Rheinisches Ärzteblatt 7/2024

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2024 25 Interview : Haben Sie die Arbeit mit den Patienten vermisst? Henke: Ja, sogar sehr. Ich halte den Arztberuf für einen der schönsten Berufe, die es gibt. Leben retten, Gesundheit erhalten, Krankheiten heilen, Leiden lindern und Sterbenden beistehen. Das macht für mich den Kern ärztlicher Tätigkeit aus. Und die unmittelbare Mitwirkung daran vermisse ich bis heute. : Wenn Sie zurückblicken auf ihre (berufs-)politische Karriere, worauf sind sie besonders stolz? Henke: Stolz ist eine der sieben Todsünden. Stolz bin ich auf nichts. Aber bestimmte Entwicklungen erfüllen mich mit Genugtuung und einer gewissen Zufriedenheit. Was mich zum Beispiel sehr freut, ist dass wir in Nordrhein-Westfalen gerade die Chance haben, die Krankenhauspolitik nach ganz anderen Kriterien auszugestalten als das der Fall war, als ich mit der Berufspolitik angefangen habe. Damals beantragte jedes einzelne Krankenhaus seine eigene Investitionsförderung. Man musste als Krankenhausträger im Grunde genommen einen diplomatischen Dienst unterhalten, der ständig in Düsseldorf antichambrierte, wenn man auch einmal Geld aus den entsprechenden Töpfen erhalten wollte. Mit einer planvollen Gestaltung von Krankenhauspolitik hatte das nichts zu tun. Heute gibt es eine pauschale Investitionsförderung, bei der die Krankenhäuser mit einer festen Geldsumme rechnen können – die ist zugegebenermaßen zu gering. Aber das Land stellt Geld kalkulierbar zur Verfügung. Außerdem ist es uns gelungen, dafür zu sorgen, dass die Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen unmittelbar an der Krankenhausplanung beteiligt werden – in gleicher Rolle wie die Krankenhausgesellschaft und die Krankenkassen. Deshalb konnten wir uns, wie ich finde, mit viel Sachverstand in die aktuelle Reform der Krankenhausplanung einbringen, die mit ihren Leistungsgruppen und Leistungsbereichen wirklich ein großes Werk geworden ist. Bei der Krankenhausfinanzierung ist uns das allerdings leider noch nicht gelungen. : Zurzeit laufen die Vorbereitungen für die Umsetzung der Reform in NRW. Was erwarten Sie? Henke: Ich glaube, die Reform wird jetzt durchgezogen. Gesundheitsminister Karl- Das Genfer Gelöbnis fordert von den Ärztinnen und Ärzten dieser Welt ein, immer den höchsten Respekt vor dem menschlichen Leben zu wahren. Josef Laumann ist bereit, fachliche Entscheidungen zu treffen, was natürlich auch bedeutet, Auswahlentscheidungen zu treffen. Am Ende wird nicht jedes Krankenhaus die Leistungen anbieten dürfen, die es gerne erbringen würde. Ein Teil der Häuser wird sich spezialisieren, ein anderer die Grundversorgung sicherstellen. Das halte ich auch für geboten. Denn Patienten mit komplexen Erkrankungen sind ja nicht in den richtigen Händen bei Ärztinnen und Ärzten, die bestimmte Eingriffe kaum jemals vornehmen. Dafür ist Erfahrung nötig. Ob die Mindestzahlen für bestimmte Eingriffe wissenschaftlich immer gut begründet sind, weiß ich nicht. Aber solche Planungsentscheidungen, auch was die Wirtschaftlichkeit von Leistungen betrifft, kann man auf Landesebene treffen. : Könnte eine Reform zur Krankenhausfinanzierung auf Bundesebene die Planungsreform in NRW noch aushebeln? Henke: Nein, das glaube ich nicht. Allerdings kann Bundesgesundheitsminister Lauterbach ein ungeplantes Krankenhaussterben herbeiführen, wenn er nicht genügend Geld zur Verfügung stellt, um die steigenden Kosten durch Inflation und Tariflohnsteigerungen auszugleichen. Die aktuelle Finanzlage der Krankenhäuser schreit nach mehr Mitteln. Auch die geplanten Strukturveränderungen müssen finanziert werden. Dass jetzt aber die Kassenärztliche Bundesvereinigung gegenüber der EU-Kommission die Rechtmäßigkeit des dafür vorgesehenen Transformationsfonds infrage stellen will, finde ich schwierig. Denn Finanzierungsschwierigkeiten haben ja sowohl die niedergelassenen Ärzte als auch die Krankenhäuser. Da müsste doch der logische Schluss sein, dass man zusammenrückt und gemeinsam dafür eintritt, dass diese Unterfinanzierung beendet wird. Das wäre eine Ausgangslage für ein großes „Bündnis Gesundheit“. Man kann eine Sache nur dann zum Erfolg führen, wenn alle bereit sind, die Belange der anderen miteinzubeziehen. Das kenne ich aus dem Tarifgeschäft. Man kann im Vorfeld viel Krawall machen, aber zum Schluss muss man sich am Verhandlungstisch einigen. : Was Sie sowohl als Kammerpräsident als auch als Politiker auszeichnet, sind ihre christlich geprägten medizin-ethischen Positionen zum Beispiel in den Debatten um Sterbehilfe, Pränataldiagnostik oder jüngst auch den Schwangerschaftsabbruch. Henke: Für mich persönlich spielt das christliche Menschenbild, spielen katho- lische Soziallehre und evangelische Sozialethik eine große Rolle. Aber auch das Genfer Gelöbnis des Weltärztebundes, das auf den Hippokratischen Eid zurückgeht, lange bevor das Christentum eine Rolle spielte, fordert von den Ärztinnen und Ärzten dieser Welt ein, immer den höchsten Respekt vor dem menschlichen Leben zu wahren. Das versprechen wir. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass wir gar nicht mehr so genau darüber nachdenken, was diese Worte bedeuten. Der höchste Respekt vor menschlichem Leben kann ja nicht bedeuten, dass irgendein anderer Wert, der in Konflikt mit menschlichem Foto: Jochen Rolfes

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