Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 10 / 2023 Einsamkeit, soziale Isolation und Alleinsein sind Begriffe, die im Alltag oftmals synonym verwendet werden, allerdings meinen sie doch unterschiedliche Dinge. Bei der Veranstaltung „Niemanden allein lassen – gemeinsam in die Zukunft“, die im Rahmen der Fortbildungsreihe „Der ältere Mensch“ Mitte August im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft stattfand, erläuterte Professor Dr. phil. Maike Luhmann die Unterschiede. Die Dekanin der Fakultät für Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum und Einsamkeitsforscherin sagte, dass „Alleinsein“ ein freiwilliger Zustand sei und von den Menschen als angenehm empfunden werde. Auch die „soziale Isolation“ sei nicht unbedingt negativ konnotiert, selbst wenn darunter der objektive Mangel an sozialen Beziehungen verstanden werde. „Einsamkeit“ dagegen sei ein als schmerzhaft empfundener subjektiver Mangel an gewünschten sozialen Beziehungen. Dabei komme es weniger auf die Zahl der sozialen Beziehungen an, sondern vielmehr auf deren Qualität. Zahlreiche Risikofaktoren „Einsamkeit“ sei eine Empfindung und keine Krankheit, es gebe auch keine Diagnosekriterien, betonte Luhmann. Daher sei unklar, ab wann jemand als einsam gelte. Konsens sei, dass besonders häufig über 80-Jährige von Einsamkeit betroffen sind. Vor der Coronapandemie fühlten sich zwischen sechs und zehn Prozent der älteren Menschen fast immer oder immer einsam. Manchmal einsam fühlten sich sogar 15 bis 30 Prozent, wie Untersuchungen ergaben. Nach Ansicht des Ärztlichen Direktors und Vorstandsvorsitzenden des Universitätsklinikums Düsseldorf, Professor Dr. Frank Schneider, wird das Thema Einsamkeit im Alter an politischer Bedeutung zunehmen, da sich der Anteil der über 80-Jährigen an der Gesamtbevölkerung stetig steigert. Diese Menschen seien von Einsamkeit besonders bedroht, da zum Beispiel Lebenspartner, Freunde und Bekannte vielfach bereits verstorben seien, ihre Mobilität abnehme oder auch Armut sie daran hindere, am sozialen Leben teilzunehmen. Psychologin Luhmann nannte weitere Risikofaktoren für Einsamkeit wie eine introvertierte Persönlichkeit oder emotionale Instabilität, aber auch ein Migrationshintergrund, geringes Einkommen, Arbeitslosigkeit, keine feste Partnerschaft oder einschneidende Lebensereignisse wie etwa die Trennung von einem Partner oder der Tod eines nahestehenden Menschen könnten Auslöser für eine Lebensphase sein, in der man sich einsam fühlt. Weniger eindeutig könne aus wissenschaftlicher Sicht gesagt werden, ob das Geschlecht oder das Alter einer Person eine Rolle spiele. Auch habe man bislang keine systematischen Unterschiede zwischen Stadt und Land gefunden. Ob Menschen sich einsam fühlen, hänge mit der Entfernung zum nächsten Oberzentrum, der Entfernung zu Parks, Sport- und Freizeiteinrichtungen oder mit der Fußgängerfreundlichkeit einer Ortschaft zusammen, so die Psychologin. „Psychische Gesundheit braucht sozialen Austausch“, sagte Schneider. Fehlende soziale Kontakte könnten Einsamkeit macht krank Menschen sind soziale Wesen. Fehlt der Kontakt zu anderen Menschen, wirkt sich das auf Dauer negativ auf die physische und psychische Gesundheit aus. Besonders alte Menschen sind gefährdet, unter Einsamkeit zu leiden. Ärztinnen und Ärzte sollten auf Warnsignale achten und Hilfe anbieten. von Jürgen Brenn Foto: photobac/istockphoto.com
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