Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 /2023 13 Thema – 127. Deutscher Ärztetag Matheis, betont hatte. Ärztinnen und Ärzte dürften gemäß Berufsordnung „keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit ihren Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können“. Sie müssten, betonte Matheis, die Freiheit haben, auf die Einzigartigkeit der Patientinnen und Patienten einzugehen – frei von Weisung anderer und „egal in welchem Setting man tätig ist“. Grenzen der Kommerzialisierung In diesem Zusammenhang zeigte sich Bundesverfassungsrichter Peter Müller irritiert über eine Äußerung des Bundesgesundheitsministers auf der Eröffnungsveranstaltung des 127. Deutschen Ärztevon Leistungserbringern hinaus. Das Verfahren hat sich aus Sicht des BMG bewährt. Eine etwaige Erweiterung des G-BA-Beschlussgremiums um einen festen Sitz der Heilberufekammern mit Stimmrecht würde nicht nur im Gegensatz zum bestehenden Selbstverwaltungssystem des SGB V stehen, sondern könnte eine Entscheidungsfindung durch die zunehmende Zahl der beratungs- beziehungsweise stimmberechtigten Mitglieder weiter erschweren oder unmöglich machen, warnt das Ministerium. Unterstützung für die gesundheitspolitischen Ansprüche der Bundesärztekammer gab es hingegen beim 127. Deutschen Ärztetag von Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht und ehemaliger Ministerpräsident des Saarlands; als Gastredner sprach er den Ärztetags-Delegierten zum Tagesordnungspunkt „Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ aus dem Herzen. „Wenn Sie sich ansehen, wie tiefgreifend die Entscheidungen des G-BA in Ihr Handeln eingreifen“, wandte er sich an die Delegierten, „muss es doch selbstverständlich sein, dass diejenigen, die davon betroffen sind, mit Sitz und Stimme in dem Gremium vertreten sind.“ Der Gesetzgeber sei grundsätzlich klug beraten, wenn er bei den von ihm zu treffenden Entscheidungen den Sachverstand von denen, die es betrifft, einbeziehe. Freiberuflichkeit unter Druck Als Richter am Bundesverfassungsgericht wies Müller pflichtschuldig darauf hin, dass der Begriff der Freiberuflichkeit im Grundgesetz nicht zu finden sei. Aber dort gebe es Leitplanken, die eine Beurteilung damit einhergehender Sachverhalte ermöglichten. Müller sieht die Freiberuflichkeit aktuell in mehrfacher Hinsicht unter Druck, als da seien Kommerzialisierung, Bürokratie und nicht zuletzt eine deutlich wahrnehmbare EU-Strategie, die auf die Gleichstellung freiberuflicher und sonstiger gewerblicher Tätigkeit abziele. Für ihn selbst seien jedoch Freiberuflichkeit und die damit einhergehende Selbstverwaltung eine wertvolle und dringend erforderliche Ressource. Müller verwies auf die Definition des Bundesverbands der Freien Berufe: „Angehörige Freier Berufe erbringen auf Grund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im gemeinsamen Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit. Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifischen berufsrechtlichen Bindungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das zum Auftraggeber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt.“ Diese Kriterien gelten Müller zufolge in gleichem Maße für selbstständig und angestellt tätige Ärztinnen und Ärzte – ein Sachverhalt, den zuvor auf dem Deutschen Ärztetag bereits der Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Dr. Günther Peter Müller, Richter im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts: „Wir müssen ernst machen mit der immer wieder genannten Entbürokratisierung.“ Foto: Jürgen Gebhardt tages. Karl Lauterbach hatte eine Reform des Medizinstudiums angekündigt, nach der künftig ein Teil des Praktischen Jahres verpflichtend in einer Arztpraxis abgeleistet werden soll. „Dies zeige“, hatte Lauterbach betont, „wie wichtig uns die Freiberuflichkeit ist“. Nicht allein bei Müller ließ das Zweifel aufkommen am richtigen Verständnis des Gesundheitsministers von § 1 der Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte: „Der ärztliche Beruf ist … seiner Natur nach ein freier Beruf“. Allerdings scheint der Gesundheitsminister mit diesem Missverständnis innerhalb der ärztlichen Profession nicht allein zu sein. „Wir müssen deut- licher kommunizieren, was der Unterschied zwischen Freiberuflichkeit und Selbstständigkeit ist“, merkte selbstkritisch der Präsident der Ärztekammer Berlin, Dr. Peter Bobbert, bei der späteren Diskussion an.
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