Rheinisches Ärzteblatt 7/2023

30 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2023 Anamnese wurde die Patientin der ASA-­ Risikogruppe II zugeordnet. Es lag bei der unter 1,60 m großen Patientin eine Adipositas Grad I mit Body-Mass-Index von 32 kg/m2 vor. Da die Patientin nach einer vorausgegangenen Narkose unter Husten gelitten hatte, wurde eine Intubation mit Endotrachealtubus der Größe 7,0 mm Innendurchmesser geplant und durchgeführt. Die Anästhesie zum Eingriff in Steinschnittlagerung dauerte 60 Minuten. Der Anästhesieverlauf war unauffällig. Nach Beendigung des Eingriffs und der Anästhesie wurde die Patientin zunächst im Aufwachraum überwacht und dann im stabilen Allgemeinzustand auf die Normalstation zurückverlegt. Sechs Stunden nach Anästhesieende wurde im Pflegebericht notiert, dass die Patientin mäßig blutig abhustete und Halsschmerzen bestanden. Knapp eine Stunde später erfolgte im Verlaufsbericht der Eintrag, dass der anästhesiologische Oberarzt die Patientin visitiert und keinen Handlungsbedarf gesehen hatte. Angeordnet wurde demnach: „Bei Beschwerdepersistenz bis morgen: HNO-ärztliche Vorstellung, bei Befundverschlechterung sofortige Vorstellung“. Für den ersten postoperativen Tag wurde im Verlaufsbericht ein stabiler Allgemeinzustand notiert. Die Patientin klagte über Halsschmerzen. Eine Blutung wurde verneint. Angeordnet wurde eine Analgesie und Dobendan®-Lutschtabletten sowie eine Verlaufskontrolle. Auch am zweiten postoperativen Tag wurden Halsschmerzen notiert. Der Rachen habe sich reizlos gezeigt. Seitlich wurde ein Hautemphysem getastet. Im Hinblick auf einen möglichen Intubationsschaden wurde die Patientin dem Chefarzt vorgestellt. Dieser veranlasste eine Computertomografie des Halses und des Thorax; die Bilder sollten in einer Lungenklinik zur Befundung vorgelegt werden. Um einer Mediastinitis vorzubeugen, wurde eine Antibiotikatherapie mit Tazobac® 4,5 g dreimal täglich angeordnet. Die Patientin wurde noch am gleichen Tag durch die Lungenklinik übernommen. Dort erfolgte eine Bronchoskopie, die eine sechs Zentimeter lange Verletzung der Tracheahinterwand, einen Zentimeter oberhalb der Karina endend, bestätigte. Zu diesem verklebt gewesen seien. Durch fraktioniertes Aufblasen mit Luft mittels einer 10-mlSpritze, wobei der Tubus in situ belassen worden sei, sei es gelungen, die Verklebung zu lösen. Der Cuffdruck sei anschließend ohne Probleme mittels Manometer auf 30 mbar einstellbar und nachfolgend stabil geblieben. Er führt weiterhin an, dass eine routinemäßige Kontrolle der Cufffunktion vor Intubation laut Herstellerempfehlungen im Hause nicht mehr durchgeführt werde. Der Narkoseverlauf sei unauffällig gewesen. Vor der Extubation habe er ein blindes Absaugen des Pharynx mittels Katheter durchgeführt. Hierbei sei nur wenig, leicht blutig tingiertes Sekret mobilisiert worden. Er sei von einer kleinen Schleimhautläsion durch die Absaugung ausgegangen. Die Patientin habe bis zur Verlegung auf die Normalstation keine Auffälligkeiten mehr gezeigt. Am Abend sei berichtet worden, dass sie leicht blutig tingiertes Sekret ausspucke. Bei der umgehenden Visite habe die Patientin ein pharyngeales Fremdkörpergefühl angegeben und besorgt leicht blutig tingierte Papiertücher gezeigt, die jedoch keinen Handlungsbedarf erfordert hätten. Er habe mit dem anwesenden Arzt vom Dienst der Chirurgie abgesprochen, dass man eine Kältekrause anlegen, die Patientin nur schluckweise klare Flüssigkeit trinken und eine Analgesie mit Ibuprofen und lokalanästhetischer Lutschtablette erhalten solle. Er habe bei Befundpersistenz für den Folgetag ein hals-nasenohrenärztliches Konsil angeordnet, bei Befundverschlechterung umgehend. Am Folgetag sei die Patientin beschwerdefrei gewesen. Am zweiten postoperativen Tag habe sich ein collares Hautemphysem gezeigt, woraufhin man notfallmäßig eine Computertomografie veranlasst habe. Diese ergab den Verdacht auf eine stattgehabte Trachealverletzung, sodass die Patientin umgehend in eine Lungenklinik zur operativen Sanierung verlegt wurde. Sachverhalt Die anästhesiologische Besprechung und Aufklärung über die geplante Intubationsnarkose erfolgten fünf Tage vor dem Eingriff. Bei weitgehend unauffälliger Vor der Intubation einer Patientin oder eines Patienten muss die Funktionstüchtigkeit von Tubus und Laryngoskop sorgfältig kontrolliert werden. Dabei muss auch das Blockungssystem auf seine Dichtigkeit hin überprüft werden [1]. Das Unterlassen dieser Überprüfung wird als grober Behandlungsfehler bewertet. von Ludwig Brandt, Doris Tritschler und Beate Weber Die Gutachterkommission hatte sich kürzlich mit dem Vorwurf einer fast 40-jährigen Patientin zu befassen, die bei einem Eingriff im April 2021 eine Trachealverletzung mit Hautemphysem erlitt. In ihrem Begutachtungsantrag führte die Antragstellerin aus, dass sie nach dem Eingriff Blut gehustet und starke Schmerzen im Hals verspürt habe. Am Folgetag sei Luft unter ihrer Haut im Gesichts-, Hals-, und Brustbereich tastbar gewesen. Am zweiten postoperativen Tag habe man durch eine Computertomografie eine Luftröhrenverletzung festgestellt und sie daraufhin in eine andere Klinik zur Operation verlegt. Seit der Luftröhrenverletzung leide sie unter Atemproblemen, einer Bewegungsstörung im Halsbereich sowie unter Kopfschmerzen und Ängsten. Sie sei seit dem Eingriff unfähig, laut zu sprechen, und könne nicht normal essen. Die große Narbe im Halsbereich erinnere sie immer wieder an den Eingriff. Stellungnahme Der als Oberarzt in der belasteten Klinik tätige Anästhesist beschreibt in dem Ereignisbericht, den er am zweiten postoperativen Tag verfasste, dass er nach regelgerechter Narkoseeinleitung und Abwarten des Wirkeintritts des Muskelrelaxans Mivacurium eine direkte Laryngoskopie mit problemloser endotrachealer Intubation prompt und unter direkter Sicht durchgeführt habe. Das Aufblasen des Blockungssystems sei dann nicht regelgerecht möglich gewesen, da die Wände des Pilotballons miteinander Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission, Folge 138 Endotrachealtubus vorab nicht auf Funktionstüchtigkeit geprüft

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