16 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2023 Die Ärztekammer Nordrhein war Gastgeberin des 127. Deutschen Ärztetages. Im Herzen des Ruhrgebietes trafen die Delegierten der 17 Landesärztekammern zusammen, um im Schwerpunkt über Freiberuflichkeit, Gesundheitskompetenz, Klimaschutz und Digitalisierung zu diskutieren. Wie die nordrheinischen Delegierten den heimischen Ärztetag in Essen ganz persönlich erlebt haben, schilderten sie dem Rheinischen Ärzteblatt. Unsere nordrheinischen Delegierten waren ausgesprochen gut vorbereitet und haben eine sehr ökologische DiskussionsKultur an den Tag gelegt: weniger Anträge, kurze Diskussionsbeiträge und keine Verwaltungsschleifen, die von unserer Kammer ausgelöst wurden. Mir persönlich waren in diesem Jahr zwei Themen sehr wichtig. Zum einen die Fachkräfteversorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen – angesichts des anhaltenden Trends zu mehr Teilzeitarbeit werden wir sehr viel mehr Ärztinnen und Ärzte benötigen – und zum anderen die Anpassung der Gesellschaft, vor allem der vulnerablen Gruppen, an den Klimawandel. Das ist auch ein maßgebender Impuls, der von diesem Ärztetag ausgehen kann, nämlich dass Klimaschutz auch Sache der Ärzteschaft ist. Das Ruhrgebiet zeigte sich bei „unserem“ Deutschen Ärztetag in Essen von seiner besten Seite. Im Gedächtnis bleiben werden die mahnenden Erinnerungen an die NS-Zeit mit der bewegenden Verleihung der Paracelsus-Medaille an den Überlebenden der Shoah Dr. Leon Weintraub und die Ausstellung „Fegt alle hinweg“ in der alten Synagoge Essen. Von zentraler Bedeutung für unseren Berufsstand bleibt die Verabschiedung der „Essener Resolution für Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ nach dem herausragenden Vortrag des Verfassungsrichters Peter Müller. Ich freue mich zudem, auf kommenden Ärztetagen weiterhin Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimaschutz und Entstaubung der Selbstverwaltung anzupacken. „Einfach machen“ ist hier die Devise! Beeindruckt hat mich das Statement von Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, über die grundsätzliche Bedeutung der Freiberuflichkeit der Ärzteschaft als elementare Säule der demokratischen Kultur. Die Freiberuflichkeit bedeutet Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl. So sind Ärzte und Ärztinnen verpflichtet, für und mit ihren Patienten den besten Weg zu finden, ohne dem Einfluss von politischen oder ökonomischen Interessen zu unterliegen. So forderte uns Peter Müller auf, die Freiberuflichkeit und die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit zu begreifen, sondern sie aktiver zu leben. Dazu gehört zwingend auch die Pflege der Debattenkultur in den Parlamenten – ob im Bund, im Land oder auf dem Ärzte- tag – mit einem verpflichtenden Diskurs in einer Pro- und Contra-Debatte und dem Ziel, einen gemeinsamen Konsens zu finden. Lob hat hier das demokratische Verfahren mit allen Beteiligten in der Krankenhausplanung NRW gefunden. Gerügt wurde die fehlende Debattenkultur mit allen Beteiligten auf Bundesebene unter dem Druck des Reformstaus in Berlin. Demokratie braucht die Streitkultur, respektvoll und wertschätzend, der Sache dienend, um einen Konsens zu finden. Lasst uns wieder den Diskurs wagen, lasst uns wieder streiten. Als Essener und Mitglied des Ausschusses zur Vorbereitung des Ärztetages bleiben mir die überraschten Gesichter und die positiven Berichte meiner Kolleginnen und Kollegen über die grüne Stadt Essen mit ihrer besonderen Vielfalt in Erinnerung. Insgesamt wurde der Ärztetag durch Themen geprägt, die tatsächlich primär die Ärzteschaft angingen, was nach den Veränderungen durch die Pandemie sicherlich erforderlich, aber medial nicht unbedingt öffentlichkeitswirksam war. Weniger positiv bleiben mir die Akustik und die digitale Abstimmung in Erinnerung, die noch nicht den Ansprüchen der Delegierten genügte. Dass die Herausforderung der Gesundheitsbildung erst jetzt in der Politik angekommen ist, macht Thema – 127. Deutscher Ärztetag Ärztetag in Nordrhein: Freiberuflichkeit als höchstes Gut „Der Fachkräftemangel und die Anpassung vor allem der vulnerablen Gruppen an den Klimawandel waren für mich zentrale Themen.“ Bernd Zimmer (Wuppertal) Foto: Jochen Rolfes „Beeindruckt hat mich Verfassungsrichter Peter Müller: Wir dürfen Freiberuflichkeit nicht als Selbstverständlichkeit begreifen. “ Professor Dr. Gisbert Knichwitz (Bonn) Foto: Jochen Rolfes „Im Gedächtnis bleiben die mahnenden Erinnerungen an die Vertreibung und Ermordung jüdischer Ärztinnen und Ärzte in der NS-Zeit.“ Dr. Sven Dreyer (Düsseldorf) Foto: Jochen Rolfes
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