Gesundheits- und Sozialpolitik Rheinisches Ärzteblatt / Heft 10 / 2024 23 Die freien Berufe, zu denen auch der Arztberuf zählt, seien eine wichtige, möglicherweise unverzichtbare Grundlage der freiheitlichen Gesellschaft in Deutschland. Die Freiberuflichkeit stehe jedoch erheblich unter Druck, warnte Peter Müller, ehemaliger saarländischer Ministerpräsident und Bundesverfassungsrichter a.D. bei der 11. Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung Ende August in Düsseldorf. Überlegene Alternativen zur freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit sehe er nicht. von Heike Korzilius Der große Saal war fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf dem Programm stand ein Grundsatzthema: die ärztliche Freiberuflichkeit als Garant für Therapiefreiheit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen. Gut 300 Gäste hatten sich am 28. August im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf zur 11. JörgDietrich-Hoppe-Vorlesung eingefunden, in deren Rahmen der ehemalige CDU-Ministerpräsident des Saarlandes und Bundesverfassungsrichter a.D., Peter Müller, darüber referierte, warum es allen Grund gibt, die Freiberuflichkeit zu verteidigen und sich dafür einzusetzen. Denn die Alternativen seien Staatsmedizin mit den bekannten Effizienzverlusten oder die „Vollkommerzialisierung“ der gesundheitlichen Dienstleistungen. „Und die wird im Zweifel dem Gebot, eine gleichmäßige medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten, nicht Rechnung tragen“, mahnte Müller. Am Gemeinwohl orientiert Doch die Freiberuflichkeit ist dem ehemaligen Verfassungsrichter zufolge kein Selbstläufer und steht gleich von mehreren Seiten unter Druck: Sie werde bedroht von überbordender Bürokratie, zunehmender Kommerzialisierung und vonseiten der Europäischen Kommissionen. Diese hätten bislang die freien Berufe eher als eine Störung des Binnenmarktes angesehen, und deshalb ziele die europäische Binnenmarktstrategie auf die schrittweise Gleichstellung von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit. Die Abgrenzung von Gewerbe und freiem Beruf verschwimme aber auch im Zuge einer fortschreitenden Kommerzialisierung der medizinischen Versorgung, mahnte Müller. Den Kern freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit sieht er in der Orientierung sowohl am Wohl des einzelnen Patienten als auch an der gesamten Gesellschaft. Wenn aber durch den Einstieg von Fremdinvestoren beispielsweise in Medizinische Versorgungszentren Renditeerwartungen das Angebot und die Therapieentscheidungen bestimmten, dann sei das mit dem Wesen der freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr vereinbar. Hier sei der Gesetzgeber aufgerufen, einen Regelungsrahmen zu schaffen, der die Freiberuflichkeit schütze, forderte Müller. Zum Kern der ärztlichen Freiberuflichkeit gehöre auch, dass die Ärztinnen und Ärzte ihre Leistungen eigenverantwortlich, persönlich und fachlich unabhängig erbringen, führte der ehemalige Verfassungsrichter weiter aus. Das begründe die ärztliche Therapiefreiheit und zugleich das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und ihren Patienten. „Der freie Beruf des Arztes Freiberuflichkeit unter Druck Diskutierten über Therapiefreiheit und Fremdbestimmung: Peter Müller (l.), ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes und Bundesverfassungsrichter a.D., und Rudolf Henke, bis Ende August Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Schindler-Marlow
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