Rheinisches Ärzteblatt 8/2023

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 8 / 2023 Der Bundesgesundheitsminister fand deutliche Worte: „Übertriebene Ökonomisierung hat die Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten über die letzten Jahre deutlich verschlechtert. Wir korrigieren das und ändern die Rahmenbedingungen so, dass Deutschland als Absatzmarkt für Arzneimittel wieder attraktiver wird“, sagte Professor Dr. Karl Lauterbach anlässlich der Verabschiedung des ALBVVG am 23. Juni im Deutschen Bundestag. Um Lieferengpässen entgegenzuwirken, sieht das Gesetz unter anderem vor, dass Preisregeln gelockert und europäische Produktionsstandorte gestärkt werden. Außerdem soll die Lagerhaltung wichtiger Arzneimittel ausgebaut und ein Frühwarnsystem installiert werden (siehe Kasten). Handlungsbedarf bestand aus Sicht des Gesetzgebers, weil sich die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln in den letzten Jahren deutlich erhöht hat. Betroffen sind in erster Linie Generika, bei denen nach Angaben des Branchenverbands Pro Generika der Preisdruck besonders hoch ist. 2021 waren demnach 79 Prozent der Arzneimittel, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben wur- den, Nachahmerpräparate; der Anteil der Generika an den GKV-Arzneimittelausgaben insgesamt lag jedoch bei nur 7,2 Prozent (5,9 Milliarden Euro zu Herstellerabgabepreisen). Der Verband macht insbesondere das niedrige Preisniveau in Deutschland infolge von Festbeträgen und Rabattverträgen für die aktuellen Lieferengpässe verantwortlich. Die Folgen: Hersteller zögen sich aus dem Markt zurück, die Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion konzentriere sich auf immer weniger Anbieter und wandere zum großen Teil in Drittstaaten ab. Ähnlich argumentiert auch der Gesetzgeber in der Begründung zum ALBVVG. Im Jahr 2000 seien 30 Prozent der Wirkstoffe für Generika in Asien produziert worden, 2020 seien es bereits 60 Prozent gewesen, heißt es dort. Das steigere die Risiken für strategische Abhängigkeiten und unterbrochene Lieferketten. Trends nur schwer ableitbar Lieferengpässe bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln werden seit 2013 von den Pharmaunternehmen im Rahmen einer Selbstverpflichtung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet. Aktuell verzeichnet die Datenbank gut 500 Meldungen – bei insgesamt circa 100.000 zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland. Trends bei der Entwicklung der Engpässe ließen sich jedoch nur schwer ableiten, wie die Behörde auf ihrer Homepage (bfarm.de) betont. Die Meldekriterien seien 2017 umfassend angepasst worden. Das erschwere Vergleiche mit den Zahlen der Vorjahre. Die reinen Zahlen seien zudem nur eingeschränkt aussagekräftig. Denn für die unterschiedlichen Wirkstärken und Darreichungsformen eines Wirkstoffes werde jeweils eine eigene Meldung gemacht. So habe beispielsweise der Rückruf des Rezept gegen Lieferengpässe Meldungen über Lieferengpässe bei Generika, darunter Krebsmedikamente sowie Fieber- und Antibiotikasäfte für Kinder, sorgen seit Monaten für negative Schlagzeilen. Die Ursachen solcher Engpässe sind vielfältig: Preisdruck, Globalisierung der Produktions- und Lieferketten, Monopolbildung. Entsprechend komplex sind mögliche Lösungen. Der Bundestag hat mit dem ArzneimittelLieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) Ende Juni einen Versuch gestartet. von Heike Korzilius Foto: Eberhard Wolf

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