Rheinisches Ärzteblatt 7/2024

Juli 2024 Heft 7 / 28.6.2024 79. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts Kontroverse Debatte über das Leben Zwischen Kinderwunschbehandlung und Schwangerschaftsabbruch Ein Profi verlässt die politische Bühne Kammerpräsident Rudolf Henke zieht nach 43 Jahren Bilanz Nationale Strategie zur Suizidprävention Eine gesetzliche Grundlage für die Finanzierung fehlt Patienten besser leiten

BERATUNG AUF EINEN BLICK www.aekno.de/aerzte/beratung ARZNEIMITTELBERATUNG Dr. med. Ina Falbrede, 0211 4302 2280 ina.falbrede@aekno.de KRISENINTERVENTION NACH TRAUMATISCHEN ERFAHRUNGEN IM ÄRZTLICHEN BERUF Dr. med. Stefan Spittler, 0172 2425122 dr.stefanspittler@t-online.de BERATUNGSSTELLE FÜR SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ RAin Katharina Eibl, RAin Kristina Hessenkämper, 0211 4302 2306 katharina.eibl@aekno.de, kristina.hessenkaemper@aekno.de MOBBINGBERATUNG Stefanie Esper M. A., 0211 4302 2204 stefanie.esper@aekno.de SUBSTITUTIONSGESTÜTZTE BEHANDLUNG OPIOIDABHÄNGIGER Jo Shibata, 0211 4302 2213 stefan.kleinstueck@aekno.de BERUFSRECHTLICHE BERATUNG 0211 4302 2303 rechtsabteilung@aekno.de CIRS-NRW – PATIENTENSICHERHEIT Judith Singer, 0211 4302 2218 judith.singer@aekno.de GOÄ Dr. med. Anja Pieritz, Dr. med. Kerrin Prangenberg, Sevda Thomas 0211 4302-2133, -2134, -2135 goae@aekno.de GRENZVERLETZUNGEN UND MISSBRAUCH Dr. med. Axel Herzog, Dr. med. Elisabeth Lüking, Nadja Rößner, Thomas Gröning, 0211 4302 2500 patientenberatung@aekno.de INTERVENTIONSPROGRAMM FÜR ABHÄNGIGKEITSKRANKE ÄRZTE Dr. med. Stefan Spittler, 0172 2425122 dr.stefanspittler@t-online.de KRANKENHAUSPLANUNG IN NORDRHEIN-WESTFALEN RAin Lilian Becker, 0211 4302 2115 krankenhausplanung@aekno.de PATIENTENBERATUNG Dr. med. Axel Herzog, Dr. med. Elisabeth Lüking, Nadja Rößner, Thomas Gröning 0211 4302 2500 patientenberatung@aekno.de PRÄVENTIONSGESETZ Sabine Schindler-Marlow, Snezana Marijan 0211 4302 2010, -2031 snezana.marijan@aekno.de ARBEITSSICHERHEIT UND BETRIEBSMEDIZIN Stefanie Esper M. A., 0211 4302 2204 stefanie.esper@aekno.de MEDIZINETHISCHE BERATUNG (GRÜNDUNGSAUSSCHUSS) Stefan Kleinstück, 0211 4302 2208 ethikberatung@aekno.de QS-STRAHLENSCHUTZ Dr. med Birgit Hallmann 0211 4302 2290 qsradnr@aekno.de WEITERBILDUNG Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden Sie auf der Internetseite www.aekno.de/weiterbildung denisismagilov/stock.adobe.com, Ed Telling/istockphoto.com, fizkes/stock.adobe.com, Alvaro Heinzen/istockphoto.com, Till Erdmenger, jeremias münch/stock.adobe.com, wavebreakmediaMicro/stock adobe.com, PeopleImages/istockphoto.com, wavebreakmedia/ istockphoto.com, Vassiliki Latrovali, Viktor_ Gladkov, pressmaster/stock. adobe.com, unsplash/gettyimages, alvarez/istockphoto.com, Minerva Studio/Fotolia, virtua73/Fotolia, Westend61/Fotolia

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 3 Heft 7 • Juli 2024 Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes Mehr Sorgfalt Ende März dieses Jahres trat das umstrittene Krankenhaustransparenzgesetz in Kraft, das die anstehende Krankenhausreform flankieren soll. Herzstück des Gesetzes ist der Klinikatlas der Bundesregierung, der Patientinnen und Patienten einen übersichtlichen Wegweiser durch die Krankenhauslandschaft in Deutschland und damit eine Entscheidungshilfe für die Klinikauswahl geben soll. Doch diesem Anspruch wird der Klinikatlas auch drei Wochen nach dem Go-Live nicht gerecht. Falsche Fallzahlen, falsche Angaben zu Personal, Notfallversorgung und Leistungen, für Laien unverständliche Erklärungen zur Methodik und fehlende Begründungen für die Auswahl der vorläufig ausgewiesenen Zertifikate verunsichern Nutzerinnen und Nutzer. Es mehren sich die Stimmen derjenigen, die fordern, die Website entweder mit dem Hinweis zu versehen, dass es sich um eine Testversion handelt oder diese bis zur Aufbereitung aktueller Daten vom Netz zu nehmen. Die Kritik wäre vermeidbar gewesen, wenn im Vorfeld Daten ausreichend geprüft und Pretests in Piloteinrichtungen durchgeführt worden wären. Wenn Sorgfalt vor Schnelligkeit gegangen wäre. Nun ist zu befürchten, dass sich diese Vorgehensweise auch bei der Krankenhausreform mit noch größerem Schaden wiederholt. Am 15. Mai hat das Bundeskabinett die Krankenhausreform (KHVVG, Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz) beschlossen. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden sich noch vor der Sommerpause mit einem Gesetz befassen müssen, ohne dass die wirtschaftlichen Folgen für einzelne Kliniken, gerade jene auf dem Land, im Vorfeld seriös berechnet worden sind. Die Auswirkungen der neuen Finanzierungssystematik sind kaum absehbar. Auch fehlt weiterhin eine Modellierung für die ärztliche Weiterbildung. Sinkt die Zahl der Weiterbildungsstätten drastisch, stellt das sowohl eine Schwächung der Krankenhäuser gerade in ländlichen Regionen dar, als auch eine Gefahr für die zeitnahe und qualitativ hochwertige Weiterbildung angehender Fachärztinnen und Fachärzte. Da wir in NRW bei unserer Krankenhausplanung – anders als im Bund – als Ärztekammern mit an der Gestaltung aktiv teilhaben konnten, ist es uns gelungen, dass sich die geplanten 60 Leistungsgruppen so weit wie möglich an der Systematik der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren. Entgegen der Absprache zwischen Bund und Ländern, die 60 Leistungsgruppen aus NRW zu übernehmen, ist es bei der Übertragung der Qualitätskriterien für die 60 Leistungsgruppen im jetzigen KHVVG-Gesetzesentwurf zu Änderungen gekommen. Teils werden Qualitätsanforderungen fachlich nicht nachvollziehbar abgesenkt, teils verschärft, mit der Folge, dass entweder Qualitätsverluste in der Versorgung hinzunehmen wären, oder aber dass bestimmte Leistungsgruppen nur noch von sehr wenigen Krankenhäusern angeboten werden könnten. Für Patientinnen und Patienten wären damit nicht nur lange Wege, sondern auch lange Wartezeiten verbunden. Die fünf zusätzlichen Leistungsgruppen (die im NRW-Plan nicht enthalten sind) sind in der vorgelegten Form noch ungeeignet und die dazu geforderten Facharztzahlen von vielen, auch qualitativ guten Krankenhäusern nicht zu realisieren. Der Minister hat seine Reform unter das Motto „too big to fail” gestellt. Das legitimiert aber nicht, eine schlecht gemachte Krankenhausreform mit enormen Auswirkungen auf die Patientenversorgung vorzulegen. Im Sinne der Patientinnen und Patienten wäre mehr Sorgfalt wünschenswert.

Polyneuropathien: Ursachen, Symptome, Diagnostik, Therapie Mittwoch, 03. Juli 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Unterschiedliche Ätiologien und DD der Polyneuropathien – ein Überblick • Klinisch-neurologische Untersuchungen und Befunde und deren Interpretation • W as tun, wenn die Nerven schmerzen? – Therapiemöglichkeiten und Auswirkungen der Erkrankung auf den Alltag der Erkrankten • Besonderheit atypischer Polyneuropathien – aktueller Stand PD Dr. med. Oliver Kastrup, Prof. Dr. med. Helmar Lehmann, Prof. Dr. med. Til Menge MHBA, FAAN, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Mark Stettner, Dr. med. Martina Levartz MPH Rauchstopp und Tabakentwöhnung – Beratungsmethoden und motivierende Gesprächsführung Freitag, 30. August 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Das ABC der evidenzbasierten Tabakentwöhnung • Tabakentwöhnung in der Hausarztpraxis – wie kann das gelingen? • Patientenkurse zur Tabakentwöhnung/Erfahrungsberichte Univ.-Prof. Dr. Daniel Kotz PhD MSc MPH, Olaf Reddemann, Lisa Welmes, Özden Yerlikaja, Dr. med. Sabine Mewes Hinweis: Die vollständige Teilnahme berechtigt zur Abrechnung der Beratungsleistung über das DMP Asthma/COPD in der Region der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Neue Impulse für den Praxisalltag: Patientinnen und Patienten mit Demenz in der Arztpraxis Mittwoch, 04. September 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Demenz – ein Überblick • Unterstützungs- und Hilfsangebote für Patientinnen und Patienten sowie und Angehörige • Selbsthilfe für Angehörige – Erfahrungsbericht einer Betroffenen/eines Betroffenen Dr. med. Michael Lorrain, Monika Rueb, Dr. med. Sabine Mewes u.a. Sepsis erkennen und handeln Prävention, frühzeitiges Erkennen, Therapie und Nachsorge Mittwoch, 18. September 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Sepsis – in Erwägung ziehen und frühzeitig erkennen • (Sofort-)Maßnahmen bei Verdacht auf Sepsis • Versorgung nach der Akutbehandlung, Langzeitfolgen, Rehabilitation und Nachsorge, Präventionsmöglichkeiten • Maßnahmen zur Erhöhung der Aufmerksamkeit gegenüber dem Krankheitsbild Sepsis Univ.-Prof. Dr. med. Michael Adamzik, Dr. med. Carolin Fleischmann-Struzek, Prof. Dr. med. Stefan Schröder MHBA, Dr. med. Evjenia Toubekis, Dr. med. Sabine Mewes Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: +49 211 4302-2751 E-Mail: iqn@aekno.de Die Veranstaltungen sind kostenfrei und mit je 3 Fortbildungspunkten anerkannt! Anmeldung erforderlich: www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Internet: www.iqn.de

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 5 Patienten besser leiten Für die Einführung eines Primärarztsystems hat sich jüngst – nach dem Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege und der Krankenhauskommission von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – auch der Deutsche Ärztetag ausgesprochen. Unter anderem verspricht man sich davon eine Entschärfung des Fachkräftemangels. Debatte über das Leben Schwangerschaftsabbruch, Eizell- spende, altruistische Leihmutterschaft: Die Empfehlungen der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin haben auch auf dem Deutschen Ärztetag für Kontroversen gesorgt. „Wer etwas bewegen will, muss Mehrheiten schaffen“ Der langjährige Präsident der Ärzte- kammer Nordrhein, Rudolf Henke, will sich Ende August nicht wieder zur Wahl stellen. Mit ihm verlässt ein Politprofi die Bühne, der sich stets von seinem christlich geprägten Weltbild leiten ließ. Heft 7 • Juli 2024 Meinung Mehr Sorgfalt Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 Notfallsimulation: Trainieren für den Ernstfall · Vor 50 Jahren · Kammerwahlen: Die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte haben gewählt · NRW startet Initiative für Widerspruchslösung bei der Organspende · Kammer Online · Breites Bündnis fordert besseren Hitzeschutz · Facharztprüfung: Prüfungsvoraussetzungen müssen erfüllt sein · Studium und Berufseinstieg Thema Patienten besser leiten Seite 12 Ärztetag in Mainz setzt Zeichen für Demokratie und Pluralismus Seite 15 Spezial Debatte über das Leben Seite 18 Gesundheits- und Sozialpolitik Suizidprävention – gesetzliche Regelung angemahnt Seite 21 Niedergelassene ebnen Weg für digitale Transformation im Notdienst Seite 22 Interview „Wer etwas bewegen will, muss Mehrheiten schaffen“ Seite 24 Praxis Notdienstpraxis Grevenbroich: „Da steckt unser Herzblut drin“ Seite 27 Forum Ärztliche Weiterbildung: alte Probleme, neue Herausforderungen Seite 28 Erneute Diskussion um Härtefallfonds für Patienten Seite 29 Wissenschaft und Fortbildung Patientin mit belastungsabhängiger einseitiger Rötung und Hyperhidrosis des Gesichts – Folge 81 der Reihe „Zertifizierte Kasuistik“ Seite 30 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 33 RÄ Regional Seite 37 An Rhein und Ruhr Seite 40 Kulturspiegel Langsames Sterben mit Ansage Seite 41 Amtliche Bekanntmachungen Seite 42 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 43 Mein Beruf „Als Notarzt ist man Allrounder“ Seite 52 Foto: peshkow/istockphoto.com Illustration: Eberhard Wolf

Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Notfallsimulation Trainieren für den Ernstfall Rettungswagen, Schockraum, Intensivstation, sogar eine Wohnung für Einsätze in häuslicher Umgebung hält das Zentrum für angewandte Notfallwissenschaften (www.zanowi.de) in Essen Kupferdreh für Simulationstrainings bereit. „Wir üben hier möglichst lebensnah mit Original-Material“, betonte der Ärztliche Leiter des Zentrums, Dr. Frank Sensen, anlässlich des Besuchs des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, Ende Mai. Das Fortbildungsangebot der Einrichtung sei interdisziplinär ausgerichtet und ziele insbesondere auf Rettungssanitäter, Feuerwehrleute sowie Ärzte und Pflegekräfte. Es gehe darum, möglichst realistisch Notfallsituationen zu trainieren, sich aber auch auf Ausnahmelagen wie den Massenanfall von Verletzten vorzubereiten, erläutert Sensen. „Unsere klinische Simulation bietet das Erleben von Risikositua- tionen in den Abteilungen der Notfall- und Akutversorgung, zum Beispiel im Kreißsaal, im Schockraum oder in der Anästhesie“, so Sensen. Ziel sei es, die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder auch ganzer Teams zu trainieren und damit die Patientensicherheit zu verbessern. Notfalltrainings in der Anästhesie und Intensivmedizin umfassten beispielsweise kardiozirkulatorische und respiratorische Notfälle, Notfälle bei unerwünschten Medikamentenwirkungen, aber auch die sichere Teamkommunikation in solchen Situationen. Auch Rudolf Henke betonte in Essen die große Bedeutung von Training und Erfahrung des medizinischen Personals für die Patientensicherheit. Diese sei nicht zu überschätzen, sagte Henke. HK Berlin AUA sorgt für Turbulenzen beim 77. Deutschen Ärztetag Die „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Ärzte“, kurz AUA, wirbelte den 77. Deutschen Ärztetag im Jahr 1977 in Berlin kräftig durcheinander. Dies berichtete das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) in seiner Ausgabe vom 10. Juli 1977. „Die ‚außerparlamentarische Opposition‘, die sich in Berlin schwach in der Argumentation, aber lautstark in ihrer Agitation gegen den Ärztetag zusammengefunden hatte“, sprengte durch „Geschrei, Sprechchöre, Megaphone und vereinzelt auch durch Handgreiflichkeiten“ die Beratungen am ersten Sitzungstag. Die AUA bestand hauptsächlich aus jüngeren Berliner Krankenhausärzten, die vormals im Berliner Landesverband des Marburger Bundes aktiv waren. Diesen Verband hatte „die MBBundeshauptversammlung noch kurz vor dem Ärztetag mit überwältigender Mehrheit aus ihren eigenen Reihen ausgeschlossen“, berichtete das RÄ. Vor allem unter jüngeren Ärztinnen und Ärzten hatte die AUA „gutgläubige Sympathisanten“ gefunden, deren „Meinungen und Ansichten in den entscheidenden Punkten irreal oder unakzeptabel sind.“ Der RÄ-Berichterstatter kritisierte, dass die Medien „genüßlich“ über die Aktivitäten dieser Minderheitsgruppen berichteten, die „,mutig‘ gegen die ‚verkrusteten‘, ‚egoistischen Standesideologen‘ den Aufstand probten.“ In der thematischen Sacharbeit des 77. Deutschen Ärztetages spielte die AUA allerdings keine Rolle. bre Rauchen Warnung vor E-Zigaretten E-Zigaretten gefährden die Gesundheit. Darauf hat die Bundesärztekammer (BÄK) anlässlich des Weltnichtrauchertages am 30. Mai hin- gewiesen, der in diesem Jahr darauf zielte, Kinder und Jugendliche vor dem Einfluss der Tabakindustrie zu schützen. Das in den meisten E- Zigaretten enthaltene Nikotin könne die Hirnentwicklung negativ beeinflussen und abhängig machen, warnte die BÄK. Zudem enthielten sie krebserregende Substanzen und könnten die Atemorgane und das Herz-Kreislauf-System angreifen. Dazu komme, dass das Risiko, später auf Tabakzigaretten umzusteigen bei jungen E-Zigaretten-Konsumenten dreimal höher sei als bei ihren abstinenten Altersgenossen. Hier gelte es, noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten, forderte die BÄK. HK 116 117 Serviceangebot nicht ausgeschöpft Fast 1,5 Millionen freie Arzttermine, die die Praxen in den vergangenen zwölf Monaten an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen gemeldet haben, blieben ungenutzt, teilte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) mit. Eine stärkere Nutzung der Vermittlungsangebote der Terminservicestellen unter der Rufnummer 116 117 oder über die Webseite www.116117.de könne die „gefühlte Terminknappheit spürbar abmildern“, so das Zi. Allerdings könnten angesichts des Fachkräftemangels auch über die 116 117 nicht immer alle Terminwünsche erfüllt werden. HK Simulation im Schockraum: Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein (l.) und der Ärztliche Leiter des ZaNowi, Dr. Frank Sensen, am Bett eines schwer verletzten Patienten aus Silikon. Foto: ÄkNo

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 7 Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und Zusatz-Weiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 2. September bis 6. September 2024. Anmeldeschluss: Mittwoch, 17. Juli 2024 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo CIRS-NRW Information muss verständlich sein Informationen in Beipackzetteln müssen rein optisch gut lesbar und dürfen nicht zu lang sein, damit sie ihren Zweck erfüllen können, ein Mehr an Sicherheit für die Patientinnen und Patienten zu erreichen. Darauf weist der Bericht des 1. Quartals von CIRS-NRW hin (www. cirsmedical.de). In einem Fall war der Käufer eines CoronaTests zunächst fälschlicherweise von einem positiven Befund ausgegangen, weil er die Schrift der Anleitung nur mithilfe einer Lupe entziffern konnte. Ein weiterer Fall zeigte exemplarisch das Problem, dass Beipackzettel zwar in der Regel die formaljuristischen Anforderungen einer vollumfänglichen Aufklärung erfüllen und damit den Hersteller haftungsrechtlich entlasten. Dem Anwender nützen sie jedoch häufig nicht, weil die Informationsfülle zu groß ist und es an Verständlichkeit mangelt. HK Nordrhein Die Ärztinnen und Ärzte haben gewählt Die Ärztinnen und Ärzte im Rheinland haben ihre Vertreterinnen und Vertreter gewählt. Damit sind die Weichen für die ärztliche Selbstverwaltung in den nächsten fünf Jahren gestellt. Die vorläufigen Wahlergebnisse werden am 29. Juni 2024, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe des Rheinischen Ärzteblatts, auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein (www.aekno.de) veröffentlicht. Am 15. Juli 2024 wird der Hauptwahlleiter das Ergebnis der Wahl zur Kammerversammlung und der Präsident der Ärztekammer Nordrhein die Ergebnisse der Wahl zu den Kreisstellenvorständen amtlich bekannt geben. Die Wahlbekanntmachungen werden auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein unter der Rubrik Amtliche Bekanntmachungen veröffentlicht. Gemäß der Wahlordnung kann jedes wahlberechtigte Kammermitglied innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntmachung des NRW regelt Cannabiskontrolle Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat Regeln und Bußgelder zur Cannabiskontrolle veröffentlicht. Außerdem hat sie klargestellt, wie die im Konsumcannabisgesetz der Bundesregierung vorgeschriebenen Konsumverbote in Gegenwart von Kindern und Jugendlichen auf Großveranstaltungen umgesetzt werden sollen. Um den Schutz insbesondere von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, sollen die vom Bund festgelegten Besitzmengen, Konsum- und Werbeverbote konsequent durchgesetzt werden. So kann der Cannabiskonsum in Verbotszonen mit 50 bis 500 Euro oder der Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen mit 300 bis 1.000 Euro geahndet werden. HK Kurz gemeldet Rekord bei Ausgaben für Arzneimittel Der Verband der Ersatzkassen hat auf drastische Ausgabensteigerungen bei Arzneimitteln hingewiesen. Umgerechnet auf die gesamte gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zeichneten sich von Januar bis April Mehrausgaben in Höhe von zwei Milliarden Euro ab. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr 2024 dürften sich die Mehrausgaben für die GKV auf sechs Milliarden Euro belaufen. Zu den Gründen hieß es, die Kostenexplosion bei patentgeschützten Arzneimitteln setze sich fort. Von den knapp 53 Milliarden Euro, die 2023 für Arzneimittel ausgegeben wurden, sei jeder zweite in patentgeschützte Medikamente geflossen. Der Anteil an den Verordnungen liege jedoch nur bei knapp zehn Prozent. HK Werbeverbot für Alkohol gefordert Größere Anstrengungen in der Alkoholprävention hat die Bundesärztekammer (BÄK) gemeinsam mit weiteren Gesundheitsorganisationen Anfang Juni zum Auftakt der Aktionswoche Alkohol 2024 gefordert. Dazu gehöre insbesondere der Ausbau verhältnispräventiver Maßnahmen. Auf diesem Gebiet habe Deutschland großen Nachholbedarf. Zu den Maßnahmen gehörten neben einem Werbeverbot auch die höhere Besteuerung und Bepreisung von Alkoholprodukten sowie die Einschränkung der Verfügbarkeit von alkoholischen Getränken. Die Politik stehe hier in der Verantwortung, die Menschen besser vor den negativen Folgen des Alkoholkonsums zu schützen. HK Wahlergebnisses beim Hauptwahlleiter beziehungsweise beim Präsidenten gegen die Gültigkeit der Wahl oder von Teilen der Wahl Einspruch einlegen. Im Rahmen der konstituierenden Sitzung der Kammerversammlung am 31. August 2024 um 10:00 Uhr werden dann die Präsidentin oder der Präsident, die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident sowie die 16 weiteren Vorstandsmitglieder gewählt. Die 27 Kreisstellenvorstände haben bis zum 11. September 2024 Zeit, sich zu konstituieren. cs 24. Mai bis 28. Juni 2024

Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Nordrhein-Westfalen setzt sich für die Einführung einer Widerspruchslösung bei Organspenden ein und hat zusammen mit weiteren Bundesländern Mitte Juni einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig alle Menschen in Deutschland als mögliche Organspender gelten, wenn sie dem nicht widersprechen. Das Land verspricht sich davon eine Steigerung der Zahl der Organspenden. Zurzeit warteten fast 8.400 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan, erklärte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Zugleich seien im vergangenen Jahr nur knapp 2.900 Organe von 965 Spendern transplantiert worden. „Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem vergleichbaren Niveau und das ist deutlich zu wenig“, so Laumann. Der Minister stellte zugleich klar, dass niemand zu einer Organspende gezwungen werden dürfe. Er sei aber schon der Meinung, dass die Menschen dazu verpflichtet werden könnten, eine Entscheidung für oder gegen eine Spende zu treffen. Umfragen zufolge stünden 80 Prozent der Menschen in Deutschland einer Organspende positiv gegenüber. „Wir haben aber ein Dokumentationsproblem“, erklärte Laumann. Zuletzt hatte sich auch der Deutsche Ärztetag im Jahr 2018 für die Einführung einer Widerspruchslösung ausgesprochen. HK Service Informationsangebot für Medizinstudierende wie beispielsweise das kostenfreie Abo des Rheinischen Ärzteblatts wird in der entsprechenden Rubrik angeboten. Unter „Berufsstart und Weiterbildung“ finden Medizinstudierende nützliche Informationen über die Ärztekammer Nordrhein, das Versorgungswerk Nordrheinische Ärzteversorgung sowie Links und Hinweise, die den Start ins ärztliche Berufsleben und die Weiterbildung in Nordrhein erleichtern können. Im Abschnitt „Häufig gestellte Fragen und Antworten“ finden sich Tipps rund um die erstmalige Anmeldung bei der Ärztekammer Nordrhein, die Weiterbildung und die Befreiung von der Deutschen Rentenversicherung. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail- Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein (www.aekno.de) gibt es für Medizinstudentinnen und -studenten seit vielen Jahren eine eigene Rubrik unter www.aekno. de/aerzte/studium. Die Seiten sind kürzlich komplett überarbeitet, aktualisiert und ergänzt worden. Unter der Überschrift „Studium“ finden sich unter anderem eine verlinkte Aufstellung aller Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, an denen Medizin studiert werden kann, sowie Informationen zur Landarztquote in Nordrhein-Westfalen und Wissenswertes über die Regelungen bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit an den nordrheinischen Universitäten. Eine Liste nützlicher, für Medizinstudierende kostenloser Journale Fachkräftemangel Personalressourcen effizienter nutzen Angesichts des Fachkräftemangels hat die Vizepräsiden- tin der Bundesärztekammer, Dr. Ellen Lundershausen, eine bessere Kooperation zwischen den Gesundheitsberufen angemahnt. Sie sprach bei der 36. Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen Ende Mai in Berlin. Dabei müsse auch der ineffiziente Einsatz von Fachkräften im Gesundheitswesen gestoppt werden, ergänzte Professor Dr. Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege. Ein bloßer Anstieg der Zahl der Fachkräfte könne bestehende Probleme nicht entschärfen. Die Konferenz der Fachberufe, in der mehr als 40 Berufsverbände vertreten sind, fördert seit 1989 Dialog und Zusammenarbeit. MST Leitfaden Mädchen vor Gewalt schützen Um Mädchen vor Genitalverstümmelung sowie vor Früh- und Zwangsverheiratung zu schützen, hat die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes einen Leitfaden entwickelt. Er richtet sich unter anderem an medizinische Einrichtungen. Der Leitfaden soll bei der sensiblen Gesprächsführung und beim Vorgehen in akuten Gefährdungssituationen unterstützen. Terre des Femmes zufolge leben knapp 100.000 Mädchen und Frauen in Deutschland, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden. 17.000 Mädchen gelten als gefährdet. Der Leitfaden kann unter www.frauenrechte.de (Suchwort „Handlungsempfehlung“) heruntergeladen werden. HK Organspende Nordrhein-Westfalen startet Initiative für Widerspruchslösung „Wir haben ein Dokumentationsproblem“: Zwar steht eine Mehrheit der Bundesbürger der Organ- spende positiv gegenüber, aber die wenigsten legen ihren Willen schriftlich oder digital im Organspende- Register nieder. Foto: fovito/stock.adobe.com

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 9 Fortbildung Strengere Regeln für Sponsoring Der 128. Deutsche Ärztetag hat im Mai in Mainz einer grundlegend überarbeiteten (Muster-)Fortbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte zugestimmt. Damit sollen künftig strengere Regeln für das Sponsoring von Fortbildungsveranstaltungen gelten. Unter anderem kämen bei den Anerkennungskriterien für ärztliche Fortbildungsveranstaltungen die Gebote von Neutralität, Transparenz und Unabhängigkeit stärker zum Tragen, erklärte die Bundesärztekammer (BÄK). Die Präzisierung sei notwendig geworden, weil Gerichte die bisherige Formulierung, wonach Fortbildungen frei von wirtschaftlichen Interessen sein müssten, aus Sicht der BÄK zu weit ausgelegt hätten. HK Ethikberatung Berichtigung Im Beitrag „Mobile Ethikberatung – Indikation für eine palliative Sedierung zu Hause“, Rheinisches Ärzteblatt (Heft 3/2024), ist uns bedauerlicherweise ein Fehler unterlaufen. In der Beschreibung zu den rechtlichen Grundlagen haben wir uns mit Bezug zur Eröffnung eines straffreien Wegs einer Begleitung durch ärztlich assistierten Suizid irrtümlich auf den Bundesgerichtshof (2022) bezogen. Korrekt ist der Bezug zum Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungs- gerichts, der am 26. Februar 2020 die im § 217 Strafgesetzbuch festgeschriebene Regelung für nichtig erklärte, mit der die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe gestellt worden war. ÄkNo Hitzeaktionstag Breites Bündnis fordert besseren Hitzeschutz „Hitzegefahren ernstnehmen — Hitzeschutz konsequent umsetzen“ lautete die Botschaft, mit der zum bundesweiten Hitzeaktionstag am 5. Juni mehr als 50 Organisationen und Verbände des Gesundheitswesens für einen stärkeren Ausbau des Hitzeschutzes in Deutschland plädierten. Das Bündnis, dem unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK), der Hausärztinnen- und Hausärzteverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Pflegerat sowie der GKV-Spitzenverband angehören, forderte von der Politik einen klaren gesetzlichen Rahmen für den gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie eine Integration von Hitzegefahren im Zivil- und Katastrophenschutz. „Als Ärzteschaft ist es unsere Pflicht, die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels darzulegen und Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu unterstützen“, erklärte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt anlässlich des Hitzeaktionstages in Berlin. Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach verwies auf die kürzlich vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten „Bundesempfehlungen für den Hitzeschutz in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.“ MST Anlässlich des Hitzeaktionstages fanden deutschlandweit rund 150 Veranstaltungen statt, die die Bürgerinnen und Bürger für die gesundheitlichen Gefahren durch Hitze sensibilisieren sollten. Foto: BlackSalmon/istockphoto.com Facharztprüfung Prüfungsvoraussetzungen müssen erfüllt sein Die Facharzt-, Schwerpunkt- und Zusatz- Weiterbildungsprüfungen in der Ärzte- kammer Nordrhein finden alle zwei Monate statt. Die Termine für 2024 und 2025 sind unter https://www.aekno.de/aerzte/weiterbildung/ pruefungstermine einsehbar. Um für den nächst erreichbaren Prüfungszeitraum zugelassen werden zu können, muss die Weiterbildung grundsätzlich am Anmeldeschlusstermin vollständig abgeschlossen sein. Ist das nicht der Fall, kann eine Anmeldung erst zum darauffolgenden Termin erfolgen. Eingereicht werden müssen neben dem Antragsformular Kopien der Weiterbildungszeugnisse, Kopien der Teilnahmebescheinigungen von geforderten Weiterbildungskursen sowie die Dokumentation im elektronischen Logbuch (eLogbuch). Das vollständig freigegebene eLogbuch soll spätestens zum Anmeldeschluss über die eLogbuch Applikation an die Ärztekammer Nordrhein übermittelt werden. Prüflinge erhalten spätestens 14 Tage vor dem Prüfungstermin eine persönliche Ladung, aus der der Tag, die genaue Uhrzeit und weitere Formalien hervorgehen. Prüfungsabsagen, die nach der Zustellung der Ladung erfolgen, müssen in- dividuell begründet werden. Die Entscheidung, ob die Begründung ausreichend ist (zum Beispiel ein ärztliches Attest), trifft der Prüfungsausschuss. Hält dieser die Begründung für nicht ausreichend, gilt die Prüfung als nicht bestanden. Wird sie akzeptiert, gilt die Prüfung als nicht durchgeführt. Die Ärztekammer Nordrhein stellt auf ihrer Homepage viele Informationen rund um die Weiterbildung und die Zulassungsvoraussetzungen zur Prüfung zur Verfügung. Dort findet sich auch ein Katalog mit Antworten zu den häufigsten Fragen. Ein Chat Bot beantwortet Fragen rund um die Uhr. ÄkNo

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Magazin – Studium und Berufseinstieg Mail aus Aachen Carla Schikarski Foto: privat Im Aachener Modellstudiengang gibt es ein reguläres Freisemester, das allen Studierenden entweder im achten oder neunten Semester für beliebige Aktivitäten zur Verfügung steht. Dieses Konzept gibt es so oder so ähnlich nur an wenigen anderen medizinischen Fakultäten und ist meiner Meinung nach ein großer Vorteil in Aachen. Was macht man, wenn man mitten im Studium ein Semester völlig frei zur Verfügung hat? Einige meiner Freundinnen und Freunde haben die Zeit für ein Auslandssemester genutzt, was für mich den positiven Nebeneffekt hatte, sie in Städten wie Bologna und Lausanne besuchen zu können. Ich habe eine weitere klassische Option gewählt und meine experimentelle Doktorarbeit begonnen. Nach sieben Vorlesungssemestern hat es mir sehr gut gefallen, praktische Labormethoden zu erlernen und in die Welt des wissenschaftlichen Arbeitens einzutauchen. Über das Freisemester hinaus nehme ich mir im Moment ein weiteres Jahr frei. Dieses nutze ich größtenteils für die Doktorarbeit, aber auch für meine restlichen Famulaturen, die ich in der hausärztlichen Versorgung und der Notaufnahme absolviere. Außerdem hat diese Zeitplanung es mir Deutscher Ärztetag Ärzteschaft fordert mit zahlreichen Beschlüssen Verbesserungen für das Medizinstudium Die Abgeordneten des 128. Deutschen Ärztetags, der Mitte Mai in Mainz stattfand, verabschiedeten mit großer Mehrheit einen Beschluss, der von zahlreichen nordrheinischen Abgeordneten eingebracht wurde und auf die nicht absehbaren Effekte der geplanten Krankenhausreform auf die ärztliche Ausbildung aufmerksam machte. Die Abgeordneten forderten das Bundesgesundheitsministerium auf, Stellung zu den potenziellen Auswirkungen der Krankenhausreform auf das Medizinstudium zu nehmen. Bei den derzeitigen Reformplänen stelle sich die Frage, „inwieweit mit den unterschiedlichen Klassifikationen auch verschiedene Befugnisse bezüglich der Beteiligung an der ärztlichen Ausbildung einhergehen, beispielsweise bei der Anerkennung universitärer Lehrkrankenhäuser“. Auch sei unklar, was die Umstrukturierung der deutschen Krankenhauslandschaft für die Verfügbarkeit von Ausbildungsplätzen im Praktischen Jahr (PJ) bedeute. Diese Folgewirkungen seien im aktuellen Gesetzentwurf nicht berücksichtigt, kritisierten die Abgeordneten. In einem weiteren Beschluss stärkte der Ärztetag den angehenden Ärztinnen und Ärzten im PJ erneut den Rücken. Die Abgeordneten forderten die Politik auf, für bessere Rahmenbedingungen im PJ zu sorgen. Sie kritisierten vor allem, dass es keine bundesweit einheitliche finanzielle Aufwandsentschädigung gebe. „Die durchschnittlich gezahlte Aufwandsentschädigung gibt keine Zusicherung der Kostendeckung für existenzsichernde Leistungen wie Wohnungsmiete oder Lebensmittel. Studierende müssen für ihren Lebensunterhalt sorgen können, was bei einer Vollzeittätigkeit im Praktischen Jahr ohne adäquate Aufwandsentschädigung nicht in zumutbarer Weise möglich ist“, heißt es in der Entschließung. Die Aufwandsentschädigung solle die Höhe des BAföG-Höchstsatzes abbilden. Das würde die Medizinstudentinnen und -studenten in die Lage versetzen, sich unabhängig von finanziellen Erwägungen auf die Ausbildung im PJ zu konzentrieren. Daneben forderten die Abgeordneten, die seit Langem bemängelte Fehlzeitenregelung für PJ-ler zu ändern. „Das Recht, sich krankzumelden, soll durch die Trennung von Krankheits- und Fehltagen im PJ eingebaut werden. In jedem Bundesland soll darauf hingearbeitet werden, Fehltage auch in gesplitteten Tertialen anzuerkennen, sowie klare Richtlinien für Härtefallanträge einzuführen“, heißt es in dem Beschluss. In einem weiteren Beschluss forderten die Abgeordneten Bund und Länder dazu auf, die Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung endlich umzusetzen. „Die Reform des Medizinstudiums darf auf den letzten Metern nicht daran scheitern, dass Bund und Länder sich bezüglich der Finanzierung nicht einigen können.“ Der Referentenentwurf des Gesetzes enthalte wesentliche Neuerungen, die für ein „modernes Medizinstudium unerlässlich“ seien. Das Gesetz müsse rasch umgesetzt werden, „um eine qualitativ hochwertige und patientenorientierte ärztliche Versorgung in allen Regionen Deutschlands auch in Zukunft sicherzustellen.“ Alle Beschlüsse unter www.baek.de bre ermöglicht, mir einen schon lange gehegten Wunsch zu erfüllen: Im Frühjahr habe ich Japan bereist und dort einen intensiven Sprachkurs gemacht. Für dieses Intermezzo mitten in meinem Studium bin ich sehr dankbar, denn es hat mir viele praktische und persönliche Erfahrungen abseits vom Curriculum ermöglicht, für die mir in ein paar Jahren vielleicht die Zeit fehlen wird. Gleichzeitig freue ich mich aber auch darauf, im September mit dem Blockpraktikum mein reguläres Studium fortzusetzen und ein Semester lang durch viele verschiedene Fachbereiche zu rotieren – ich werde berichten! Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizin studium@aekno.de.

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Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Vier Krankenscheine für den Besuch beim Hausarzt (für jedes Quartal einen), zwei Scheine für den Zahnarzt sowie zwei für Vorsorgeuntersuchungen: Bis zur Einführung der Krankenversichertenkarte im Jahr 1995 versendeten die Krankenkassen jedes Jahr ein Krankenscheinheft an ihre Mitglieder. Den Abrechnungsschein gab man bei der Hausärztin oder beim Hausarzt seines Vertrauens ab, diese übernahmen die Regelversorgung und überwiesen bei Bedarf zur Weiterbehandlung an Fachärzte oder ins Krankenhaus. Hielt man sich als Patient nicht an den vorgeschriebenen Weg, musste man die Anforderung weiterer Krankenscheine gegenüber der Krankenkasse begründen. Das war der Versorgungsalltag im deutschen Gesundheitswesen. Inzwischen hat die Idee, Hausärztinnen und -ärzte als Lotsen der Patienten und Koordinatoren der Behandlung einzusetzen, wieder Hochkonjunktur. Denn damit in einer Gesellschaft des langen Lebens mit steigendem Versorgungsbedarf die Gesundheitsversorgung bezahlbar bleibt und Patienten trotz sich verschärfenden Fachkräftemangels ärztlich und pflegerisch angemessen betreut werden können, muss nach Ansicht der Befürworter solcher Steuerungsmodelle dafür gesorgt werden, dass Patienten dort behandelt werden, wo es ihren Beschwerden entsprechend angemessen ist. Diese Idee greift auch der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege in seinem Gutachten von Ende April 2024 mit dem Titel „Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ auf. Er kommt darin zu dem Schluss, dass sich nur mit einer Reform der Versorgungsstrukturen der sich abzeichnende Mangel an Ärzten, Pflegenden und Medizinischen Fachangestellten kompensieren lasse. Die unzureichende Steuerung von Patientenwegen sowie die mangelnde Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren der verschiedenen Versorgungsebenen führe nicht nur in vielen Fällen zu Überversorgung, sondern trage auch zur Verschärfung der Fachkräftesituation bei, weil die vorhandenen Ressourcen nicht optimal genutzt würden. Der Rat empfiehlt deshalb unter anderem, flächendeckend ein Primärarztsystem einzuführen. Für Versicherte sollten finanzielle Anreize geschaffen werden, sich künftig in einer haus- oder kinderärztlichen Praxis einzuschreiben, die die weitere Behandlung koordiniert. Flankierend sei es ratsam, das hausärztliche Honorarsystem von Quartals- auf Jahrespauschalen umzustellen, um unnötige Patientenkontakte insbesondere von gut eingestellten chronisch Kranken zu vermeiden. Nur kurze Zeit später legte die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ Reformvorschläge für eine bessere Zusammenarbeit im Gesundheitssystem vor. Sie plädiert für den Aufbau eines Primärarztsystems aus Allgemein- und Kinderärzten, Internisten, Gynäkologen und Psychiatern zur Steuerung der Gesundheitsversorgung. „Um das System fit zu machen für die Behandlung der Baby-Boomer-Generation, müssen wir ambuFoto: peshkov/istockphoto.com/Illustration: Eberhard Wolf Patienten besser leiten Für die Einführung eines Primärarztsystems hat sich jüngst – nach dem Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege und der Krankenhauskommission von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach – auch der Deutsche Ärztetag ausgesprochen. In erster Linie geht es dabei um Hausarztmodelle, in die sich Versicherte freiwillig einschreiben können. Die Befürworter versprechen sich davon nicht nur eine Verbesserung der Behandlungsqualität und einen Abbau von Überversorgung, sondern auch eine Entschärfung des zunehmenden Fachkräftemangels bei den Gesundheitsberufen. von Heike Korzilius

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 13 lante und stationäre Versorgung besser aufeinander abstimmen“, erklärte Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach bei der Vorstellung des Kommissionsberichts am 3. Mai. „Unnötige Krankenhausaufenthalte, fehlende Abstimmung zwischen Arztpraxis und Klinik sowie unnötiger Personaleinsatz sind weder im Interesse der Patienten noch der Behandelnden und schon gar nicht im Interesse der Gemeinschaft.“ Ulla Schmidt machte den Aufschlag Einen ersten Anlauf für die Einführung eines Hausarztmodells hatte die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt bereits im Jahr 2004 mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung unternommen. Es räumte den Krankenkassen die Möglichkeit ein, Modelle zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) aufzulegen. Als das Ganze nicht richtig fruchtete, wurde 2007 aus der Möglichkeit eine Pflicht. Zudem erhielt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ein eigenes Verhandlungsmandat. 2008 unterschrieben Medi Baden-Württemberg, der dortige Hausärzteverband und die AOK den bundesweit ersten HzV-Vertrag, bei dem die Kassenärztliche Vereinigung (KV) komplett außen vor blieb. Bei den KVen und den Krankenkassen, insbesondere den bundesweit agierenden Ersatzkassen, stieß das Modell auf wenig Gegenliebe. Die einen fürchteten um den Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung, die anderen sahen erhebliche Mehrkosten auf sich zukommen, ohne dass sich die Versorgung im selben Maße verbesserte. Jetzt hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit dem Gesundheitsversorgungs-Stärkungsgesetz einen neuen Versuch gestartet, die hausärztliche Versorgung zu fördern. Der Entwurf wurde am 22. Mai vom Kabinett verabschiedet und befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung. Er sieht vor, dass die Honorarobergrenzen für die Hausärztinnen und Hausärzte entfallen und – wie es auch der Sachverständigenrat empfohlen hat – Jahrespauschalen eingeführt werden, um unnötige Arztbesuche zu vermeiden. Allerdings vermissen die Befürworter von mehr Koordination eine aus ihrer Sicht zentrale Regelung im Gesetzentwurf: den ursprünglich vorgesehenen „HzVBonus“ für Patienten, die sich verpflichten, immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen. Dabei seien wirksame Anreize für mehr Steuerung dringend notwendig. Denn auch 20 Jahre nach dem Aufschlag von Ulla Schmidt ist man in Deutschland von einem flächendeckenden Angebot an hausarztzentrierter Versorgung noch weit entfernt. Nach Angaben des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes waren im vergangenen Jahr bundesweit nur rund 16.000 Hausärzte und 6,2 Millionen Versicherte in HzV-Versorgungsverträge eingebunden. Und allmählich findet auch in den ursprünglich HzV-skeptischen ärztlichen Körperschaften ein Umdenken statt. Der demografische Wandel, der Patienten und Ärzte gleichermaßen betrifft, der zunehmende Mangel an Fachkräften, der die Überlastung der im Gesundheitswesen Tätigen noch verschärft, sowie die angespannte finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung haben nicht nur dem „Hausarzt als Lotsen“, sondern einer generell besseren Koordination der Patientenwege zu neuer Popularität verholfen. Unter der Überschrift „Gesundheitsversorgung der Zukunft – mehr Koordination der Versorgung und bessere Orientierung für Patientinnen und Patienten“ widmete der 128. Deutsche Ärztetag in Mainz dem Thema am 8. Mai einen eigenen Tagesordnungspunkt. Bereits bei der Eröffnungsveranstaltung am Vortag hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, betont, Ziel der Gesundheitsversorgung müsse sein, die vorhandenen Ressourcen so effektiv, aufeinander abgestimmt und effizient einzusetzen, dass sie dem tatsächlichen Behandlungsbedarf der Patienten gerecht würden. Das bekräftigten die 250 Delegierten in einem Beschluss, in dem sie sich klar für ein Primärarztmodell aussprachen. Das deutsche Gesundheitswesen sei wie wenige andere von einem kaum gesteuerten Zugang gekennzeichnet. Das sei auch zum Nachteil der Patienten, denn unter diesen Bedingungen werde es immer schwieriger, eine abgestimmte und sichere Versorgung zu gewährleisten, heißt es dort. Ähnlich wie der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege sprach sich der Ärztetag dafür aus, dass Patientinnen und Patienten künftig einen Hausarzt oder eine Hausärztin als erste Anlaufstelle wählen, die die RegelDer Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, plädierte dafür, die notwendige Steuerung der medizinischen Versorgung sorgfältig gegen das hohe Gut der freien Arztwahl und der Patientenautonomie abzuwägen. Foto: Christian Glawe-Griebel/helliwood.com

Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 versorgung übernehmen und, wenn nötig, die Weiterbehandlung beim Facharzt oder im Krankenhaus koordinieren. Der direkte Zugang zum Gynäkologen und zum Augenarzt solle erhalten bleiben. Das Sozialgesetzbuch V (§ 73b) ermögliche schon heute eine hausarztzentrierte Versorgung, die Koordination und Integration der Behandlung über Fachgruppen und Sektoren hinweg fördere. „Dies hat sich bewährt und ist weiter auszubauen“, heißt es im Beschluss des Ärztetages. Dieses Urteil unterfütterte der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Professor Josef Hecken, mit Zahlen. Die jüngste Evaluation der HzV in Baden-Württemberg von 2020 zeige ermutigende Ergebnisse, sagte Hecken. So nahm zwar die Zahl der Hausarztkontakte um gut 22 Prozent und die der koordinierten Facharztkontakte um 56 Prozent zu. Die unkoordinierten Facharztkontakte gingen dagegen um 45 Prozent zurück. Die Zahl der vermeidbaren Krankenhausaufnahmen sank um knapp vier Prozent. Die Medikamentenausgaben im ambulanten Bereich verringerten sich um knapp sechs Prozent. „Wir brauchen mehr Patientensteuerung“, forderte Hecken und bezog sich dabei auch auf die Kostenbelastung der Krankenkassen. „Wir geben in Deutschland 12,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, knapp 500 Milliarden Euro jährlich, für Gesundheitsleistungen aus“, so der G-BA-Vorsitzende. Mit steigenden Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt sei angesichts der aktuellen Haushaltslage nicht zu rechnen. „Da ist nicht mehr viel Luft nach oben.“ Eine primärärztliche Steuerung könne hier Zeit und Ressourcen sparen. Eine bessere Koordination sei im Übrigen auch beim Zugang zur Notfallversorgung erforderlich. Gesundheitskompetenz fördern Diese Forderung findet sich ebenfalls im Beschluss des Ärztetages. Entscheidend für die Steuerung des Zugangs in die Notfallversorgung ist nach Ansicht der Delegierten die bundesweite Einrichtung gemeinsamer Leitstellen von ärztlichem Bereitschaftsdienst (116 117) und Rettungsdienst (112). Dort solle eine standardisierte medizinische Ersteinschätzung stattfinden, die je nach medizinischer Dringlichkeit die Patienten an die nächstgelegene Arztpraxis, während der sprechstundenfreien Zeiten an den Bereitschaftsdienst oder direkt in die Notaufnahme des Krankenhauses verweist. Nicht zuletzt müssten Anreize für Ärzte und Patienten geschaffen werden, sich an vorgegebene Versorgungswege zu halten, forderten die Delegierten. Unter anderem müssten sämtliche Leistungen, die in der primärärztlichen Versorgung erbracht werden, entbudgetiert werden. Dasselbe gelte für fachärztliche Leistungen, die auf Überweisung erfolgten. (Die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages: https://128daet.baek.de/Applications). Allerdings stellte der Ärztetag auch klar, dass grundlegende Voraussetzung für eine funktionierende Versorgungssteuerung eine ausreichende Gesundheitskompetenz der Menschen ist. Diese gelte es ebenso zu fördern wie das Wissen über die Strukturen des Gesundheitswesens und dessen sachgerechte Inanspruchnahme. Sie halte die Beschlussvorlage des Deutschen Ärztetags zur Patientensteuerung für „genau den richtigen Weg“, sagte Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit des Bundestages und wie der G-BA-Vorsitzende Hecken Gastreferentin zum Thema. Sie plädierte darüber hinaus für eine verbindlichere regionale Zusammenarbeit zwischen den Sektoren. „Wir brauchen niedrigschwellige Anlaufstellen in den Quartieren, wo auch nichtärztliches Personal hausärztliche Praxen entlasten kann“, erklärte die GrünenPolitikerin. Diese Anlaufstellen könnten auch sozialarbeiterische Funktionen erfüllen. In diesem Zusammenhang müsse die Zusammenarbeit der Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen ausgebaut werden. In Deutschland sei man in der hochspezialisierten Medizin sehr gut aufgestellt. „Wir sind aber nicht ausreichend gut in der Basis, im Quartier“, so Kappert-Gonther. Auch der Gesundheitsökonom Professor Dr. rer. pol. Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld sprach sich für mehr Kooperation und Vernetzung in der Versorgung aus. „Das ist Teil der Lösung unseres Kapazitätsproblems“, so Greiner vor dem Deutschen Ärztetag. Mit Blick auf die Versorgungssteuerung im Rahmen von Primärarztmodellen strich er zwar ähnlich wie Hecken die positiven Effekte für verschiedene Aspekte der Versorgung heraus, gab aber zugleich mit Bezug auf internationale Studien zu bedenken, dass Patienten in sogenannten Gatekeeper-Strukturen weniger zufrieden seien als in Systemen mit Wahlfreiheit. Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege, habe deshalb empfohlen, Anreize für die Patienten zu schaffen, immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen, zum Beispiel, indem ihnen Zuzahlungen erlassen werden. Zu den finanziellen Anreizen zählten einige Ärztetagsdelegierte die Einführung von Wahltarifen in der gesetzlichen Krankenversicherung und eine höhere Eigenbeteiligung für Versicherte, die Versorgungsleistungen weiterhin ungeregelt in Anspruch nehmen wollen. Andere warnten vor sozialen Härten, wenn Selbstbehalte erhöht würden. Die Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die traditionell im Vorfeld des Deutschen Ärztetages zusammenkommen, hatten ihrem Vorstand aufgetragen, ein Konzept für eine wirksame Patientensteuerung zu erarbeiten. Dieses könne zum Beispiel Elemente wie ein Einschreibesystem, Wahltarife oder eine bessere Steuerung durch die 116 117 beinhalten, heißt es in dem entsprechenden Beschluss. Die ungesteuerte Inanspruchnahme des Gesundheitssystems sei weder medizinisch sinnvoll, noch personell und finanziell leistbar. Die notwendige und medizinisch sinnvolle Koordination und Steuerung der Versorgung gelte es aber sorgfältig gegen das hohe Gut der freien Arztwahl und der Patientenautonomie abzuwägen, mahnte BÄK-Präsident Reinhardt. Das besondere Vertrauensverhältnis von Ärztinnen und Ärzten zu ihren Patienten trage durchaus zum Heilungsprozess bei.

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