Rheinisches Ärzteblatt 7/2024

Gesundheits- und Sozialpolitik 22 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 Der große Wurf bleibt aus: Trotz angekündigter Entbudgetierung für Hausarztpraxen gehe der Gesetzgeber eine Vielzahl drängender Probleme im Gesundheitswesen nicht an, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. Frank Bergmann, im Rahmen der Vertreterversammlung (VV) am 7. Juni 2024. Weitere Themen der Sitzung der Delegierten waren die Notfall- und die Krankenhausreform. von Christopher Schneider „Endlich naht das Ende des Zwangsrabatts auf die hausärztliche Vergütung in Nordrhein. Das ist eine wichtige Entscheidung für alle in der Nieder- lassung engagierten Kolleginnen und Kollegen und vor allem für den ärzt- lichen Nachwuchs, den wir dringend benötigen.“ Mit diesen Worten kommentierte Dr. Frank Bergmann, Vorstands- vorsitzender der KVNO, zu Beginn der Vertreterversammlung die bevorstehende Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung. Mit dem Ende Mai von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach vorgelegten Entwurf des Gesundheitsversorgungs-Stärkungsge- setzes (GVSG) rücke diese nun endlich in greifbare Nähe. Der KVNO-Chef erneuerte in diesem Zusammenhang sodann die Forderung, dass künftig auch die fachärztlichen Leistungen entbudgetiert werden müssten. In Zeiten des Fachkräftemangels in der ambulanten Versorgung seien Budgets für alle Kolleginnen und Kollegen ein Anachronismus, den der Gesetzgeber gänzlich abschaffen müsse. Keine Transformation durch das GVSG Der „große Wurf“ sei mit der Kabinettsfassung des GVSG in Summe betrachtet indessen nicht gelungen. Eine Vielzahl drängender Probleme im Gesundheits- Niedergelassene ebnen Weg für digitale Transformation im Notdienst wesen packe das Gesetz nicht an – von einem spürbaren Abbau von Bürokratie in den Praxen oder verbindlichen Maßnahmen für nachhaltige und digitale Patientenpfade sei im Gesetzestext nicht viel zu lesen. Dabei wäre gerade dies mit Blick auf einen effektiven Einsatz knapper werdender ärztlicher Ressourcen laut Bergmann von fundamentaler Bedeutung. „Paradebeispiel“ sei hierbei etwa die Inanspruchnahme der Not- und Rettungsdienste, wo es aus medizinischfachlicher Sicht sehr häufig um vergleichsweise banale Dinge gehe. „Es ist mir rätselhaft, warum der Gesetzgeber so lange verschlafen hat, auf die entstandene Diskrepanz zwischen Versorgungsansprüchen und den Ressourcen des Systems zu reagieren.“ Hier habe zuletzt die von der KVNO organisierte kinderärztliche Videosprechstunde im Notdienst das große Potenzial telemedizinischer Anwendungen erkennen lassen. Die bisherigen Ansätze des Gesetzgebers in dieser Richtung seien jedoch „leider wenig hilfreich für das ambulante Versorgungssystem“, so Bergmann. Daher sehe sich die KVNO in der Verantwortung, hier selbst innovative Lösungen voranzutreiben. 116 117 wird zum digitalen Knotenpunkt „Wenn wir über eine Steuerung in die richtigen Versorgungspfade sprechen, spielen die Digitalisierung, ein sicheres Ersteinschätzungsverfahren und die Servicestelle 116 117 zentrale Rollen. Wir wollen die 116 117 in NRW daher in Zu- kunft flächendeckend zu einem zentralen digitalen Knotenpunkt in der Patientenversorgung im Land ausbauen“, be- kräftigte Bergmann. „Es ist unser Ziel, die Patienten künftig über eine digitale Lösung mit integrierter Videosprechstunde und weiteren ergänzenden elektronischen Services zu steuern.“ Eine solche Weiterentwicklung diene wesentlich der Effizienz des Versorgungssystems und könne sowohl Klinikambulanzen als auch Notdienstpraxen entlasten. Dem entsprechenden Antrag des KVNO-Vorstands stimmte die VV mit breiter Mehrheit zu und mandatierte die weiteren Schritte. Erste Eckpunkte sollen nun zeitnah im Rahmen eines „Runden Tisches“ von KVNO, dem NRW-Gesundheitsministerium, den Krankenkassen, Rettungsdiensten, der KV Westfalen-Lippe und weiteren Leistungserbringern im Land vereinbart werden, so Bergmann. Rückenwind bei Notfallreform Der zuletzt veröffentlichte Referentenentwurf zur Notfallreform gebe dabei zweifelsohne Rückenwind für das KV- System. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) setze bei der Akutversorgung weiterhin eindeutig auf das vertragsärztliche System und die Sicherstellung durch die Selbstverwaltung. „Auch, dass weiterhin auf die 116 117 und ihre Funktion als Lotse gesetzt wird, ist ein klares Bekenntnis des BMG zum Sicherstellungsauftrag der KVen. Die im Entwurf dabei vorgesehene Finanzierung über die Kostenträger in Höhe von 50 Prozent ist jedoch bei weitem nicht ausreichend. Diese Struktur ist Teil der Daseinsfürsorge und muss eindeutig zu 100 Prozent finanziert werden“, forderte Bergmann. Positiv sei in- des die Überlegung beziehungsweise Klarstellung des BMG, wonach die Versorgung in den Nachtstunden nicht durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte im Bereitschaftsdienst in den Portalpraxen erfolgen müsse – dies könne das vertragsärztliche System deutlich entlasten. „Die Vorhaben sind herausfordernd, aber das ist bei einer digitalen Transformation auch immanent. Mit dem Ausbau der 116 117 zum digitalen Knotenpunkt werden wir uns diesen Aufgaben stellen und damit maßgeblich zu einer besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten in Nordrhein beitragen. Die Selbstverwaltung ist laut Bergmann dabei ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Modellprojekt: Physician Assistants Auch außerhalb des ambulanten Notdienstes sieht der KVNO-Vorstand in gezielter Patientensteuerung und intensi-

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