Rheinisches Ärzteblatt 7/2024

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Vier Krankenscheine für den Besuch beim Hausarzt (für jedes Quartal einen), zwei Scheine für den Zahnarzt sowie zwei für Vorsorgeuntersuchungen: Bis zur Einführung der Krankenversichertenkarte im Jahr 1995 versendeten die Krankenkassen jedes Jahr ein Krankenscheinheft an ihre Mitglieder. Den Abrechnungsschein gab man bei der Hausärztin oder beim Hausarzt seines Vertrauens ab, diese übernahmen die Regelversorgung und überwiesen bei Bedarf zur Weiterbehandlung an Fachärzte oder ins Krankenhaus. Hielt man sich als Patient nicht an den vorgeschriebenen Weg, musste man die Anforderung weiterer Krankenscheine gegenüber der Krankenkasse begründen. Das war der Versorgungsalltag im deutschen Gesundheitswesen. Inzwischen hat die Idee, Hausärztinnen und -ärzte als Lotsen der Patienten und Koordinatoren der Behandlung einzusetzen, wieder Hochkonjunktur. Denn damit in einer Gesellschaft des langen Lebens mit steigendem Versorgungsbedarf die Gesundheitsversorgung bezahlbar bleibt und Patienten trotz sich verschärfenden Fachkräftemangels ärztlich und pflegerisch angemessen betreut werden können, muss nach Ansicht der Befürworter solcher Steuerungsmodelle dafür gesorgt werden, dass Patienten dort behandelt werden, wo es ihren Beschwerden entsprechend angemessen ist. Diese Idee greift auch der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege in seinem Gutachten von Ende April 2024 mit dem Titel „Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ auf. Er kommt darin zu dem Schluss, dass sich nur mit einer Reform der Versorgungsstrukturen der sich abzeichnende Mangel an Ärzten, Pflegenden und Medizinischen Fachangestellten kompensieren lasse. Die unzureichende Steuerung von Patientenwegen sowie die mangelnde Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren der verschiedenen Versorgungsebenen führe nicht nur in vielen Fällen zu Überversorgung, sondern trage auch zur Verschärfung der Fachkräftesituation bei, weil die vorhandenen Ressourcen nicht optimal genutzt würden. Der Rat empfiehlt deshalb unter anderem, flächendeckend ein Primärarztsystem einzuführen. Für Versicherte sollten finanzielle Anreize geschaffen werden, sich künftig in einer haus- oder kinderärztlichen Praxis einzuschreiben, die die weitere Behandlung koordiniert. Flankierend sei es ratsam, das hausärztliche Honorarsystem von Quartals- auf Jahrespauschalen umzustellen, um unnötige Patientenkontakte insbesondere von gut eingestellten chronisch Kranken zu vermeiden. Nur kurze Zeit später legte die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ Reformvorschläge für eine bessere Zusammenarbeit im Gesundheitssystem vor. Sie plädiert für den Aufbau eines Primärarztsystems aus Allgemein- und Kinderärzten, Internisten, Gynäkologen und Psychiatern zur Steuerung der Gesundheitsversorgung. „Um das System fit zu machen für die Behandlung der Baby-Boomer-Generation, müssen wir ambuFoto: peshkov/istockphoto.com/Illustration: Eberhard Wolf Patienten besser leiten Für die Einführung eines Primärarztsystems hat sich jüngst – nach dem Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege und der Krankenhauskommission von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach – auch der Deutsche Ärztetag ausgesprochen. In erster Linie geht es dabei um Hausarztmodelle, in die sich Versicherte freiwillig einschreiben können. Die Befürworter versprechen sich davon nicht nur eine Verbesserung der Behandlungsqualität und einen Abbau von Überversorgung, sondern auch eine Entschärfung des zunehmenden Fachkräftemangels bei den Gesundheitsberufen. von Heike Korzilius

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