Rheinisches Ärzteblatt 7/2024

16 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Thema – 128. Deutscher Ärztetag zieller Einflüsse in unserem Gesundheitswesen. Die Debatte zu Struktur und Dauer des Ärztetags wurde von Herrn Reinhard offen geleitet, allerdings fußt sie hintergründig auch auf der Erkenntnis, dass der Einfluss der Ärzteschaft in der Politik abgenommen hat. Ärztinnen und Ärzte müssen sich künftig aktiver selbst um ihre Belange kümmern. Die Eröffnung des DÄT zeigte, wie zu erwarten, wenig Neues aus der Gesundheitspolitik. Der Minister erhielt für seine erneut bekundeten Gesprächsangebote und bekannten Gesetzesentwürfe daher auch eher verhaltenen Applaus. Der Präsident zielte in seiner Rede nochmals auf die Schwachstellen und offenen Baustellen und forderte vom Gesetzgeber, das Gesundheitswesen vor Staatsversagen zu schützen. Beim Schwerpunktthema „Gesundheitsversorgung der Zukunft – mehr Koordination der Versorgung und bessere Orientierung für Patientinnen und Patienten“ wurden für die Ärzteschaft richtungsweisende Beschlüsse gefasst. Bei den Referenten zum Thema zeigte Professor Hecken in einem sehr impulsiven Vortrag die Schwachstellen und die offenen Baustellen in der Gesundheitsversorgung auf. Die Stärkung der hausarztzentrierten Versorgung, mehr Delegation im Team, die Kooperation mit anderen Berufsgruppen und eine stärkere Einbindung der ärztlichen Expertise beim Aufbau neuer Strukturen wurden im Leitantrag des Vorstandes beschlossen. Die intensiven Debatten zur Zukunft der ambulanten und stationären Versorgung und auch die emotionalen Beiträge zur Gestaltung zukünftiger Ärztetage zeigten erneut, das der DÄT seine Debattenkultur nicht verloren hat, auch wenn durch die Trägheit des elektronischen Verfahrens spontane Wortmeldungen verzögert wurden. Ich bin dieses Jahr nach Mainz mit dem Wissen gefahren, dass dies für mich der letzte Ärztetag als Delegierte sein wird. Umso intensiver habe ich alle Veranstaltungen rund um den Deutschen Ärztetag verfolgt. Beeindruckend für mich war die sachliche und gehaltvolle Diskussion zur Gefahr des Demokratie-Verlustes durch das Erstarken von rechtsradikalen Parteien und die einstimmig verabschiedete Resolution „Nie wieder ist jetzt“. Wie ein roter Faden zog sich durch den Ärztetag, dass die Arbeitssituation in der Niederlassung wie auch in den Kliniken für Ärztinnen und Ärzte immer herausfordernder wird. Der stetige Spagat zwischen Ökonomie versus Menschlichkeit, Gewinnmaximierung versus Empathie, Fallzahlen versus Gesprächszeiten geht auf Kosten unserer Berufszufriedenheit. Auf dem Ärztetag haben wir auch einen Antrag diskutiert, in dem die BÄK aufgefordert wird, in ihrer Satzung und ihrer Geschäftsordnung künftig gendersensible Formulierungen zu verwenden. Persönlich gefreut hat mich die breite Zustimmung zu meinem Redebeitrag bezüglich der gendergerechten Sprache, in dem ich um weniger Verkniffenheit geworben habe. Und erstaunlich war dann, dass der Antrag tatsächlich positiv beschieden wurde. Ich denke, die BÄK findet einen Weg zur Umsetzung ohne Verkniffenheit. Der 128. Deutsche Ärztetag war mein erster Ärztetag, aber wie zu Studienzeiten in Fachschaft und bvmd findet man als junger Delegierter auch hier schnell Anschluss. Ob Krankenhausreform, faire PJ-Vergütung, Weiterbildungsordnung, Zugang zu Verhütungsmitteln oder Schwangerschaftsabbruch – wer die inhaltliche Auseinandersetzung nicht scheut und etwas Geduld aufbringt, der kann auf einem Ärztetag die Bandbreite der Fragestellungen, mit denen die Ärzteschaft konfrontiert ist, in toto betrachten. Die in der Sache meist hart, aber im Ton kollegial geführte Debatte ist Kernelement dieses Organs der ärztlichen Selbstverwaltung. Auch hierin spiegelt sich unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wieder und wir dürfen nicht müde werden, uns jederzeit für sie stark zu machen. Deshalb freue ich mich besonders, dass wir die Resolution „Nie wieder ist jetzt: Die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland stehen für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte“ verabschiedet haben. Das Privileg der Selbstverwaltung ist wertvoll und weil es demokratischen Prinzipien folgt, liegt es an uns allen, es mit Leben zu füllen – durch ehrenamtliches Engagement und die Beteiligung an (Kammer-)Wahlen. „Patientensteuerung: Nach Beschluss des DÄT soll die hausarztzentrierte Versorgung weiter ausgebaut werden.“ Dr. Oliver Funken (Rheinbach) Foto: Jochen Rolfes „Der stetige Spagat zwischen Gewinnmaximierung und einer empathischen Patientenversorgung geht auf Kosten unserer Berufszufriedenheit“. Dr. Christiane Groß, M.A. (Wuppertal) Foto: Jochen Rolfes „Das Privileg der Selbstverwaltung ist wertvoll – wir sollten es durch ehrenamtliches Engagement stärken.“ Constantin Halim (Aachen) Foto: privat „Ärztinnen und Ärzte müssen sich künftig aktiver selbst um ihre Belange kümmern.“ Wieland Dietrich (Essen) Foto: FÄ

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=