einbindung der Ärzteschaft „die Voraussetzung für eine medizinisch-wissenschaftliche, qualitativ hochwertige, auf ethischen Normen und Werten beruhende, verantwortliche und patientenorientierte Neuausrichtung der Gesundheitsversorgung“, heißt es nun auch in der Essener Resolution. Diese Einbindung wird in einem weiteren Beschluss des Essener Ärztetages präzisiert: Danach sollen alle Landesärztekammern sowohl in den Krankenhausplanungsausschüssen als auch in den Gremien zur sektorenübergreifenden Versorgung mit Sitz und Stimme beteiligt werden, die Bundesärztekammer soll im G-BA und seinen Unterausschüssen stimmberechtigt einbezogen werden. Mit Sitz und Stimme im G-BA Die Forderung nach Sitz und Stimmrecht im G-BA stieß allerdings bei den dort mit Stimmrecht vertretenen Organisationen schon in der Vergangenheit auf wenig Begeisterung. Aktuell lässt denn auch der GKVSpitzenverband verlauten: „Die ambulant wie auch die stationär tätigen Ärztinnen und Ärzte werden durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung im G-BA sehr gut vertreten“ – eine Sichtweise, die sich sicherlich nur wenige der stationär tätigen Ärztinnen und Ärzte zu eigen machen werden. Und wenig überraschend kommt aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Auskunft, dass „eine solche Gesetzesänderung gegenwärtig nicht in Aussicht gestellt werden kann“. Das aktuell geltende Beteiligungsrecht ermögliche der Bundesärztekammer, fachliche und berufspolitische Positionen unmittelbar in den Beratungs- und Entscheidungsprozess des G-BA einzubringen, heißt es dort. Dieses Beteiligungsrecht der BÄK gehe sogar über das Stellungnahmerecht anderer Verbände und Berufsgruppen Foto: Khunatorn/stock.adobe.com Freiheit und Verantwortung Wer die Freiheit des ärztlichen Berufs erhalten will, muss sich auch um die Rahmenbedingungen kümmern, unter denen das ärztliche Handeln erfolgt. So lautet komprimiert eine der Kernbotschaften des 127. Deutschen Ärztetages Mitte Mai in Essen. „Die Ärzteschaft fordert eine systematische und strukturelle Einbindung bei allen gesundheitspolitischen Prozessen, Reformvorhaben und Gesetzesverfahren“, heißt es in der „Essener Resolution für Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“, die auf breite Zustimmung bei den Ärztetags-Delegierten traf – genauso wie die Forderung nach stimmberechtigter Beteiligung am Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). von Thomas Gerst
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