Rheinisches Ärzteblatt 8/2023

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 8 / 2023 13 scher Apothekerverbände e. V. erklärte, dass für zwei Drittel der selbstständigen Apotheker Lieferengpässe inzwischen zu den größten Ärgernissen im Berufsalltag gehören. Gut 60 Prozent der Apotheker wendeten mehr als zehn Prozent ihrer Arbeitszeit dafür auf, um bei Engpässen gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten nach Lösungen zu suchen. Ob das ALBVVG das Problem an der Wurzel packen kann, ist aufgrund der Komplexität und der internationalen Dimension ungewiss. Kritik gibt es vonseiten der Krankenkassen. Sie fürchten aufgrund der Lockerungen bei den Preisvorgaben um Einsparungen. Pro Generika zufolge senkten 2021 allein die Rabattverträge zwischen Kassen und Herstellern die Arzneimittelausgaben um 5,1 Milliarden Euro. Dem Branchenverband gehen die Lockerungen bei den Preisen dagegen nicht weit genug. Außerdem kritisiert er die Vorschriften für eine erweiterte Lagerhaltung. Das werde die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung weiter reduzieren und letztlich zu noch mehr Engpässen führen. Blutdrucksenkers Valsartan im Jahr 2018 allein zu 118 neu gemeldeten Lieferengpässen geführt. Drei echte Versorgungsmängel Das BfArM weist zudem darauf hin, dass nicht jeder Lieferengpass automatisch zu einem Versorgungsengpass führt, weil es in vielen Fällen Alternativen für die Behandlung gibt. Echte Versorgungsmängel gab es bis vor Kurzem drei. Betroffen waren mit Tamoxifen und Folinsäure Krebsmedikamente sowie Antibiotikasäfte für Kinder. Den Versorgungsmangel mit Tamoxifen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) inzwischen aufgehoben. Hat das BMG einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 AMG festgestellt, können die Länderbehörden von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abweichen und beispielsweise den Import von Arzneimitteln erlauben, die in Deutschland nicht zugelassen sind, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiterhin sicherzustellen. Im Fall eines Versorgungsengpasses gibt der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe beim BfArM flankierend Empfehlungen ab, um die Folgen abzumildern. Neben Aufforderungen an die Ärzteschaft, beispielsweise kleinere Packungen oder andere Wirkstärken zu verordnen sowie knappe Arzneimittel ausschließlich leitliniengerecht und maßvoll einzusetzen, gehen zuweilen auch Appelle an Großhandel und Apotheken, sich nicht über Gebühr zu bevorraten, damit eine regionale Ungleichverteilung verhindert werden kann. Reichen diese Empfehlungen nicht aus, kann der Beirat auch Distributionswege einschränken und die Abgabe von Arzneimitteln kontingentieren. Aufwendiges Engpassmanagement Ebenso wie die Politik und die Arzneimittelhersteller macht auch das BfArM für Lieferengpässe unterschiedliche Ursachen aus. So verzeichnete die Behörde bei Tamoxifen gleich zu Beginn der Coronapandemie mit den ersten Lockdowns einen Anstieg der Verordnungen, der auf „unflexible Herstellungsprozesse“ traf. Im Fall der Antibiotikasäfte für Kinder konnten um die Jahreswende die Produktionskapazitäten nicht mehr mit dem enorm gestiegenen Behandlungsbedarf mithalten. Die Folgen waren weltweit zu spüren, so das BfArM. Im Fall der Engpässe bei Fiebersäften hatte sich zusätzlich ein großer Hersteller aus dem Markt zurückgezogen. Auch wenn die Versorgung hierzulande bisher in den meisten Fällen gesichert werden konnte, verunsichert doch jeder Lieferengpass die betroffenen Patienten und führt zu einem deutlichen Mehraufwand bei deren Ärzten und Apothekern. Zuletzt hatte der Hausärzteverband Nordrhein den enormen organisatorischen Aufwand und die zusätzliche Beratungszeit beklagt, die mit einer Umstellung der Medikation verbunden sind. Die ABDA – Bundesvereinigung deut­ Festbeträge und Rabattverträge für Kinderarzneimittel werden abgeschafft. Pharmaunternehmen können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent gegenüber dem zuletzt geltenden Preis anheben. Gibt es bei wichtigen Arzneimitteln zu wenige Anbieter, können Festbetrag oder Preismoratorium einmalig um 50 Prozent angehoben werden. Pharmaunternehmen wird für rabattierte Arzneimittel eine Lagerhaltung für sechs Monate vorgeschrieben. Für Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken gelten erhöhte Bevorratungspflichten für parenterale Arzneimittel und Antibiotika in der Intensivmedizin. Antibiotika, die in Europa produziert werden, müssen bei Rabattverträgen künftig zusätzlich berücksichtigt werden. Bei Reserveantibiotika werden die Regeln zur Preisbildung so angepasst, dass für die Unternehmen ein Anreiz für Forschung und Entwicklung gesetzt wird. Nicht verfügbare Arzneimittel können in der Apotheke einfacher gegen wirkstoffgleiche Arzneimittel ausgetauscht werden; Apotheker dürfen ohne Rücksprache mit dem Arzt von der verordneten Packungsgröße, Packungsanzahl und Wirkstärke abweichen, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen. Apotheker und Großhandel erhalten für das Management von Lieferengpässen einen Zuschlag. Das BfArM erhält zusätzliche Informationsrechte gegenüber den Pharmaunternehmen. Außerdem wird dort ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen eingerichtet. Maßnahmen im Kampf gegen Lieferengpässe Das ALBVVG sieht unter anderem folgende Regelungen vor:

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