Rheinisches Ärzteblatt 8/2023

22 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 8 / 2023 Praxis gelaufen sei – angezeigt. Die Beurteilung und Regelung von Ersatzansprüchen muss aber der Versicherung überlassen bleiben. Fragt man bei größeren Kliniken nach, wird auf die geltenden Empfehlungen einer offenen Kommunikation mit Patienten nach einem möglichen Behandlungsfehler verwiesen. So gebe es etwa bei den Städtischen Kliniken Köln eine interne Richtlinie „Umgang mit besonderen Vorkommnissen, insbesondere Behandlungsfehlervorwürfe“ mit Empfehlungen zum Umgang mit Patienten und Bezugspersonen; diese sei auf Grundlage des von der Ärztekammer Nordrhein herausgegebenen Leitfadens „Kommunikation im medizinischen Alltag“ entwickelt worden. Auch heißt es aus den befragten Einrichtungen durchgängig, dass es Hilfsangebote für Ärztinnen und Ärzte nach einer traumatischen Erfahrung gebe, mit denen länger andauernden psychischen Folgen bei der weiteren Berufsausübung entgegengewirkt werden solle. Ob und wie dies in der Praxis umgesetzt wird, lohnte eine eingehendere Untersuchung. Im niedergelassenen Bereich fehlt es an einer festen Verankerung von Hilfsangeboten für Second Victims – die nach traumatischen Erfahrungen extrem belasteten Ärztinnen und Ärzte. Stefan Spittler kann sich auch nicht daran erinnern, dass bei den von ihm geleiteten Balint-Gruppen jemals psychische Probleme nach schwierigen oder fehlerhaften Behandlungsverläufen zur Sprache gebracht worden seien. Für ihn und den Ad-hoc-Ausschuss „Ärztegesundheit“ ist es daher enorm wichtig, mit dem Hilfsangebot der Ärztekammer Nordrhein die Betroffenen zu erreichen. sich auch um ihre eigene Gesundheit kümmern“, sagt der Allgemeinarzt. Zudem sei dabei auch das Reden mit den Patienten nach erfolgten Behandlungsfehlern sehr wichtig, betonen Kaup wie auch Bartels. „Natürlich ist es immer gut, wenn man offen darüber spricht“, merkt Spittler dazu an. Es müsse unbedingt der Eindruck vermieden werden, es solle etwas vertuscht werden. Auch die deutliche Kommunikation darüber, wie sehr auch der Verursacher selbst (die Ärztin/der Arzt) von dem Vorfall betroffen sei, sei für denjenigen, der den Fehler erleiden musste, hilfreich. Oft trage dies auch dazu bei, spätere gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. GAK-Mitglied Kaup geht davon aus, dass mit einer offenen Kommunikation auch viele der Fälle, die der Gutachterkommission vorliegen, gar nicht erst dort gelandet wären. Wandel in der Kommunikation Für Johannes Riedel, Vorsitzender der GAK und Präsident des Oberlandesgerichts a. D., hat sich in den Krankenhäusern in den vergangenen Jahren in Bezug auf das Kommunikationsverhalten nach möglichen Behandlungsfehlern ein Wandel zum Positiven vollzogen. „Früher war man der Ansicht, dass man ohne Abstimmung mit dem Haftpflichtversicherer überhaupt keine Erklärungen abgeben dürfe – schon gar nicht, wenn dies in die Nähe eines Schuldeingeständnisses kam.“ Heute werde aber anders damit umgegangen. Und auch für Riedel sind sachverhaltsbezogene, wahrheitsgemäße Angaben gegenüber betroffenen Patientinnen und Patienten – auch wenn etwas nicht richtig Second-Victim-Ereignissen komme. Viele der Befragten hätten aber keine Unterstützung gesucht oder erhalten, um das Vorgefallene besser verarbeiten zu können. Wenn Patienten zu Schaden kommen Ein Fehler, insbesondere wenn er zur Schädigung des Patienten führt, sei mit das Schlimmste, was einem Arzt passieren kann, sagt Stefan Spittler, der auch in solchen Fällen als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Er weist auf mögliche Folgen für den Arzt hin: „Passiert so ein Fehler, hat der Arzt zunächst einmal das große Problem, wieder in einen normalen Arbeitsrhythmus zu kommen. Es dauert oft Monate, bis man wieder zu der eigentlich erforderlichen Lockerheit bei der Ausübung des Berufs kommt.“ Im Gespräch würde er betroffenen Kollegen verdeutlichen, dass eine solche Reaktion völlig normal sei, und gleichzeitig betonen, wie wichtig in dieser Situation eine professionelle Begleitung oder ein regelmäßig verfügbarer Ansprechpartner ist, um weiter den Belastungen des Berufsalltags gerecht werden zu können. Auch Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen und ehrenamtliches Mitglied in der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler (GAK) der Ärztekammer Nordrhein, weiß um die Folgen eines Behandlungsfehlers oder eines Behandlungsfehlervorwurfs. „Die Gefahr ist groß, dass der betroffene Arzt sich fragt, ob er überhaupt für den Job geeignet ist“, betont Kaup gegenüber dem Rheinischen Ärzteblatt. Grundsätzlich wichtig sei zunächst einmal die Akzeptanz, dass Fehler passieren können. Das Selbstverständnis vieler Ärzte sei aber immer noch von Perfektionismus geprägt. „Und dann ist man auf einmal nicht perfekt, hat möglicherweise einen Schaden hinterlassen, der nicht wieder gut zu machen ist.“ Es dürfe aber nicht dazu kommen, warnt Kaup, dass Ärzte nach einem Fehler den Beruf aufgeben, weil sie mit diesem Umstand nicht klarkommen. „Dann verlieren wir die Besten.“ Grundsätzlich ist Kaup der Ansicht, dass Ärzte auf die Situation nach einem Behandlungsfehler oder Behandlungsfehlervorwurf besser vorbereitet werden sollten. Für ihn gehört das Üben dieser Notfallsituation als fester Bestandteil in Aus- und Weiterbildung. Wie in anderen Berufen auch sollte es nach traumatischen Erfahrungen auch bei Ärztinnen und Ärzten selbstverständlich sein, dass es dann ein geeignetes Hilfsangebot gibt. „Diejenigen, die sich um die Gesundheit anderer kümmern, sollten Unter Wahrung der Anonymität können Ärztinnen und Ärzte nach traumatisierenden Erfahrungen im Beruf ein Hilfsangebot der Ärztekammer Nordrhein in Anspruch nehmen. Mit Dr. Stefan Spittler, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, steht den Betroffenen für einen telefonischen Austausch ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Sollte sich im Telefongespräch weiterer therapeutischer Behandlungsbedarf herausstellen, wird auf geeignete Ansprechpartner verwiesen. Hilfsangebot für Ärztinnen und Ärzte Dr. Stefan Spittler Foto: MST Erreichbar ist er unter der Telefonnummer 0172 2 425122 oder per Mail dr.stefanspittler@t-online.de.

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