Rheinisches Ärzteblatt 7/2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 /2023 31 und vom 24.06.1975 – VI ZR 72/74). Entscheidend für die Beweislast ist also, ob objektiv eine Gefahr bestand, deren Quelle jeweils hätte festgestellt werden können und die objektiv beherrschbar war. Zum voll beherrschbaren Risikobereich zählt nach der Rechtsprechung auch der Zustand der bei der Behandlung verwendeten medizinischen Geräte. Eine Verletzung der Trachealschleimhaut stellt ein nicht immer vermeidbares methodenimmanentes Risiko der endotrachealen Intubation dar – vorausgesetzt, die Anästhesiedurchführung erfolgte korrekt und das weitere Vorgehen war unauffällig. Hinsichtlich der medikamentösen Anästhesieleitung, der Auswahl des Endotrachealtubus und der Beurteilung der anatomischen Gegebenheiten lassen sich in dem hier zu bewertenden Fall keine Fehler feststellen. Bei der Patientin kam es zu einer Trachealverletzung im Bereich der sogenannten Pars membranacea der Trachea, die besonders anfällig für Verletzung ist, da eine stabilisierende Wirkung der Knorpelspangen in diesem Bereich, der an den Ösophagus angrenzt, fehlt. Die Spitze eines Endotrachealtubus kann bei der Intubation mit der Hinterwand in Kontakt geraten und diese stumpf traumatisch verletzen. Durch die Blockierung der Abdichtungsmanschette, des sogenannten Cuffs, kann in diesem Bereich leichter eine Überdehnungsverletzung eintreten. Welcher Verletzungsmechanismus im hier zu begutachteten Fall zur Trachealruptur führte, kann ex post nicht mehr festgestellt werden. Dem vom Anästhesisten am zweiten postoperativen Tag erstellten Ereignisbericht ist allerdings zu entnehmen, dass nach unauffälliger Platzierung des Trachealtubus das Aufblocken des Pilotballons nicht regelrecht gelang. Die Wände des Pilotballons seien miteinander verklebt gewesen, es sei daher fraktioniert Luft mittels einer 10-ml-Spritze verabreicht worden; hierdurch habe sich die Verklebung gelöst, und der Cuffdruck sei anschließend mittels Manometer auf 30 mbar eingestellt worden. Eine routinemäßige Kontrolle der Cufffunktion werde laut Herstellerempfehlung im Hause nicht mehr durchgeführt. Hierzu ist Folgendes anzumerken: Ein Endotrachealtubus ist ein Medizinprodukt. Seine Verwendung unterliegt somit den in der europäischen „Medical Device Regulation“ (EU Nr. 2017/745) formulierten Voraussetzungen. In der dritten aktualisierten m angelnde Narkosetiefe und Muskelrelaxation, beispielsweise durch Unterdosierung der verwendeten Narkosemittel V erwendung ungeeigneter zu kleiner/ zu großer oder gefährlicher Endotrachealtuben mit Carinasporn oder Hochdruckblockierungsmanschette V erwendung von steifen Metallmandrins als Intubationshilfe f alsche Anwendung geeigneter Intubationshilfen, beispielsweise mit über die Tubusspitze hinausragender Mandrinspitze m angelnde Erfahrung und Geschicklichkeit des intubierenden Arztes Die Verletzung der Luftröhre ist kein spezifisches Risiko einer Intubationsnarkose. Vielmehr kann eine solche Verletzung auch durch Überdruck in den Atemwegen, beispielsweise beim Husten oder Pressen, oder durch Einführen einer Magensonde entstehen. Eine Trachealwandruptur ist auch nach Anwendung einer Larynxmaske beschrieben worden. Klinische Symptome einer Verletzung der Trachealwand sind Schmerzen im Hals- und Brustbereich, vor allem Husten. Eventuell kommt blutig tingierter Auswurf hinzu. Kommt es zu einer Druckerhöhung in den Atemwegen, wie zum Beispiel beim Husten, tritt Luft in das die Trachea umgebende Gewebe aus und ein Mediastinal- und Hautemphysem entsteht. Leitsymptome des sich ausbreitenden Weichteilemphysems sind das Anschwellen des Gesichts, des Halses und des oberen Thoraxbereichs, verbunden mit einem charakteristischen „Knistern“ der Haut. Durch die weitere Ausbreitung kann es auch zu einer Einengung der Atemwege, vor allem im Mund- und Rachenbereich, kommen. Bewertung Rechtlich relevant ist hier, ob eine feststellbare Fehlfunktion des Endotrachealtubus vorgelegen hat, die zu der iatrogenen Trachealverletzung geführt hat. Steht nämlich fest, dass die Gesundheitsschädigung der Patientin aus einem voll beherrschbaren Bereich herrührt, hat der in Anspruch genommene Arzt zu beweisen, dass der ordnungswidrige Zustand des Tubus nicht von ihm oder einem seiner Gehilfen verschuldet ist oder jedenfalls eine gebotene Überprüfung des Tubus vor dessen Einsatz stattgefunden hat (§ 630 h Abs. 1 BGB; BGH v. 18.12.1990 – VI ZR 169/90 Zeitpunkt lagen ein Mediastinal- und Weichteilemphysem vor. Es wurde eine transzervikale transtracheale Übernähung durchgeführt. Am Folgetag konnte die Patientin auf die Intensivstation der belasteten Klinik zurückverlegt werden, wo sie fünf Tage verblieb. Nach weiteren sieben Tagen auf der Normalstation konnte die Patientin nach komplikationslosem Verlauf entlassen werden. Trachealläsionen Eine durch die Intubation verursachte Läsion der Trachealschleimhaut beziehungsweise eine Trachealruptur ist ein extrem seltenes Ereignis, das in der medizinischen Literatur lediglich in Form von Einzelfallberichten erwähnt wird, dennoch aber jedem Anästhesisten bekannt sein sollte, wenn er nur lange genug praktisch tätig ist. Trachealwandverletzungen können auch im Zusammenhang mit Intubationen auftreten, die der intubierende Arzt als vollkommen unauffällig und leicht durchführbar erlebt. Immer wieder gibt es Berichte von Kollegen, wonach Patienten trotz schwierigster Intubationsbedingungen beziehungsweise mehrfacher Intubationsversuche unter Zuhilfenahme verschiedenster mehr oder weniger gefährlicher Intubationshilfsmittel postoperativ noch nicht einmal über Halsschmerzen klagen. Es kommt aber auch vor, dass Patienten nach einer klinisch vollkom- men unauffällig verlaufenden Intubation wochenlang über Halsschmerzen oder eine veränderte Stimme klagen und sich schließlich herausstellt, dass die Ary- knorpel luxiert wurden oder die Trachealwand schwer bis lebensbedrohlich verletzt wurde. Als begünstigende Faktoren für eine intubationsbedingte Schädigung kommen beispielsweise in Betracht: a natomische Umstände des Patienten, beispielsweise nicht einsehbarer Atemweg, altersbedingte Zunahme der Vulnerabilität der Haut und Schleimhäute, Begleittherapien wie antientzündliche Behandlungen mit Kortison oder Zustand nach Bestrahlung P robleme bei der Intubation und/oder Extubation D ringlichkeit des Eingriffs mit möglichst schneller Intubation bei nicht nüchternen Patienten wegen der Gefahr einer Regurgitation und konsekutiver Aspiration Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission, Folge 138

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